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DoP Ari Wegner über ihre Oscar-nominierte Arbeit an „The Power of the Dog“

Alles im Bild trägt Emotion

DoP Ari Wegner ist gerade mal die zweite Kamerafrau, die für einen Oscar nominiert ist. Wer „The Power of the Dog“ von Regielegende Jane Campion gesehen hat, weiß, Wegner hat enorm gute Chancen. Wir sprachen mit der Bildgestalterin über die lange Vorbereitungszeit, wie sie die Buchvorlage in Bilder übersetzte und welche Regeln es an ihrem Set gab.

DoP Ari Wegner und Regisseurin Jane Campion am Set von „The Power of the Dog“
DoP Ari Wegner und Regisseurin Jane Campion am Set von „The Power of the Dog“ (Foto: Kirsty Griffin / Netflix)

Zeit ist Luxus. Vor allem gilt das im Filmgeschäft. Als Regisseurin Jane Campion ihr Team zusammenstellte und Ari Wegner als DoP für „The Power of the Dog“ an Bord holte, lagen die Dreharbeiten noch rund ein Jahr entfernt. Ende 2018 bekam Wegner den Anruf von Jane Campion, die deutlich machte, dass sie bis zu den Dreharbeiten Anfang 2020 sehr viel Zeit mit ihrer Kamerafrau verbringen wollte. Beide nutzten die Zeit für die intensive Auseinandersetzung mit dem Stoff. „Ich habe zuallererst das Buch gelesen“, sagt Ari Wegner. „Denn Jane schrieb zu der Zeit immer noch am Drehbuch.“ Campion wählte in der folgende Zeit die Motive zusammen mit Wegner aus, involvierte die Kamerafrau intensiv in Besprechung mit Art Department, Szenenbild und Kostümbild.

„Für mich ist es wichtig, die Regisseurin während des Prozesses der Vorproduktion so gut kennen zu lernen, dass ich ihre Vision gut kenne, aber auch ihre Persönlichkeit verstehen lerne“, sagt Ari Wegner. „Ich bringe immer eine sehr große Offenheit mit. Sicher habe ich auch eigene Ideen aus dem Buch, aber ich halte damit erstmal zurück, bis ich weiß, welche Ideen die Regisseurin umsetzen möchte.“

Benedict Cumberbatch als Farmer Phil Burbank und Kodi Smit-McPhee als Peter
Benedict Cumberbatch als Farmer Phil Burbank und Kodi Smit-McPhee als Peter (Foto: Ari Wegner / Netflix)

Der bessere Vorschlag

Laut Ari Wegner hat sie viel gemeinsam mit Jane Campion. Zum Beispiel erscheinen beide gerne extrem gut vorbereitet am Set. „Wenn man seine Hausaufgaben sehr gut gemacht hat, kann man am Set experimentieren und spielen“, sagt Wegner. „Es ist leicht, Entscheidungen zu treffen, wenn man durch die Vorarbeit seine Instinkte geschärft hat.“ Dazu gehört am Set auch eine hohe Konzentration der ganzen Crew. Campion und Wegner mögen beide sehr ruhige, leise, respektvolle Sets. So waren für die Crew zum Beispiel keine privaten Mobiltelefone am Set erlaubt. Beide geben sich bei der Auswahl der Crewmitglieder diesbezüglich große Mühe, ein gut passendes Team zusammen zu stellen.

Ihre gemeinsame kreative Arbeit beschreibt DoP Wegner, dass auf das Angebot von einer, das Gegenangebot der anderen folgt, oder auf den Vorschlag der bessere Vorschlag. „Nicht einer Meinung zu sein, ist ein guter Weg, sehr spezifisch darin zu werden, was man will oder sich vorstellt“, so DoP Wegner. Das einzige, wo beide unterschiedlicher Meinung sind verrät Wegner: „Ich bin mehr ein Morgenmensch, Jane ist eher ein Nachtmensch.“

Die Entwicklung der Visualität von „The Power of the Dog“ folgt überraschenderweise in vielen Punkten der Romanvorlage. Das hat einen Grund. „Das Buch ist sehr reich an allen möglichen wunderschönen Bildern und Beobachtungen“, so Ari Wegner. „Die fühlen sich wirklich wie gelebte Erfahrungen und Beobachtungen an. Die sind sehr spezifisch wie winzig kleine Details, die etwas über größere Zusammenhänge aussagen, wie der Satz: ‘Niemand konnte eine Tür so leise schließen, wie Peter.’ oder eine Beschreibung des Bleistifts, mit dem Phil seinen Namen in der Buch an der Red Mill schreibt.“ Ari Wegner war es sehr wichtig, diese Aufmerksamkeit für Details in das visuelle Konzept hineinzubringen.

