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DoP Johannes Schmülling realisiert VR-Experience mit Canon Dual Fisheye

Bilder ohne Grenzen

Für die VR-Experience „Silent Disco“ von Regisseur Fabio Thieme kombinierte DoP Johannes Schmülling in einem innovativen Ansatz stereoskopische mit monoskopischer Virtual Reality. Dabei verwendete er für die Haupt-Blickrichtung eine Canon R5C mit dem Dual-Fisheye-Objektiv Canon RF 5.2 mm F2.8 L. Wir berichteten von den Dreharbeiten in unserem Heft 9.2023.

DoP Johannes Schmülling am VR-Set
Foto: Pia Henke

Zur Hölle fährt man mit dem Aufzug – und dabei geht es munter zu. Nachdem zunächst Menschen und Lift alltäglich wirken, beginnt bald das Licht leicht zu flackern. Beim nächsten Stopp steigt eine divers gekleidete und bestens gelaunte Partygesellschaft zu und tanzt zu Technoklängen. Doch spätestens als das Aufzuglicht bunt zu blitzen beginnt, maskierte Albtraumgestalten hinzukom- men, die auf leicht verstörende Weise mit den übrigen Fahrgästen interagieren und der Aufzug immer schneller in die Tiefe saust, wird klar: Hier stimmt etwas ganz und gar nicht. Zum Glück ist das Verderben, bei dem man in apokalyptischer Stimmung auf dem Weg in die Unterwelt tanzt, nur virtuell. Denn wir stehen in „Silent Disco“, einer VR-Experience, die an drei verschiedenen Orten spielt. Neben dem Fahrstuhl zur Hölle gibt es noch einen surrealen Stripclub sowie einen volkstümlichen Totentanz mit selbstspielendem Klavier. Alle drei Elemente der Experience dauern je fünfzehn Minuten.

Die exklusive Vorpremiere im „bat Theater Berlin“ war für DoP Johannes Schmülling, bei diesem Projekt verantwortlich für die Bildgestaltung, vielversprechend: „Es war auch für uns ein besonderer Anblick, so viele Menschen gleichzeitig auf einer abgedunkelten Bühne unter einer Discokugel mit VR-Brillen tanzen zu sehen“, sagt er. „Die Idee dahinter ist, dass es einerseits eine filmische Erfahrung ist, die im Außen selbst zu einer Performance wird. Man erlebt das Spannungsfeld zwischen kollektiver Vereinzelung und virtueller Ekstase. Wie wir gemerkt haben, bringt dieses viele Menschen dazu, mitzutanzen“, so der DoP. „Besonders spannend finde ich Momente, in denen ich mich selbst aus Versehen der Illusion hingebe. Das ging mir öfter so, wenn ich mir mitten in der Nacht in meinem Atelier eine Schnittversion angeschaut und mich selbst beim Tanzen mit VR-Brille erwischt habe – und mich fragte, ob sich nicht vielleicht meine Nachbarn schon etwas wundern!“

Monitor mit stereoskopischer Aufnahme mit Canon Dual Fisheye RF 5.2 mm F2.8
Das Canon Dual Fisheye RF 5.2 mm F2.8 liefert eine stereoskopische Aufnahme mit zwei kreisrunden Einzelbildern, die parallaktisch verschoben sind und so die 3D-Information liefern. (Foto: Pia Henke)

Für den Regisseur der VR-Experience Fabio Thieme und DoP Johannes Schmülling ist das verbindende Element der drei Filme das Spannungsfeld zwischen Ekstase vor dem Hintergrund der eigenen Vergänglichkeit. „Wir haben in der Vorbereitung gemeinsam herausgearbeitet, dass für uns Ekstase und Tod sehr ähnliche Zustände sein können, und wollten bei ,Silent Disco‘ die Zuschauenden in Situationen katapultieren, die aus der Realität stammen, aber eben nicht alltäglich sind. Sozusagen in eine Art transzendentale virtuelle Nahtoderfahrung. Wie wir über die eigene Vergänglichkeit denken, hat meiner Einsicht nach große Auswirkungen darauf, wie wir leben und Filme drehen. Man darf sich aber auf dem Weg zur Hölle auch einfach gut unterhalten fühlen!

