Warum noch niemand 12K braucht – und wann die URSA Cine 12K LF trotzdem punktet
Pixelpower (1)
von Frank Glencairn,
Mit der URSA Cine 12K LF bringt Blackmagic Design eine Kamera auf den Markt, die mit eigenentwickeltem RGBW-Sensor und 12K-Auflösung Konventionen in Frage stellt. Doch was bringt all das in der Praxis und wer profitiert wirklich davon? DoP Frank Glencairn hat sich für unser Heft 6.2025 die URSA Cine 12K LF im Detail vorgenommen und wirft einen kritischen Blick auf Sensorarchitektur, Workflow und Praxisnutzen. Im ersten Teil geht es detailliert um den RGBW-Sensor.
Foto: Frank Glencairn
Blackmagic Design hat sich nie gescheut, die Branche aufzumischen. Die neue URSA Cine 12K LF ist da keine Ausnahme. Mit der von Blackmagic Design selbst entwickelten RGBW-Sensortechnologie und dem 36 × 24 mm großen Vollformatsensor, der eine satte 12K-Auflösung liefert, ist die URSA Cine 12K LF ein Platzhirsch auf diesem sonst eher überschaubaren Marktsegment der Cine-Kameras. Doch dieser Platzhirsch ist nicht nur disruptiv, sondern auch überraschend erschwinglich. Mit 15.688 Euro oder 8.995 Euro für das Gehäuse ist die Kamera fast ein Schnäppchen und greift die High-End-Dominanz von ARRI, Sony und RED an.
Die entscheidende Frage ist natürlich: Wer braucht wirklich 12K? Reflexartig möchte man sagen: „Kein Mensch!“ und hinzufügen „Ich liefere meistens in HD, bestenfalls in UHD – was soll ich also mit 12K?“ Die Frage ist also, ob die zusätzliche Auflösung in irgendeinem Szenario tatsächlich von Nutzen ist. Die URSA Cine 12K LF beantwortet diese Frage allerdings mit einem klaren „Ja, und zwar in jeder Auflösung!“
Sie ermöglicht nämlich das Herunterskalieren auf 8K und 4K unter Beibehaltung der vollen Sensorfläche, also ohne jeglichen Crop, und das bei nahtlosem Wechsel ohne Neustart. Das ist ein Novum und Alleinstellungsmerkmal in dieser Kameraklasse. Da es bereits jede Menge Reviews gibt, welche auf die üppigen neuen Features der Kamera eingehen, betrachte ich hier deshalb hauptsächlich die Besonderheiten der Sensortechnik der URSA Cine 12K LF.
Frank Glencairn, der diesen Artikel für uns verfasst hat, ist am 7. Mai 2025 plötzlich verstorben. Wir trauern um einen geschätzten Kollegen, leidenschaftlichen Kameramann und klugen Autor.
RGBW statt Bayer
Im Herzen der URSA Cine 12K LF steckt ein speziell entwickelter RGBW-Sensor, der sich in seiner Wirkungsweise von den Bayer-Farbfilter-Arrays (CFA) unterscheidet, die seit den 1970er Jahren die digitale Bildgebung dominieren.
Ein Bayer-Sensor verwendet ein 2×2-Muster: zwei grüne, ein rotes und ein blaues Fotoelement, das sich über die Sensoroberfläche wiederholt. Etwa 59 Prozent unserer Helligkeitswahrnehmung stammen aus grünen Wellenlängen, deshalb nutzt dieses Muster die höhere Empfindlichkeit des menschlichen Auges für grünes Licht, um ein Vollfarbbild durch Demosaicing zu rekonstruieren – ein Prozess, bei dem Software fehlende Farbdaten für jedes Pixel interpoliert. Es ist effizient, zuverlässig und das Rückgrat der meisten Kameras, auch wenn dabei quasi die 50 Prozent der grünen Pixel und jeweils 75 Prozent der roten und blauen Pixel des Endbildes nur „herbeigeschätzt“ werden.
