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Oper „Rigoletto“ als Showcase für UHD HDR und Dolby Atmos bei Arte

Dolby Atmos für alle?

Der Schweizer Technikdienstleister tpc produzierte 2019 eine Aufzeichnung der Oper „Rigoletto“ von der Seebühne Bregenz – auch als Showcase für eine UHD-HDR-Produktion mit Dolby Atmos, die nun über HbbTV zugänglich ist. Grund genug für Bernhard Herrmann, in unserer Ausgabe 1–2.2022 einen Blick darauf zu werfen, wie die Aufzeichnung realisiert wurde und wie aktuell der Stand der Dinge bei Dolby Atmos ist.

Tonmeister Markus Brockmann am Mischpult
Tonmeister Markus Brockmann bei der Aufzeichnung in Bregenz (Foto: tpc / SRF)

Schon 2012 brachte das weltweit aktive Technologie- Unternehmen Dolby Laboratories Dolby Atmos in die Kinos. Zwei Jahre später schaffte es Dolby Atmos mit den entsprechenden Home-Entertainment-Produkten auch in die Wohnzimmer und 2016 gab es das erste Smartphone, das Dolby Atmos über Kopfhörern unterstützte. Aktuell bieten neue UHD-Fernseher integrierte Dolby-Atmos-Lautsprecher an. „Dolby Atmos ist ein Tonformat, um Klang im 3D-Raum zu mischen und wiederzugeben. Dabei können Klangobjek- te mit Metadaten platziert und bewegt werden, um eine immersive und realitätsnahe Klangkulisse zu erzeugen, die den Zuhörer mitten ins Geschehen versetzt“, erläutert David Ziegler, Senior Content Engineer bei Dolby Germany. „Dolby Atmos ist sowohl im Kino, zuhause, auf Smart- phones und im Jahr 2022 auch im Auto erlebbar“, ergänzt Arnd Paulsen, Senior Manager Broadcast & OTT Eco-System bei Dolby Germany. „Die Zuhörer hören bewegendes Audio bei Live-Event-Übertragungen, On-Demand- und linearem Fernsehen, Streaming und als hybride Bereitstellung.“

Tonmischung für Dolby Atmosphäre

Dabei ist die Tonmischung für Dolby Atmos weniger „Raketenwissenschaft“ als ein kreativer Prozess für qualifizierte und erfahrene Toningenieure und Tonmeister. „Wir bieten Tools und Produkte für Content-Ersteller, Toningenieure, Content-Distributoren, Anbieter von Head-End-Lösungen und Gerätehersteller“, erläutert Arnd Paulsen. „Der Dolby Multistream Decoder MS12 bietet TV-, Set-Top-Box- und IC-Herstellern eine Einzelpaketlösung zur Dekodierung von Dolby Digital Plus, Dolby AC-4 und Premium-Audioinhalten weltweit für die Übertragung über Rundfunk, dateibasierte Dienste, OTT/VOD-Dienste und Pay-TV. Die Unterstützung von Dolby Atmos macht Produkte fit für die nächste Audio-Ära und gibt Sendern und OTT-Betreibern die Flexibilität, jetzt und in Zukunft die besten Home-Entertainment-Erlebnisse zu bieten.“

„Als Schlüsselkomponente des Dolby-Audio-Systems bietet Dolby AC-4 neue immersive und personalisierte Klangerlebnisse. Es kombiniert hochmoderne Bandbreiteneffizienz und leistungsstarke Wiedergabeanpassung, um ein optimales Hörerlebnis zu bieten, ganz gleich, wo der Zuschauer es hören möchten. Aufgenommen in Spezifikationen von ETSI, ATSC3.0, DVB und HbbTV, ist Dolby AC-4 die Audiolösung für Broadcast- und IP-Content-Bereitstellung der nächsten Generation. Mit der Dolby-Atmos-Technologie kann jede Stimme, jedes Instrument oder jeder Klang im Raum platziert werden“, ergänzt David Ziegler.

