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DoP Markus Nestroy baute ein Rig für Flares

Schmutzig schön

Für die düstere Geschichte des Tatorts „Das Opfer“ wollte DoP Markus Nestroy sein Lichtkonzept mit Flares auf seinem Filter unterstützen. Das Spezialequipment war nicht im Budget. Also konstruierte der Bildgestalter ein Rig vor seiner Kamera, mit dem er am Ende sehr viel flexibler war als mit der Profilösung. Wir haben Nestroy für unser Heft 10.2022 gefragt, was sein Ziel war und wie er es erreicht hat.

Kamerarig für Flores
Foto: Markus Nestroy

Es ist wie verhext. Es gibt Drehbücher, denen wohnt so gar keine Herausforderung inne. Und dann gibt es manchmal Geschichten, die erfordern eine außergewöhnliche formale Lösung, eine, die nicht ins Budget passt. Dann haben DoPs zwei Möglichkeiten: Entweder, sie sagen das Projekt ab und nehmen sich so die Chance, an ihm zu wachsen. Oder sie werden kreativ und suchen nach Lösungen, die machbar sind, auch, wenn man etwas herumprobieren muss.

Ab ins Milieu

Genau dafür entschied sich DoP Markus Nestroy, als er das Drehbuch für den Berliner „Tatort – Das Opfer“ auf den Tisch bekam. Nestroy kam zum Projekt über Regisseur Stefan Schaller. Beide kannten sich aus dem Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg. Dort hatten sie 2011 einen Kurzfilm miteinander gedreht. Schaller hatte schon in 2021 die außergewöhnliche Umsetzung des „Polizeiruf 110 – Sabine“ kreativ geleitet. Dafür waren er und sein Team 2022 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden. Im Dezember 2021 sprachen Schaller und Nestroy erstmals über die Zusammenarbeit.

„Der Ausschlag für mich, das zu machen, war das tolle Buch von Erol Yesilkaya“, sagt Markus Nestroy. Darin begibt sich Kommissar Robert Karow, gespielt von Mark Waschke, auf die Spur eines toten Freundes. Nestroy gefiel die starke Konzentration auf das Innenleben des verbleibenden Kommissars Karow nach dem Ausscheiden von Meret Becker als seiner Kollegin Nina Rubin. Karow taucht nun in „Das Opfer“ tief ins Milieu ein. Das mussten Schaller und Nestroy abbilden und lebendig werden lassen. „Dann begannen Stefan und ich im Dezember bereits, das vorzubereiten“, so Nestroy. „Wir haben über alles Mögliche gesprochen, über Locations, über Look, über Optiken. Auch über das Szenenbild und wie wir das, was wir brauchen, auch realisieren können.“

DoP Markus Nestroy beim Einrichten des Rigs
DoP Markus Nestroy beim Einrichten des Rigs (Foto: Michael Schneider)

Die Vorgaben, die eine Reihe wie der Tatort macht, können Segen und Fluch sein. Einerseits müssen bestimmte Motive oder Gegebenheiten nicht mehr entwickelt oder gesucht werden. Andererseits passen die vielleicht nicht ganz in das eigene Konzept. „Unser Anspruch war immer – was ja jeder sagt, das ist ja fast ein Reflex beim ,Tatort‘ – lass uns was Besonderes machen“, so der DoP. „Lass es uns so machen, wie noch niemand gemacht hat.“

Eine der Aufgaben, die sich DoP Nestroy stellten, waren die verschiedenen Ebenen, auf denen die Handlung des Drehbuchs sich abspielt. „Das ist natürlich sofort eine Herausforderung, weil sich immer die Frage stellt: ,Wie weit will ich die einzelnen Ebenen visuell unterscheidbar machen und inwieweit müssen sie dabei noch einem Ganzen dienen, also einen Look bilden?‘“, so Markus Nestroy.