Der RGBW-Sensor der URSA Cine 12K LF geht einen Schritt weiter. Anstelle eines 2×2-Bayer-Gitters verwendet er eine 6×6-Anordnung, ein größeres, komplexeres Muster, das gleichmäßig in Rot, Grün, Blau und Weiß (RGBW) aufgeteilt ist. Die Hälfte der 36 Fotoelemente in jedem 6×6-Block ist weiß (Wideband Filter), während die andere Hälfte gleichmäßig zwischen RGB (Narrowband Filter) verteilt ist. Im Gegensatz zu farbigen Filtern, die alle außer ihrer vorgesehenen Wellenlänge blockieren und damit die Lichtaufnahme entsprechend reduzieren, lassen weiße Fotoelemente alles Licht ungefiltert durch. Das steigert die Lichtempfindlichkeit des Sensors enorm – ein entscheidender Vorteil, wenn man 12.288 × 8.040 Pixel (das sind 98,8 Megapixel) auf einen 36 × 24 mm großen Sensor packt.
Das Prinzip von Bayer- und WRGB-Sensor im Vergleich sowie ein Schema des Downsamplings bei der URSA Cine 12K LF (Grafik: Frank Glencairn)
Warum ist das bei 12K wichtig? Das liegt an der Physik: Höhere Auflösungen bedeuten kleinere Sensel und kleinere Sensel fangen weniger Licht ein. Ein herkömmlicher Bayer-Sensor mit 12K würde bei schwachem Licht anfangen zu rauschen oder Dynamikumfang verlieren. Das RGBW-Design wirkt dem entgegen, indem es die weißen Fotoelemente nutzt, um das Signal-Rausch-Verhältnis deutlich zu verbessern und den angegebenen Dynamikumfang von 16 Blendenstufen zu halten.
Bei einem Bayer-Sensor ist das De-Mosaicing einfach: Die fehlenden Farben jedes Pixels werden aus seinen Nachbarn interpoliert. Bei RGBW funktioniert das völlig anders. Die weißen Fotoelemente liefern Luminanzdaten (Helligkeit), während die RGB-Elemente die Chrominanz (Farbe) übernehmen. Der Bildsignalprozessor der Kamera muss diese Komponenten trennen, ein Vollfarbbild rekonstruieren – und all das schnell genug zustandebringen, um 80 fps bei 12K Vollformat oder 240 fps bei 4K Super 35 zu unterstützen. Das erfordert enorme Rechenleistung.
Das merkt man auch schon beim Einschalten der Kamera. Denn wo viel gerechnet wird, fällt Wärme an. Das Auslesen von 98,8 Millionen Fotoelementen erzeugt vor allem bei hohen Frameraten jede Menge davon. WLAN, die interne 8TB-SSD sowie die 10GbE-Netzwerkverbindung tragen noch zusätzlich dazu bei. Blackmagic kontert dies mit einem robusten Kühlsystem mit zwei Lüftern und stellt auf diese Weise sicher, dass der Sensor auch bei langen Aufnahmen stabil auf Temperatur bleibt.
Während noch bei der Ursa Mini nicht viel Wärmeentwicklung zu spüren ist, emittiert die URSA Cine sofort nach dem Einschalten einen deutlich warmen Luftstrom. Aber auch hier bleiben die Lüfter weitgehend lautlos. Selbst bei höheren Temperaturen muss man sich also keinerlei Gedanken machen, was Überhitzung betrifft, nicht zuletzt dank des größeren Kühlkörpers.
Aber zurück zum Sensor: Das 6×6-Muster bringt auch eine Herausforderung: die geometrische Auflösung. Da die Hälfte der Fotoelemente weiß ist, resultiert das in einer geringeren effektive Farbauflösung als bei einem Bayer-Sensor mit gleicher Pixelzahl. Blackmagic kompensiert dies jedoch mit cleveren Algorithmen, die hochfrequente Details der weißen Elemente nutzen, um die Kantenschärfe zu verbessern, während RGB-Daten die Farbtöne ausfüllen. Das Ergebnis ist ein Bild, das schärfer und nuancierter wirkt, als es seine nominelle Farbauflösung vermuten lässt.