Die Seebühne in Bregenz mit Mikrofonie
Die Seebühne in Bregenz, im Vordergrund die Mikrofonie für die Publikumsatmo (Foto: tpc / SRF)

Showcase Oper

Die Schweizer Produktionsfirma tpc, die heute wieder im SRF aufgegangen ist, hatte den Auftrag, für Unitel, ORF, SRF und ZDF bei den Bregenzer Festspielen in Österreich im Juli 2019 die Oper „Rigoletto“ auf der dortigen Seebühne des Bodensees als Liveübertragung zu realisieren. „Die erste Herausforderung war, dass die Oper auf der Seebühne stattfand und das Orchester im davorliegenden Festspielhaus Bregenz musizierte“, sagt Markus Brockmann, Teamleiter Audio Außenübertragung sowie Tonmeister für Dolby Atmos bei SRF.

Für die TV-Produktion wurde der UHD1 HDR von tpc/SRF mit insgesamt 20 UHD-Kameras eingesetzt. Die Tonproduktion in Dolby Atmos erfolgte unter Zuhilfenahme der vorhandenen Mikrofonierung für die bestehende 5.1-Liveübertragung aus der Hauptregie des Ü-Wagens, die UHD-HDR-Aufzeichnung in Dolby Atmos erfolgte in der Zusatzregie. In der Hauptregie des Ü-Wagens waren ein Toningenieur und zwei Tonmeister tätig. Zwei Tontechniker kümmerten sich um die Mikrofonierung für die Liveübertragung.


So findet man den Arte-Showcase

Leider ist es nicht unbedingt einfach, den Arte-Showcase in UHD HDR und Dolby Atmos bei HbbTV zu finden. Arnd Paulsen von Dolby Germany hat uns erklärt, wie es geht: Ein UHD-Fernseher mit Internetzugang dient als Empfangs- und Wiedergabegerät. Wenn der Arte HD-Fernsehkanal gewählt ist, auf der Fernbedienung erst die rote Farbtaste, dann die gelbe drücken. Nach links zu den Einstellungen mit dem Zahnrad-Symbol navigieren und „OK“ drücken. Auf dieser Seite für Einstellungen dreimal Rot und zweimal Blau drücken. Nach kurzer Wartezeit erscheint eine Einblendung unten rechts, diese mit der roten Farbtaste bestätigen. Die HbbTV-Showcase Applikation ist jetzt geladen.


Das Orchester im Festspielhaus Bregenz war mit insgesamt 48 Mikrofonen ausgerüstet worden. Ein Decca-Tree in 5.0-Konfiguration diente als Hauptmikrofon. Zusätzlich wurden alle Register mit Stützmikrofonen abgenommen. Außerdem kamen vier Heightsmikrofone im Bühnenhaus über dem Orchester zum Einsatz, um die Höheninformationen in Dolby Atmos wiederzugeben. Das Tonsignal wurde über eine Glasfaserleitung zum Mischpult der Beschallung an der Seebühne geleitet.

Die elf Solisten auf der Seebühne wurden mit jeweils zwei drahtlosen Taschensendern und zwei Solisten-Mikrofonen ausgestattet. Acht Mikrofone wurden für die Publikums-Atmo eingesetzt. Ein Tonsignalweg führte zur Beschallung, der andere Signalweg endete in der Tonregie im Ü-Wagen. Am dortigen Hauptmischpult, einer Stagetec Avatus Konsole, wurden 120 Tonspuren in 48 kHz gemischt.