Jane Campion und Benedict Cumberbatch begutachten eine Szene am Regie-Monitor.
Jane Campion und Benedict Cumberbatch begutachten eine Szene am Regie-Monitor. (Foto: Kirsty Griffin / Netflix)

Makros

Diese Details finden sich auf der visuellen Ebene unter anderem in den metikulös inszenierten Makroaufnahmen. So sind häufig die Hände der Hauptfiguren in Makros zu sehen, Benedict Cumberbatch beim Flechten eines Seils oder wie er Banjo spielt, Kodi Smit-McPhee beim Sezieren eines toten Rinds oder Kirsten Dunst beim Klavierspielen. Für Ari Wegner war es sehr wichtig, diese Makroaufnahmen genauso präzise vorzubereiten wie die weiten Landschaftsaufnahmen. Sie inszenierte die Close-Ups als sehr persönliche Einblicke in die Psyche der Figuren und setzte diese in Kontrast mit der kargen aber wunderschönen Landschaft Neuseelands, wo die Crew die eigentlich im US-Bundesstaat Montana angesiedelte Handlung auferstehen ließ. Wegner schuf so Bilder, in denen alles die Emotion der Hauptfigur transportiert, jeder Winkel, jeder Lichtstrahl, jede Unschärfe und jedes Detail unterstreicht das Spiel der Figuren.

Ari Wegner wählte die ARRI ALEXA LF sowie die ALEXA Mini LF und paarte diese mit den Ultra Panatar 1.3 Anamorphoten von Panavision. „Bei der langen Vorbereitungszeit hatten wir viel Zeit, um uns über den Look zu unterhalten“, so die Kamerafrau. „Anfangs hatten wir geplant, 1:1,85 zu drehen.“ Schon beim Storyboarding merkte Wegner jedoch, dass sie immer wieder über die 1:1,85-Markierungen hinaus zeichnete. Also schwenkte das Team auf Cinemascope 1:2,40 um. Die 1.3-Stauchung der Ultra Panatars ist zudem so subtil, dass Wegner sich keine großen Gedanken bei Close-Ups oder Bewegungen um eine Verzeichnung machen musste. „Ich mag den Look der Panatars“, sagt Ari Wegner. „Ihr Look wirkt vermutlich eher sphärisch als richtig anamorphotisch,  sie wirken dennoch leicht anders, aber man kann nicht genau sagen, warum.“ Genau das ist ohnehin eines der obersten Regeln, die Ari Wegner versucht zu befolgen. „Ich möchte, dass das Visuelle nie die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die 1.3-Stauchung macht das ganz subtil, nicht so ,laut‘ wie der 2.0-Squeeze.“

Kirsten Dunst spielt die in einen Abwärtsstrudel geratende Rose. (Foto: Ari Wegner / Netflix)
Kirsten Dunst spielt die in einen Abwärtsstrudel geratende Rose. (Foto: Ari Wegner / Netflix)

Keine LUT

Eine LUT hatte Ari Wegner für „The Power of the Dog“ nicht erstellt. Sie nutzt Look-up-Tables nur selten. „Ich möchte gerne sehen, was ich aufzeichne“, sagt die Kamerafrau. Sie benutzt für Set-Monitore und Prüfung der Belichtung den Rec. 709. „Das ist  nicht der schönste Look, aber so stellt er für mich das Worst-Case-Scenario dar.“ Stattdessen filtert sie. Bei „The Power of the Dog“, nutzte sie einen Tiffen 812 Warming Filter, der für gewöhnlich in kühleren Lichtsituationen für wärmere, natürlichere Hauttöne sorgt. Vieles an der Farbpalette des Films konnte aufgrund der langen Vorlaufzeit im Vorfeld bestimmt werden. So konnte wirklich jede Schraube und jedes Regalbrett im Farmhouse sowie jedes Muster und jeder Knopf der Kleidung auf das visuelle und erzählerische Konzept abgestimmt werden.

Jetzt geht es in die letzte Phase vor der Oscarverleihung. Auf die freut sich DoP Ari Wegner sehr. Allerdings nur zweitrangig aufgrund der möglichen Auszeichung, wie sie erklärt: „Es ist immer sehr traurig, wenn man sich am Ende der Dreharbeiten realisiert, wir werden vermutlich nie mehr alle zusammen sein“, sagt Ari Wegner. „Es ist toll, wenn das Team bei solchen Veranstaltungen wieder vereint wird. Das wird eine großartige Nacht der Feierns. Ganz unabhängig vom Ausgang.“ [15117]

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