Im Münsterland realisierten Uli Mors und André Winkler ein Greenscreen-Studio als DIY-Projekt – weil sie solch ein Studio regelmäßig brauchen und es selbst im weiteren Umkreis keines gab. Nach den Schreiner- und Malerarbeiten folgte im letzten Schritt des Eigenbaus die Planung und Beschaffung der passenden Beleuchtung. Wir berichteten in Ausgabe 6.2020.
Die 90-Grad-Hohlkehle steht, der Anstrich ist fertig, wir haben 500 Quadratmeter umbaut – kommen wir zum Licht! Eines vorweg: Ich hätte nie gedacht, dass es so schwierig sein würde, eine geeignete Hohlkehlen- Beleuchtung zu finden.
Die Leuchten sollten vorrangig die Hohlkehle anleuchten, so dass wir zum Beispiel auch Low-Key-Szenen mit Greenscreen drehen könnten. Mehrere Jahrzehnte lang waren Kino-Flo-Röhrenleuchten in 4-Fuß- und 2-Fuß-Gehäusen mit 4 Leuchten oder mehr Standard auch für recht große Greenscreen-Flächen. Diese Flächenleuchten sind aber mittlerweile aus der Mode gekommen, hauptsächlich, weil mit LED eine neue Technologie zur Verfügung steht. So kündigt auch Kino Flo an, die Non-LED-Röhrenleuchten zum Juni 2020 aus dem Programm zu nehmen.
Viel Fläche, viel Licht
Bei einem Greenscreen von fünf Metern Höhe und der zum jetzigen Zeitpunkt geplanten Beleuchtung ausschließlich von oben, braucht es eine große Menge Licht. Unser Arbeitsziel: eine Blende 8 bei 800 ISO und einem Shutter von 1/50 Sekunde möglich zu machen, vor allem als Alternative, sollte man kürzere Belichtungszeiten für schnelle Bewegungen im Greenscreen realisieren wollen. Wir haben es ausprobiert!
Unser erstes Experiment: Verschiedene Leuchten in fünf Metern Höhe, mithilfe unseres fahrbaren Layher-Gerüsts. Hier haben wir hineingehängt, was im Studio greifbar war: Klassische Tageslicht-Kino Flo in 4-Bank Kino Flo Select31, HMI PAR mimt 575 Watt,Tageslicht 200-W-COBLED von Jinbei, die den Aputure-Leuchten ähnlich kommen sowie diverse einfachere LED-Panels. Die genauen Messungen und Erfahrungswerte würden diesen Test sprengen, daher hier nur soviel: Uns wurde immer bewusster, dass wir ein breites Abstrahlverhalten benötigten und möglichst die gesamte Leistung der Leuchte in eine einzige Farbtemperatur gehen müsste.
Hier kam allerdings eine Marktentwicklung ins Spiel, die ab 2019 Fahrt aufgenommen hat. Fast alle Hersteller legen ihre Leuchten zunehmend als RGBW oder noch komplexer aus. Das ist für die normale Filmproduktion ein extrem flexibles Feature, bedeutet aber pro Leuchte einen deutlich höheren Preis. Außerdem sind die Unterschiede in Lichtausbeute und Remotefähigkeit sehr groß und kaum überschaubar. Asymmetrische LED-Leuchten fanden wir Ende 2019 bei Film- und Broadcastherstellern dagegen kaum oder in unerreichbaren Preisregionen. Asymmetrische Leuchten für Architekturbeleuchtung waren wegen fehlender Features wie DMX-Steuerung und einem niedrigem CRI von unter 90 für uns eher nicht geeignet. Für eine gleichmäßige, nahtlose Ausleuchtung der insgesamt fast 20 Meter benötigten wir mindestens 15 Leuchten, bei geringerer Leistung entsprechend mehr.
Die Lösung eines Problems kommt im Leben gerne als Zufall. Dass sich ausgerechnet in Rheine, nur eine halbe Stunde von unserem Studio entfernt, der deutsche Vertrieb des US-chinesischen Leuchtenherstellers Dracast niederlassen würde, hätte niemand vorhersehen können. Studiobesitzer André berichtete mir jedenfalls von einer zufälligen Begegnung mit einem Vertriebler des Unternehmens und so kamen neue Leuchten ins Spiel.
Nach einigen Telefonaten und fünf Tagen hatten wir das Studio voll mit Dracast Studio- und Mobilleuchten, die als günstige Alternative in den USA recht bekannt sind. Wir testeten die 100-Watt- und 200-W-Varianten mit 5.600 K in bicolor und non-bicolor. Die Leuchten fanden wir gelungen. Besser verarbeitet als gedacht, DMX-Implementation, sehr gute CRI-Werte und ziemlich genau 5.600 K laut unserem Sekonic C700. Ungünstig war nur der Abstrahlwinkel von 45 Grad. Auf Verdacht bestellten wir eine 120-Grad-SMD-Tageslicht-Flächenleuchte mit 300 Watt, DMX-Steuerung, Fernbedienung und separatem Netzteil, die endlich im Dezember ankam. Die Lichtausbeute der Leuchte war gigantisch und die Verarbeitung auch gut. Geeigneter Abstrahlwinkel und DMX – davon 15 oder mehr Leuchten und wir wären versorgt. Aber so einfach war es dann doch nicht.
Modifikationen
Die Lampen werden nämlich mit vier großen Lüftern auf der Rückseite zwangsbelüftet, einen weiteren kleinen Lüfter gibt es im bibelgroßen externen Netzteil, das sich mit einem lauten Relais-Klacken und nervigem Betriebsgeräusch Gehör verschafft. Letztendlich haben wir für alle 19 Leuchten, Gesamtpreis ca. 20.000 Euro, lüfterlose Netzteile besorgt und Dracast hat die Firmware für uns updaten lassen, denn dort gab es einige DMX-Bugs.
Nach einer weiteren Hardware-Modifikation, die das direkte Einschalten der Leuchte durch Stromab- beziehungsweise -anschaltung ermöglichte, konnten wir Mitte Februar den Greenscreen in Betrieb nehmen. Insgesamt 5.700 Watt an LED-Leistung sorgen nun für mehr als die ursprünglich geplante Helligkeiten. Herunterdimmen können wir die Greenscreen-Beleuchtung bei Bedarf immer. Es ist aber ein gutes Gefühl, auch mit höheren Blendenzahlen oder kürzeren Belichtungszeiten Greenscreen drehen zu können.
Ein Problem jedoch bleibt: Die Symmetrie der Flächenleuchten, die etwa eine ganze Blende Verlauf auf der Wand ausmacht. Da wir keine asymmetrische LED-Leuchten beschaffen konnten und so mit den symmetrischen Leuchten leben müssen, werden wir die Lichtcharakteristik extern durch einfache Lichtformer in Form von geschlitzten ND-Folien anpassen. Erste Experimente haben wir bereits hinter uns. Da die LEDLeuchten wenig Wärme verursachen, halten wir diese Form der externen Asymmetrierung für umsetzbar.
Unser Fazit: Fachwissen und professionelles Handwerkszeug im Eigenbau des Greenscreens, intensive Tests der Farben und der Farbaufbringung sowie die Leuchtenauswahl haben sich gelohnt. Wir haben mit viel Eigenleistung ein Greenscreen- Studio auf die Beine gestellt, das es in dieser Form in Münsterland und Umgebung nicht gibt. Ein Nachteil: Die Farbe Grün können wir jetzt wirklich nicht mehr sehen! [12650]