DoP mit Visionen

Johannes Schmülling begann seine Karriere ursprünglich auf der anderen Seite der Kamera. Doch nach einem Engagement beim Jungen Ensemble des Theas Theater und kleineren Filmrollen dachte er um. „Hinter der Kamera bin ich eher zufällig gelandet – erst rückblickend habe ich gemerkt, dass ich immer schon sehr visuell imaginiert habe und synästhetisch wahrnehme“, erinnert er sich. Es folgten Set-Praktika und eine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton bei der Deutschen Welle. Er wechselte kurzfristig in ein Filmstudium im Schwerpunkt „Kamera“ an der ifs Köln und schloss dort erfolgreich ab. Dort, so Schmülling, habe er gelernt, seine „Fantasien zu kanalisieren und ihnen eine filmische Präzision zu verleihen.“ Seit 2020 ist Schmülling freiberuflich als DoP für Filmproduktionen in Spielfilm, Werbung und im Bereich Virtual Reality tätig, wo er unter anderem VR-Produktionen für eine Bundesbehörde realisiert. „Diese sind sehr facettenreich und motivieren mich dazu, mich stetig im Bereich VR-Kinematographie künstlerisch weiterzuentwickeln.“

Zu „Silent Disco“ kam der Kameramann über die Empfehlung eines Kollegen. „Ich rief Fabio Thieme, Regiestudent der HfS Ernst Busch eines Abends spontan an. Wir haben uns sofort gut verstanden und ich erhielt den Auftrag. Das Projekt haben wir dann im Team gemeinsam weiterentwickelt.“

Neue Arbeitsweisen

Für Johannes Schmülling sind 3D und VR ein Medium mit Zukunft, insbesondere aufgrund aktueller Produktankündigungen von Apple. „Ich glaube nicht, dass VR-Experiences den klassischen 2D-Film ersetzen werden. Es ist eine weitere Spielwiese, die anderen Prämissen und Regeln folgt“, erklärt der DoP. „Aber es gibt in diesem Bereich insbesondere künstlerisch und handwerklich noch sehr viel zu entdecken. Man muss Pionierarbeit leisten und das finde ich sehr spannend daran, weil Virtual Reality eben ein Bereich ist, der noch nicht lange existiert und den man weiterentwickeln kann.“

Das bedeutet aber auch, dass ein DoP sich nicht mehr auf übliche Workflows und Gestaltungsmittel verlassen kann. „Der krasseste Unterschied ist, dass die Bildgrenzen entfallen“, stellt Johannes Schmülling dazu fest. „Das gibt mir natürlich erst einmal gefühlt weniger Gestaltungsfreiheit, weil ich auf die Kadrage keinen Einfluss habe und damit den Blick des Publikums nicht lenken kann. Andererseits tritt aber eine starke Räumlichkeit und Körperlichkeit in den Vordergrund und man muss sich darauf einstellen, dass die Wahrnehmung eine andere ist, weil man nicht in einem Kinosessel sitzt und eine Leinwand sieht, sondern in der Szene komplett immersiv beteiligt ist.

Das Set der Fahrstuhl-Szene mit komplettem VR-Rig und Beleuchtung des Setbaus durch ARRI SkyPanels
Von innen und außen: Das Set der Fahrstuhl-Szene mit komplettem VR-Rig und Beleuchtung des Setbaus durch ARRI SkyPanels (Fotos: Pia Henke)

Der DoP hat jedoch bei seiner Arbeit in VR-Projekten die Erfahrung gemacht, dass es am Set ein ähnliches Arbeiten wie beim klassischen Film ist und er fiktionale Gestaltungselemente anwendet, die Inszenierung sich jedoch mehr zu Perspektive, Kamerabewegung, Staging, Licht, Spacial Audio und natürlich den Schnitt hin verschiebt. „Insbesondere das Lichtkonzept erfordert eine andere Herangehensweise: Das Licht kann Available Light, Practicals, in den Szenen versteckt oder nachträglich retuschiert sein“, sagt Schmülling. „Das erfordert eine enge Zusammenarbeit mit dem Art Department. Unser Szenenbildner Pertti Hagelstein hat den 3 × 4 Meter großen Aufzug kurzerhand im Studio nachgebaut. Als Decke kam ein Diffusor zum Einsatz. Darüber installierten wir mit Oberbeleuchter Jakob Schleiter und Best Girl Helena Köppen ein Grid aus zehn SkyPanels und spannten zusätzlich ein volles 12 × 12 Silk darunter. Wir setzten zudem vier ARRI Orbiter zur Beleuchtung der ‚Außenwelt‘ ein. Die Fahrt des Aufzuges wurde mit Astera Titan Tubes simuliert. Die Dramaturgie des Lichts entwickelte ich dann zusammen mit unseren Lichtpult-Operatoren David Hesse und Aljoscha Dakic auf einer grandMA.“, erläutert Schmülling. Dabei ist für ihn die Bildkontrolle auf einem herkömmlichen 2D-Monitor nur eine Option. Zusätzlich hätte er sich ein Monitoring mit VR-Brille am Set gewünscht. Doch diese hätte er sich selbst entwickeln müssen, ein fertiges System hierfür ist derzeit nicht auf dem Markt. [15358]

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