In dem Moment, wo allerdings auf die Ausgabeauflösung von beispielsweise 4K heruntergesampelt wird, entsteht ein Ergebnis, das einem Foveon-Sensor oder chemischem Film ähnelt, bei dem tatsächlich für jedes Pixel, das am Ende auf dem Bildschirm landet, eine Vollauflösung in allen drei Farben besteht – statt wie bei einem traditionellen Bayer-Sensor weitgehend herbeiinterpoliert zu werden.
Doch die Kernfrage bleibt: Wozu brauche ich einen 12K-Sensor, wenn 90 Prozent meiner Auslieferungen in 4K oder niedriger sind? Doch tatsächlich geht es weniger darum, 12K zu brauchen, sondern darum, was ein 12K-Vollformatsensor ermöglicht, nämlich zunächst einmal unübertroffene Flexibilität.
Der 36 × 24 mm große Sensor der URSA Cine 12K LF, etwas kleiner als der der ARRI LF, aber weiterhin im Vollformatbereich, bietet ein 3:2-Open-Gate-Seitenverhältnis bei einer Auflösung von 12K (12.288 × 8.040 Pixel). Diese Kombination eröffnet maximale Flexibilität in der Postproduktion: Schwenken, Zoomen oder Stabilisieren ist möglich, ohne Qualitätseinbußen befürchten zu müssen. Auch anamorphotisches Drehen ist vorgesehen. Die Kamera unterstützt De-Squeeze-Verhältnisse von 1,3x bis 2x und nutzt dabei die volle Sensorhöhe für echten Breitbild-Look. Selbst bei einer Aufnahme in 8K oder 4K bleibt das Sichtfeld erhalten und damit auch der typische Full-Frame-Look. Die Wahl der Objektive muss also nicht angepasst werden.
Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus dem Oversampling. Das Herunterskalieren von 12K auf 4K bedeutet nicht nur eine gesteigerte Schärfe, sondern vor allem ein saubereres Signal. Jeder einzelne 4K-Pixel wird aus rund neun Senseln in einer 3×3-Anordnung errechnet, was das Bildrauschen reduziert, die Farbtreue verbessert und weichere Tonwertverläufe ermöglicht. Kombiniert mit 16 Blendenstufen Dynamikumfang erlaubt das eine präzise Abbildung selbst kontrastreichster Szenen. Der RGBW-Sensor trägt zudem zu einer Farbreinheit bei, die den Aufwand im Grading deutlich reduziert.
Auch in Sachen Zukunftssicherheit ist die Kamera gut aufgestellt: 12K ist zwar noch kein Standard, aber im VFX-Bereich längst willkommen, da hochauflösendes Ausgangsmaterial ein sauberes Compositing ermöglicht. Zudem dürften kommende Display-Technologien, von 8K-Fernsehern bis zu hochauflösenden VR-Headsets, zunehmend nach solchem Material verlangen. Und nicht zuletzt erlauben die fast 99 Megapixel der Kamera beeindruckend detailreiche Einzelbilder, ideal für Print oder Archivzwecke.
Für einen reibungslosen Produktionsalltag sorgt schließlich ein effizienter Workflow. Die integrierte 8-TB-SSD zeichnet Blackmagic RAW entweder mit konstanter Qualität (Q0 bis Q5) oder konstanter Bitrate (3:1 bis 12:1) auf und ermöglicht so eine ausgewogene Balance zwischen Dateigröße und Bildqualität. Über den integrierten 10GbE-Port lassen sich Daten mit bis zu 1,25 GB/s übertragen – schneller als bei den meisten externen Laufwerken. [15559]
Im zweiten Teil des Artikels erfahren Sie morgen mehr über anamorphotische Optionen,Stromversorgung und Objektivanforderungen der URSA Cine 12K LF!