Im Rüstwagen wurde die zweite Tonregie für die Dolby- Atmos-Mischung mit einem weiteren Stagetec-Avatus-Mischpult genutzt. „Ziel war die Erzeugung eines homogenen Raumgefühls mithilfe zweier Lexicon PCM96 Surround Engines, die Mehrspuraufzeichnung in 128 Kanälen aller Einzelsignale sowie die Mischung in Dolby Atmos inklusive eines Submixes auf Merging Technologies Pyramix“, erläutert der Tonmeister. „Von Dolby wurden für das Rendering ein Dolby DP590, für die Encodierung ein Dolby DP591 und zur Decodierung ein Dolby DP580 gestellt. Als Messgerät kam ein RTW TM9 mit Immersive Sound Analyzer-Lizenz zum Einsatz.“ Die Dolby-Atmos-Mischung erfolgte mit den definierten Gruppen mit vorhandenen Submixes aus der Hauptregie, wie für Orchester und Publikumsatmo sowie den einzelnen Solisten und den zusätzlichen Atmomikrofo- nen für Dolby Atmos durch zwei Tonmeister.

Die Dolby ED2-Chain: Das Rendering erfolgte mittels Dolby DP590, die Encodierung durch Dolby DP591 und die Decodierung mit Dolby DP580
Die Dolby ED2-Chain: Das Rendering erfolgte mittels Dolby DP590, die Encodierung durch Dolby DP591 und die Decodierung mit Dolby DP580. Offenbar hat das improvisierte Rig der Tonqualität nicht geschadet! (Foto: tpc / SRF) (Bild: tpc/SRF)

„Mit diesem in der Audioproduktion erfahrenem Personal und dem definierten Workflow hat sich die UHD HDR Livesendung mit Dolby 5.1 Ton und Mischung für Dolby Atmos als Aufzeichnung bewährt. Die in Bregenz hergestellte Dolby-Atmos-Mischung benötigte für eine mögliche spätere Distribution in der Dolby-Atmos-Tonregie beim SRF in Zürich nur noch ein wenig ,audio-kosmetische‘ Bearbeitung“, sagt Markus Brockmann und ergänzt: „Damals wie auch heute gibt es keine Möglichkeit über die Sendewege von ORF, SRF und ZDF, eine UHD-HDR-Livesendung mit Dolby Atmos zu senden. Realisierbar wäre die Sendung von solchen besonderen Veranstaltungen über einen Astra-UHD-Satellitenkanal oder über Live-Streaming in der Mediathek“, erläutert Arnd Paulsen von Dolby Germany. „Die Begeisterung für Next Generation Audio war speziell bei denjenigen spürbar, die den Dolby-Atmos-Mix in Bregenz gehört hatten. Eine Live-Produktion mit Dolby Atmos ist heutzutage überschaubar und bedarf keinen wirklichen Mehraufwand.“

UHD HDR sehen und Dolby Atmos hören?

Wer von Showcases einmal abgesehen Content in UHD HDR und Dolby Atmos sehen und hören will, stellt rasch fest, dass kein einziger öffentlich-rechtlicher Sender diese Qualität, die seit mehreren Jahren verfügbar ist, anbietet. Das wird sich wohl in naher Zukunft auch nicht ändern. Über den Empfangsweg DVB-T2 HD gibt es mangels Bandbreite ebenfalls kein Programm in UHD, sondern in 1.080p50, und auch die Satellitenempfangsanlage und das Internet sind kein Weg, um öffentlich-rechtliche Programme regelmäßig in UHD zu sehen und in Dolby Atmos zu hören. Alle 20 verfügbaren öffentlich-rechtlichen TV-Sender werden auch in den nächsten Jahren weiterhin nur in HD-Ready (720p50) senden.

Die Folge ist, dass Ende 2021 etwa 23 Millionen mit UHD- Fernsehern ausgestattete Haushalte in Deutschland von öffentlich-rechtlichem Content in besserer Bild- und Tonqualität ausgeschlossen bleiben und diese stattdessen bei den Streaminganbietern suchen werden. Doch der „Rigoletto“-Showcase zeigt, dass es schon vor zwei Jahren möglich war, mit qualifiziertem Personal und ohne bedeutenden Mehraufwand eine erfolgreiche TV-Produktion live in UHD HDR und Dolby Atmos zu übertragen. So wie es aussieht, werden ARD und ZDF in absehbarer Zeit aus eigener Initiative nicht auf UHD HDR und 3D-Audio als besten TV-Standard umrüsten. [14994]

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