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Wir stellen die Preisträger des 33. Deutschen Kamerapreises vor (3)

Dosierte Bewegung

Wir setzen unsere Reihe mit den Preisträgerinnen und Preisträgern beim 33. Deutschen Kamerapreis fort: Manuel Dacosse wurde in der Kategorie Fiction Kino für seine Kameraarbeit bei „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ ausgezeichnet. 

Manuel Dacosse
Foto: privat

Manuel Dacosse wurde 1977 im belgischen Uccle geboren. Seit seinem Debüt hinter der Kamera in Hélène Cattets und Bruno Forzanis „Amer – Die dunkle Seite deiner Träume“ (2009) erwarb er sich den Ruf eines der besten Kameramänner seines Landes. Er filmte unter anderem „Der Tod weint rote Tränen“ („L‘étrange couleur des larmes de ton corps“, 2013) und „Leichen unter brennender Sonne“ („Laissez bronzer les cadavres“, 2017). Für seine Kameraarbeit an beiden Filmen wurde er mit dem Magritte Award ausgezeichnet. Für François Ozon fotografierte er „Der andere Liebhaber“ („L’amant double“, 2017), „Gelobt sei Gott“ („Grâce à Dieu“, 2018) sowie den Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Peter von Kant“ (2022). DoP war Dacosse außerdem bei Matthieu Doncks „Torpedo“ (2011), François Pirots „Mobile Home“ (2012), Fabrice du Welz’ „Alleluia – Ein mörderisches Paar“ (2014), Joann Sfars „The Lady in the Car with Glasses and a Gun“ (2015), Helene Hegemanns „Axolotl Overkill“ (2017), Jean-François Richets „Vidocq – Herrscher der Unterwelt“ („L‘Empereur de Paris“, 2018) und Robin Pronts „The Silencing“ (2020).

Danke, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst! Wo treffe ich dich gerade an?
Ich bin gerade zu Hause und bin in der Vorbereitung für einen Spielfilm mit den Regisseuren Hélène Cattet und Bruno Forzani, mit denen ich 2009 meinen ersten Spielfilm „Amer“ gedreht habe. Im Moment läuft das ganz gut. Ich habe bloß Probleme mit meinem Knie, aber wenn die behoben sind, werde ich wieder besser drehen können!

Wo wir gerade über die Mobilität am Set sprechen: Die Kamerabewegung war ein sehr wichtiges Stilmittel bei „Meinen Hass bekommt ihr nicht“. Was war das Konzept dahinter?
Kilian Riedhoff, der Regisseur von „Meinen Hass bekommt ihr nicht“, wollte den Film mit Handkamera drehen. Das hatte auch praktische Gründe, weil wir ja mit kleinen Kindern gedreht haben, die, glaube ich, damals erst drei Jahre alt waren. Also musste die Kamera sehr schnell und mobil sein. Wir haben innerhalb von zehn Minuten fünf oder sechs Einstellungen gedreht, die ich entsprechend schnell finden musste. Eine Handkamera war die Lösung für dieses Problem. Mit Dolly oder Stativ wäre das nichts geworden. Kilian wollte aber auch eine sehr lebendige Kamera. Wir haben in der Vorbereitung drei Wochen zusammen in Hamburg verbracht und haben dabei Ideen ausgetauscht. Der Produktionsdesigner Sebastian Soukup hat uns Pläne der Wohnung gezeigt, die ins Studio gebaut wurde und wir haben die Auflösung gemacht. Dabei entstand die Idee, aus der Hand zu drehen, weil der Film lebendig sein sollte, obwohl er vom Tod handelt, etwas am Leben zu halten, wenn man jemanden verloren hat, den man liebt. Er hat mir dann schnell das Drehbuch zugeschickt und ich war wirklich berührt von der Geschichte. Ich kann mich noch genau erinnern, wo ich in jener Nacht war, als ich von den Anschlägen hörte, nämlich in Brüssel, wo ich auch mit Leuten gedreht habe, die aus Paris kamen – die dann sofort dorthin zurückfuhren. Es war eine beängstigende Zeit. Es war auch sehr berührend, als wir auch auf dem Friedhof in Paris gedreht haben, am Grab der wirklichen Person. Das erinnert einen daran: Es war real, keine Fiktion. Das war auch gestalterisch schwierig, weil man auch die Charaktere noch mehr als sonst respektieren musste. Normalerweise wäre man auch für etwas verrücktere Ideen offen gewesen, aber hier ging es um jemanden, der wirklich existiert hat.