Organisch

Es war ein langer Prozess, berichtet Markus Nestroy, den Look des Films zu finden. „Wir wollten etwas Organisches haben, wir wollten Korn haben, wir wollten Flares haben“, so der DoP. „Vielleicht nicht den Megakontrast, etwas Dreckiges, aufgehellte Schwärzen, gerne Lichter im Bild und auch gerne, dass etwas überstrahlt.“

Der Film spielt zwar größtenteils tagsüber, aber fühlte sich im Buch eher dunkel an. Ein gehöriger Teil der Entwicklung des Looks ging in die Überlegung, wie das Konzept stimmig und im Rahmen eines Tatorts, also einerseits im Budget, andererseits in der zur Verfügung stehenden Zeit, umsetzbar war. „Du kannst nicht einfach mehrere Optiksätze mitnehmen oder dauernd wechseln mittendrin“, so der DoP. Nestroy wählte die ARRI ALEXA Mini als Kamera. Die eingesetzten Objektive waren Anamorphoten aus der Atlas-Orion-Reihe. Diese Wahl war ein frühes Ergebnis der Gespräche mit Regisseur Schaller, auch wenn beiden bewusst war, dass das Cinemascope-Bild in der Postproduktion auf 16:9 beschnitten werden würde. Zusätzlich aber wollte Nestroy die organische Schmutzigkeit des Bildes dauerhaft variieren können. „Ich hatte etwas über künstliche Einstrahler ins Objektiv gelesen beim Film ,Straight Outta Compton‘“, so Nestroy. „Da hatte Matthew Libatique auch so ein Rig, das war vorne auf der Kamera und hat sich fix mit der Kamera bewegt. Die hatten kleine LED-Lampen, die ins Objektiv schossen.“ Libatique allerdings steuerte seine professionellen LEDs über DMX. „Wenn man das mal sieht, haben die das dann auch gar nicht so oft eingesetzt – du hast halt einen fixen Flare“, sagt Nestroy. „Ich habe das in Kombination getestet mit der ALEXA und den Atlas Orion sowie mit unterschiedlichen Diffusionsfiltern. Da bin ich dann beim Pearlescent gelandet!“ Ursprünglich war der DoP davon ausgegangen, wieder bei Black Pro-Mist, Glimmer Glas oder Hollywood Black Magic Filter zu landen.

Testaufbau für Flores mit handelsüblichen Leselampen
Testaufbau: Die besaßen drei Helligkeits- und Farbtemperaturmodi. (Foto: Markus Nestroy)

Der Test brachte jedoch den Pearlescent 1/8 als ideal hervor. Nestroy machte sich damit die Highlights etwas weicher. Mit Coloristin Claudia Gittel von D-Facto Motion wertete der DoP den Test aus. „Dann sind wir darauf gekommen, dass der Pearlescent den schönsten Effekt macht, und be- wirkt, dass man die Quelle der Highlights gar nicht mehr sieht, beim Black Pro Mist hast du eine Halo um die Birne, siehst aber die Birne noch selbst“, so Nestroy. „Ich wollte, dass auch die Glühbirne überstrahlt und so nicht mehr zu sehen ist.“ In dem trüben, düsteren Umfeld kam dadurch plötzlich ein Glanz ins Bild, schmutzig schön.

Flores und Aufhellung

Nestroy drehte mit offener Blende. „Da bringst du die Atlas-Linsen schon an ihre Grenzen“, berichtet er. „Die sind ja erst ab Blende 2.8 richtig scharf!“ Aber genau den Effekt, die zurückgehende Schärfe, die chromatischen Aberrationen, wollte Nestroy hervorrufen und mit ihnen arbeiten. „Die Feinjustage war es aber dann auch, womit wir gearbeitet haben“, so der DoP. „Wie weit mache ich die Blende auf in der Totalen, wie weit im Close-up.“

Zusätzlich hatte Nestroy vor dem Dreh mit Claudia Gittel eine LUT gebaut, die das organische, schmutzige Bildkonzept unterstützte. „Die hat die Farben in eine grün-gelbe Richtung gedrückt, mit aufgehellten Schwärzen und starken Highlights“, so Nestroy. „Dann hat Claudia in den Mustern noch ein bisschen Korn dazugerechnet und eine leichte Vignettierung.“ Beim Dreh sahen alle Beteiligten schon ein Bild, das dem final gegradeten Bild sehr nah kam. [15253]


Möchten Sie mehr darüber erfahren, wie DoP Markus Nestroy seinen Filter für den „Tatort“ getunt hat? Hier geht es zum kompletten Artikel!


 

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