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Praxistipps für Interviews und Liveschalten (1)

Wenn nichts schiefgehen darf

Wir alle machen Fehler, besonders unter Zeitdruck, und dann wird unter Umständen historisch bedeutendes Material wie vom Treffen der Präsidenten Biden und Selenskyj weltweit mit Gelbstich ausgestrahlt. Bernhard Herrmann hat Tipps, wie sich mit guter Vorbereitung Fehlerquellen ausschließen lassen.

EB-Kamerateams und Fotografen bei einem Statement des Bundeskanzlers.
Foto: Creative Art Production

Am 20. Februar 2023 reiste US-Präsident Joe Biden überraschend nach Kiew, um dort den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Die deutschen und internationalen Nachrichtensender unterbrachen sofort ihr laufendes Programm und sendeten die ersten Aufnahmen der beiden Präsidenten weltweit als Breaking News – doch sämtliche Videobilder aus den Innenräumen des Marienpalastes hatten einen kräftigen Gelbstich, auf allen TV-Sendern, weltweit. Das zeigt exemplarisch, welche enorme Verantwortung EB-Kamerateams bei ihrer Arbeit tragen. Meist sind es nur minimale Fehler, die in der Folge zu großen Problemen führen können. Zwei Fotografen und zwei Kameraleute, die mit DSLM-Kameras auf Handheld-Gimbals ausgestattet waren, begleiteten die beiden Präsidenten während des Besuches. Es steht zu vermuten, dass die Kollegen aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen erst kurz zuvor von ihrem Einsatz erfuhren und ihre Vorbereitungszeit entsprechend kurz war. Hinzu kommt zweifellos der zusätzliche Stress, der durch die besonderen Umstände des Drehs zustandekam.

„Eile ist des Teufels Bote“, sagt das Sprichwort und niemand wird den Kollegen vor Ort Vorwürfe machen, wenn es unter Zeit- und Protokolldruck zu technischen Fehlern kommt. Doch das Beispiel illustriert, wie wichtig eine gute Vorbereitung ist, die schon im Vorfeld mögliche Fehlerquellen identifiziert und beseitigt.


Tipps für die Vorbereitung

Selbstverständlichkeiten: Gerade wenn Sie die einzige Kameraperson vor Ort sind und sehr bedeutende Aufnahmen herstellen, sollten Sie zuvor noch einmal alle Kamera-Einstellungen überprüfen. Hier zählen vermeintliche Selbstverständlichkeiten. Gibt es ausreichend Speicher auf der Karte der Kamera? Wo steht der Weißabgleich? Wie sind die Eingangkanäle für den Ton belegt? Sind genügend geladene Akkus zur Hand? Ortstermin: Wenn möglich, gehen Sie am Drehort die späteren Wege mit der Kamera ab. Prüfen Sie welche Beleuchtung vorhanden ist oder später dort eingeschaltet sein wird und passen Sie die Farbtemperatur auf das überwiegend vorhandene Licht im Raum ein. Speichern oder notieren Sie sich die Einstellungen, für den Fall, dass es später hektisch wird, und behalten Sie die Möglichkeit eines automatischen Weißabgleichs als Failsafe-Option im Hinterkopf.

Farbkorrektur: Falls die Farbtemperatur nicht korrekt eingestellt war, kann eine Farbkorrektur sogar mit Adobe Lightroom auf einem Notebook helfen – sofern die Zeit dafür vorhanden ist. Mit wenigen Mausklicks lässt sich die Farbtemperatur rasch in den korrekten Bereich nachregeln und abspeichern. Diese Option haben beim Material vom Präsidentenbesuch in Kiew einige TV-Sender genutzt.

Ton: Benutzen Sie bei Pressekonferenzen oder Statements, wenn möglich, eine vor Ort zugelassene Draht- losstrecke zwischen dem Tonsplitter für das Mischpult im Raum und dem Tonsignaleingang an der Kamera. Wenn Sie dafür ein XLR-Kabel verwenden müssen, achten Sie darauf, dass dadurch keine Stolperfallen entstehen, die eine Unfallgefahr darstellen – und die Übertragung gefährden. Es schadet auch nie, zwei Rollen von schwarz-gelbem Klebeband zur Absicherung von Kabeln dabeizuhaben.

Tonangeln der EB-Teams vom NDR und ZDF sowie der Tonmischer vom ZDF stehen bereit. Auf einem Tisch steht der Tonsplitter.
Ungesicherte Kabel werden leicht zu Stolperfallen.(Foto: Creative Art Production)

Soundcheck: Testen Sie Ihre Übertragungsstrecke. Bitten Sie jemanden, in normaler Lautstärke und üblichem Abstand ein paar Sätze in das Mikrofon am Rednerpult oder in den Handsender zu sprechen. Prüfen Sie den Ton am Aussteuerungsinstrument der Kamera und per Kopfhörer und achten Sie dabei auf wahrnehmbare Latenzen. Sprechen Sie den Beschallungstechniker an, ob die vorgenommenen Einstellungen beibehalten werden.

Sprachübersetzung: Finden Sie heraus, ob es vor Ort eine simultane Übersetzung durch Dolmetscher gibt und welcher O-Ton und/oder Sprache über- tragen beziehungsweise aufgezeichnet werden soll. Auf welchem Kanal der Splittbox liegt welche Sprache? Testen Sie die Tonqualität. Welcher Protagonist wird tatsächlich in welcher Sprache reden?

Havariereserve: Selbst wenn das Budget eine B-Kamera nicht hergibt, kann selbst ein aktuelles Smartphone mit UHD-Auflösung samt einem Handheld- Gimbal auch bei schwierigen Aufnahmebedingungen mit dynamischen Aktivitäten brauchbare Videobilder liefern. Dabei ist es empfehlenswert, die jeweils aktuelle Version der Gimbal-Software zu benutzen und diese gegebenenfalls am Vortag zu aktualisieren. [15313]


 

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