Filmstill aus "Meinen Hass bekommt ihr nicht"
„Meinen Hass bekommt ihr nicht“ (Foto: Manuel Dacosse)

Man kann im Film verschiedene Ebenen der Kamerabewegung entdecken. Das Spektrum reicht von gezielten und langsamen Fahrten, vielleicht mit einem Gimbal, bis zu einer agititierten Handkamera. Was steckt dahinter?

Die Kameraarbeit sollte dem Hauptdarsteller Pierre folgen. Eine Szene im Studio haben wir sehr langsam gedreht, inhaltlich ging es da um seine Frau. Dort haben wir eine Steadicam verwendet und wie einen Gimbal eingesetzt. Das Problem mit dem Gimbal ist nämlich, dass es manchmal nicht präzise genug ist. Also haben wir eine Steadicam benutzt, der Operator war Matthias Biber, mit dem ich seit „Axolotl Overkill“ sehr gern zusammenarbeite. Auch bei der Szene in der U-Bahn haben wir die Steadicam eingesetzt, aber auch mit der Handkamera gearbeitet und beides gemischt. Wir haben damit gespielt. Wenn Pierre über seinen Verlust spricht, sind wir mit der Steadicam bei ihm, wenn der Schmerz überwiegt, kehren wir zur Handkamera zurück.

Hast du die Handkamera selbst geführt oder hattest du einen Operator?
Ich arbeite gerne als mein eigener Operator. Hoffentlich lässt das mein Körper auch weiterhin zu! Aber auf lange Sicht werde ich wohl einen Kameraoperator engagieren müssen. Das hängt natürlich auch vom Projekt ab. Bei großen Filmen wie „L‘Empereur de Paris“, bei denen wir mit zwei Kameras arbeiten, hatte ich einen Schwenker. Meistens nehme ich dann einen Steadicam-Operator. So hat man immer eine Steadicam zur Hand und kann direkt wechseln.

Bei viel Handkamera-Arbeit musste deine Ausrüstung vermutlich klein und leicht sein.
Was klein und leicht angeht, habe ich ziemlich danebengegriffen! Ich wollte den Film nämlich gerne mit anamorphotischen Objektiven drehen. Seinerzeit habe ich erfahren, dass TFS gerade einige neue Objektive gekauft hatte, ähnlich den Technovision-Objektiven, die unter anderem bei „Apocalypse Now“ zum Einsatz kamen. Es waren nicht genau die gleichen, aber sie waren ähnlich. Ich mag Technovision-Objektive wirklich gerne, weil sie eine sehr weiche Optik liefern. Sie haben eine Blendenöffnung von 1.4, was gar nicht schlecht ist. Man kann damit spielen, indem man die Blende auf 4 oder 5.6 stellt, wenn man etwas scharf haben möchte und wenn man etwas sehr intensiv und seltsam wirken lassen möchte, kann man die Blende auf 1.4 stellen. Das ist dann zwar schwierig für den Focus Puller, aber es ist ein zusätzliches Mittel der Gestaltung.

Manuel Dacosse mit Anamorphot-Objektiv
Das Kriterium „klein und leicht“ erfüllten die Technovision-Anamorphoten nicht. (Foto: Alex Pixelle)

Mit welcher Kamera hast du diese Optiken kombiniert?
Wir haben eine ALEXA Mini verwendet. Ich bin ein großer Fan dieser Kamera.

Was war die größte Herausforderung für dich bei diesem Projekt?
„Meinen Hass bekommt ihr nicht“ war mein erstes reines Studioprojekt und der Production Designer Sebastian Soukup kam mit der Idee, einen Rosco-Flex zu verwenden. Aber ich hatte das noch nie gemacht, meistens habe ich im Studio einen Greenscreen verwendet. Zum ersten Mal habe ich also nun mit einem großen Bild gearbeitet – und war wirklich überrascht, dass es funktionierte, sowohl für die Nachtaufnahmen als auch für die Tagesaufnahmen!

Und nun hast du den deutschen Kamerapreis für deine Bildgestaltung bekommen.
Ich war wirklich überrascht, als ich den Anruf erhalten habe. Es hat mich aber sehr gefreut, denn den Deutschen Kamerapreis zu erhalten, bedeutet, dass eine deutsche Jury mich als Belgier ausgewählt hat. Das hat mich überrascht und war eine große Ehre. Der Preis ist offen und es geht wirklich um die Bilder, nicht darum, wer wen kennt. Ich habe auch in den letzten vier Jahren die deutsche Filmindustrie für mich entdeckt und habe sehr gerne in Deutschland gearbeitet. Ich fände es auch gut, wenn ein deutscher Kameramann bei einem belgischen Film arbeiten würde. Es ist toll, wenn sich bei Filmprojekten unterschiedliche Menschen begegnen. [15387]

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