Anzeige
Anzeige
Wir stellen die Preisträger des 29. Deutschen Kamerapreises vor

Intensiv beobachten

Beim 29. Deutschen Kamerapreis ging der Preis für die beste Kamera bei einem Dokumentarfilm an Mitja Hagelüken für seine Arbeit bei „Wohin mit all der Liebe“. In unserer Ausgabe 12.2019 sprachen wir mit dem Preisträger.

Mitja Hagelüken bei den Dreharbeiten zu “Wohin mit all der Liebe”. (Bild: Marita Stocker)

Mitja Hagelüken, 1982 in Bielefeld geboren, realisierte früh eigene Kurzdokumentar- und Kurzspielfilme als Regisseur und Kameramann. Nach einem Kamerastudium in Leipzig drehte er zwischen 2009 und 2015 Reportagen in Indien und Afghanistan für das ARD-Auslandsstudio in Neu-Delhi. Dazu kamen zahlreiche Dokumentationen für das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Seine große Leidenschaft gilt dem Kino. 2018 feierte der von ihm fotografierte Dokumentarfilm „Farewell Yellow Sea“ Premiere im Wettbewerb des Max-Ophüls-Festivals und gewann den Hauptpreis „Bester Dokumentarfilm“ auf dem Filmkunstfest MV in Schwerin.

Deine Auszeichnung mit dem Deutschen Kamerapreis für die beste Kamera in einem Dokumentarfilm liegt ja nun schon etwas zurück. Was bedeutet es für dich in der Rückschau, diesen Preis erhalten zu haben?
Ich empfinde es als großes Glück. Die Aufmerksamkeit, die meine Arbeit bekommen hat, ist unbezahlbar und ich fühle mich bestätigt darin, wie ich Bilder und Filme sehe und machen möchte.

Hat der Deutsche Kamerapreis inzwischen eine Wirkung gezeigt, vielleicht was eine geänderte Auftragslage oder neue interessantere Projekte angeht?
Ja, es gab ein paar tolle neue Kontakte, über die ich mich sehr gefreut habe. In zwei Fällen gibt es bereits jetzt die erste Zusammenarbeit. Ich bin aber nach wie vor offen für die unterschiedlichsten Filmideen und immer auf der Suche nach spannenden Projekten und interessanten Filmemachern.

An welchen Projekten arbeitest du denn gerade und in welchem Stadium sind sie?
Nach drei TV-Dokumentationen in diesem Sommer und Elternzeit steht jetzt ein neues Dokumentarfilm-Projekt an, das sich aber noch in der Finanzierungsphase befindet. Mit Marita Stocker, der Regisseurin meines Preisträgerfilms, arbeite ich auch wieder zusammen, aber darüber kann ich im Moment leider noch nichts erzählen, außer, dass es wieder ein Kinodokumentarfilm werden soll.

Nach dem Preis für die beste Kamera in einem Dokumentarfilm: Siehst du dich als Dokumentar-Kameramann oder sind deine Interessen breiter gefächert?
Dokumentarisch an den verschiedensten Orten dieser Welt zu arbeiten, wo ich teilweise die Sprache nicht verstehe und mich auf meine Intuition verlassen muss, hat mich über die Jahre geschult. Ich liebe es, das Leben intensiv zu beobachten und oft läuft bei einer Alltagsszene auch schon der Film dazu vor meinem inneren Auge ab. Ja, ich denke ich bin ein Dokumentarfilmer.

DoP Mitja Hagelüken

Als Bildgestalter wünsche ich mir aber manchmal insgeheim, mehr Kontrolle über die Dinge zu haben, was im Dokumentarischen meist genau nicht der Fall ist. Da folgt man dem Leben und versucht immer das Vorhandene bestmöglich für die Geschichte zu nutzen. Deshalb freue ich mich immer, auch Produktionen machen zu können, bei denen ich ausführlicher mit künstlichem Licht arbeiten kann oder einfach nur auf eine Wolke warten darf. Ich würde gerne mal einen Spielfilm drehen, der dokumentarische Ansätze aufgreift. Ganz unaufgeblasen, mit weniger Technik und dafür mehr Zeit. Eine Produktion, bei der ich meine dokumentarischen Fähigkeiten, bei vielleicht sogar teils improvisiertem Spiel, mit der Kontrolle über Licht, Austattung und andere Aspekte kombinieren kann. Ich hätte zum Beispiel unheimlich gerne „The Wrestler“ gedreht.

Der Dokumentarfilm hat es nach wie vor nicht unbedingt leicht. Was würdest du dir hier wünschen?
Ich sagte in meiner kurzen Rede bei der Preisverleihung, dass ich mich sehr freue, dass der Dokumentarfilm seit letztem Jahr seine eigene Kategorie bekommen hat und dass jetzt nur noch die besseren Sendeplätze fehlten. Dieser Teil wurde aber herausgeschnitten. Daran glaube ich, einen Teil des Problems zu erkennen, das du ansprichst.
Die Beliebtheit des Dokumentarfilms ist ungebrochen und steigt eher noch, wenn man sich die Besucherzahlen bedeutender Festivals anschaut. Es wäre toll, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender den Dokumentarfilm mit Stolz neben den Spielfilm in die erste Reihe stellen würden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Er wird im Nachtprogramm oder online unter „Alle Dokus und Reportagen“ versteckt und sehr selten massentauglich hervorgehoben und beworben. Ich würde den Dokumentarfilm einfach viel mehr Menschen „unterjubeln“. Sie wissen nicht, was sie verpassen. Und um es mit den Worten von Daniel Sponsel, dem Leiter des DOKfest München, zu sagen: „Ich vertrete ja die These, dass der Dokumentarfilm die Welt retten könnte.“
Ich glaube, er meint damit, dass der Dokumentarfilm sehr viel Empathie und Verständnis für fremde Lebenswirklichkeiten wecken kann. Das kann aber nur gut gelingen, wenn Zeit, also Budget da ist, um genauer zu beobachten und Menschen wirklich kennenzulernen und diese Wirklichkeiten dann mit filmischen Mitteln, vielschichtig, feinsinnig und natürlich auch unterhaltsam für ein möglichst breites Publikum sichtbar zu machen. Was wir so häufig im deutschen Fernsehen sehen, das meist nur sehr oberflächliche Kennenlernen, wird dagegen in unzähligen Formaten auf den populärsten Plätzen gesendet. Bei jeder Kritik am stiefmütterlichen Umgang mit dem Dokumentarfilm verweisen die Verantwortlichen dann gerne auf die vielen „Doku-Minuten“ im deutschen Fernsehen.
Kurz gesagt: Ich wünsche mir mehr Wertschätzung und Sichtbarkeit für den Dokumentarfilm. Er hat es in so vielen Fällen verdient. [11023]

Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.