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"Hmmm, was ist groß?"

Material und Erfahrungen: Interview mit Tonmeister André Zacher 2/2

Hier der zweite Teil unseres Interviews mit Tonmeister André Zacher aus dem Film & TV Kameramann 6/2016. In diesem Teil erfahren wir, welches Material Zacher für die Aufnahmen bei “Das kalte Herz” von Johannes Haber benutzte und welche Erfahrungen er in seiner Laubahn bereits sammeln konnte. 

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Dreh im Schwarzwald für „Das kalte Herz“ im September 2015. (Bild: André Zacher)

Welche Mikrofone nutzt Du?

Mittlerweile ist es tatsächlich nur noch Schoeps. Innen benutze ich eigentlich schon immer das MK41 von Schoeps, für außen hatte ich früher allerdings das Neumann KM81. Ich unterscheide tatsächlich zwischen Innen- und Außenmikros. Das hat den einfachen Grund, dass man innen viel weniger Störschall von der Seite hat und es dort einfach mehr Sinn macht, mit normalen Supernieren zu arbeiten.

Richtrohr- oder Interferenzmikrofone sind im Grunde Supernieren mit einem aufgesetzten Interferenzelement. Das Interferenzelement wirkt ab etwa zwei Kilohertz aufwärts und beseitigt von der Seite her eintreffenden Störschall in diesem Frequenzbereich: Straßenrauschen, Waldrauschen oder ein entfernter Springbrunnen außen, da bringt das tatsächlich was.

Aber innen? Man hält das Mikrofon ja immer möglichst nah an die Bildkante – die Kapsel sitzt hinter dem Interferenzrohr, dadurch verliert man 10 bis 12 cm, je nach Richtrohrlänge, das macht bei nahen Einstellungen schnell um 6 dB mehr Dialogpegel im Verhältnis zu Störsignalen.

Und das ist ziemlich viel! Vor allem deshalb setze ich innen die Supernieren ein, ohne Interferenzrohr ist man näher dran. Innen sind die kleineren Supernieren auch wegen der Kompaktheit viel praktischer als die längeren Mikrofone. Das Superrichtrohr von Schoeps, das CMIT oder „das Blaue“, gab es noch nicht, als ich angefangen habe.

Ich habe das KMR81 von Neumann benutzt. Damit war ich sehr zufrieden, aber bei hoher Luftfeuchtigkeit oder wenn es stark regnete, gab es immer Probleme mit den Kondensatormikrofonen – egal ob von Neumann oder Schoeps – die Membran wird feucht und dann gibt es diese „Bratzelgeräusche“. Da zeichnet sich die Sennheiser-Reihe mit den Hochfrequenzkondensatoren aus. Diese Mikrofone sind viel, viel weniger anfällig gegen Feuchtigkeit. Ein MKH60 und ein MKH416 habe ich deshalb auch meistens dabei, wenn es in den Dschungel oder aufs Meer geht.

André, welche Anstecker benutzt Du – wenn Du sie benutzt?

Ansteckmikrofone zeigen ja per se schon ein eingeschränktes Klangbild, nicht nur durch Miniaturbauweise und Frequenzgang. Auch durch das Einbauen und Verstecken in den Kostümen und den ganzen Probleme die dazukommen wie Geraschel oder Verrutschen und was auch immer Nichtsdestotrotz, die besten Erfahrungen habe ich mit DPA gemacht, da gibt es verschiedene Kapseln.

Aber ich benutze auch Voice Technologies, einfach weil es eine andere Bauform ist, die sich in manchen Kostümen leichter einbauen lässt: das sind diese flachen Kapseln, mit Einsprechrichtung von vorne – DPAs haben die Einsprechrichtung eher klassisch von oben. Dann gibt es da noch eine etwas schmalere Variante von Sanken, das COS11. Und natürlich das Miniaturmikrofon von Countryman, das B6. Das sind so die, die ich im Einsatz habe.

Du machst ja nach wie vor sowohl Dokumentarfilm als auch Spielfilm – was machst Du lieber? Welches ist Dein Hauptmetier?

Ich würde sagen, als Originaltonmeister macht mir Dokumentarfilm mehr Spaß und in der Postproduktion macht es mir eher Spaß, am Spielfilm zu arbeiten. Aber ich möchte das jeweils andere nicht ausschließen. Beim Dreh ist Dokumentarfilm einfach audiophiler, ganze Bilder und Szenen im Dokumentarfilm können unter Umständen nur funktionieren, wenn der Ton funktioniert. Den Protagonisten kannst du nicht nachsynchronisieren, darum hat der Originalton im Dokumentarfilm einen anderen Stellenwert. Beim Spielfilm kann man mit viel Aufwand alles nachbauen.

Was war Deine größte Produktion?

Hmmm, was ist groß? Wie lange man an einem Projekt arbeitet? Oder wie viel Geld da drinsteckt? Oder wie viele Millionen Zuschauer der Streifen danach hat? – So richtig dicke Produktionen, Hollywoodkino, Til Schweiger, deutsches großes Popcornkino habe ich eigentlich gar nie gemacht.

Vielleicht weil ich dafür nicht Spezialist genug in einem Bereich bin, vielleicht aber auch, weil ich mir die Sachen ganz gerne danach aussuche, ob ich mich mit dem Projekt irgendwie identifizieren kann. Ein wirklich großes Projekt für mich war der Dokumentarfilm über Jane Goodall, eine britische Primatologin. Wir haben sie ein Jahr lang begleitet auf ihrer Reise rund um den Globus – das war ein Riesen- Dokumentarfilmprojekt!

Was war Deine liebste Produktion?

„Zeit der Kannibalen“. Das war ein Film, bei dem die Tonebene eine extrem wichtige Rolle spielte. Der Film wurde ausschließlich im Studio gedreht. Die Geschichte spielt in unterschiedlichen Hotelzimmern, verteilt über die ganze Welt – Nigeria, Äthiopien, irgendwo in Südostasien. Und die Außenwelt dieser Hotels wird ausschließlich über die Tonebene erzählt.

Am Ende des Films, zum Beispiel, passiert eine Revolution, die Hotellobby wird gestürmt, am Schluss werden alle umgebracht. Aber all das wird nie gezeigt, sondern nur im Ton erzählt. Es war natürlich eine wahnsinnig tolle Aufgabe, das so zu arrangieren. Und das Projekt hat auch wirklich sehr viel Spaß gemacht, das Team war durchsetzt mit vielen Freunden, ein richtiger Familiendreh. Da bin ich am meisten stolz drauf, würde ich sagen.

Die anspruchsvollste Produktion?

Das war sicher „Windstärke 8 – Das Auswandererschiff 1855“, eine ARD-Doku-Serie über Seereisen vor 150 Jahren. Das war zwar nur eine sechsteilige Fernsehdoku, aber was Abenteuer und Erlebnis als solches anging, mit das größte, was ich je gemacht habe. Das war 2004 und hat mich ziemlich geprägt: Ich war noch recht grün hinter den Ohren und wir hatten es schon mit relativ widrigen Bedingungen zu tun: der Atlantik ist halt rough, und es war sehr warm, und sehr kalt, und sehr feucht, und es war eine ziemliche Equipment-Schlacht und ich war der einzige Tonmeister an Bord. Das Projekt war auch psychologisch recht anstrengend – das beeinflusst einen ja auch bei der Arbeit – also, das war schon das anspruchsvollste Projekt, würde ich sagen.

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