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„Hinter der Kamera“-Podcast: Porträt des DoP Kristian Leschner

Immer wieder neu

In unserem Heft 12.2020 war DoP Kristian Leschner zu Gast. Der Hamburger Kameramann ist dafür bekannt, dass er die mehrfach preisgekrönte Serie „Der Tatortreiniger“ mit aus der Taufe hob. Podcast-Host Timo Landsiedel sprach mit ihm über seine kurze Visite an der Filmhochschule, was er in der Werbung ausprobieren konnte und warum er beim „Tatortreiniger“ eigentlich an jedem Motiv bei Null anfing.

Kristian Leschner bekam einmal das Feedback „Du kadrierst scheiße!“ Es war ernst gemeint und bezog sich auf seine Vorliebe für gewagte Leerräume im Bild. Damals hat ihn das getroffen. Er zog seine Lehre daraus und machte es zu seinem Markenzeichen. Als Kameramann für Werbung lebte er ganz gut davon. Doch sein Weg begann deutlich früher. Als Jugendlicher kam Leschner in den 1980er und frühen 1990er Jahren mit Super 8 und dem Videoformat Hi8 in Kontakt. Die ersten Filme waren ohne Dialog, Boy Meets Girl auf verschiedenen Bahnsteigen am Hamburger Hauptbahnhof. Er lernte viel über Tempo, Schnitt und die visuelle Erzählweisen. Was funktioniert und was nicht? Er bewarb sich bei vielen Filmschulen, setzte sich aber erst mal nicht weiter mit ihnen auseinander. „Da wurde natürlich überall abgelehnt“, sagt Leschner. „Das hat mich aber gar nicht so frustriert, ich wusste ja, es ist schwierig da hineinzukommen.“ Mitte der 1990er war er bereits als Materialassistent unterwegs und gut gebucht. Nebenher drehte er seine eigenen Filme und lernte weiter dazu. Zur Fortbildung sparte er Geld aus größeren Produktionen und belegte Lehrgänge in den USA.

Dokumentarischer Ansatz

Hier gibt es im wunderschönen Rockport in Massachusetts die Maine Media Workshops (damals Maine Photographic Workshops), eine kleine, feine Fotografie- und Medienschule, in der aktuell unter anderem DoP-Größen wie Rodriego Prieto oder Phedon Papamichael lehren. „Da habe ich eine ganze Menge mitgenommen und schon gesehen, wie Schule sein kann“, sagt Leschner. Er sah sich das Royal College of Art in London an und die Staatliche Hochschule für Film, Fernsehen und Theater in Łódź. Zeitgleich bemühte er sich aber darum, eine Bewerbung für die Filmuni, damals HFF, in Potsdam Babelsberg zusammenzustellen. Dafür drehte er mit Studenten von dort, die im Gegenzug Tipps für die Bewerbung gaben. Und so wurde er dort 1999 auch angenommen. „Was mich an der Schule interessiert hat, war der dokumentarische Ansatz, das war ganz wichtig“, so Kristian Leschner. „Das kam daher, dass ich als Kameraassistent sehr viel Aufwand gesehen hatte.“ Daher war es für ihn nicht zentral, erstmals mit Kinotechnik zu arbeiten. Leschner wollte lernen, wie man ein Drehbuch liest, wie man es auflöst, wie mit der Regie zusammenarbeitet. Der dokumentarische Ansatz war für ihn nicht interessant, um Dokumentarfilmkameramann zu werden, sondern um gezwungen zu sein, kleiner zu denken und zu kommunizieren.

Viel von seiner späteren Arbeit hat von dieser dokumentarischen Idee profitiert. Ein Motiv nicht komplett auseinanderzunehmen und komplett neu zu leuchten, nur, weil man das so macht, sondern sich ganz sensibel damit zu beschäftigen, was dieses Motiv schon anbietet. „Vielleicht braucht es nur ganz wenig, um es für uns passend zu machen oder eine Lichtkontinuität reinzubringen“, sagt der DoP.

“Der Tatortreiniger”: Jedes Motiv eine neue Herausforderung

Doch die Filmhochschule und Kristian Leschner kamen nicht dauerhaft zusammen. Der angehende Kameramann hatte sich erhofft, Freiräume zu bekommen, in denen schon zu Beginn ein Ausprobieren, ein Kennenlernen der anderen Gewerke, vor allem der Regie, möglich ist. Die Lehre empfand er dann aber als zu verschult, als zu wenig auf das Künstlerische ausgerichtet. „Und die einzigen Kontakte zur Regieklasse waren vier Stunden gemeinsame Filmgeschichte in der Woche“, erinnert sich Leschner. Gerade diese Kontakte, der Austausch und die Auseinandersetzung darüber, wie man gemeinsam in Zukunft Filme machen würde, kam seines Erachtens zu kurz. Wenn mal eine Kamera- oder Lichtübung im Studio angesetzt war, fielen diese Termine zudem viel zu oft aus. „Es war dann zu der Zeit für mich doch nicht die richtige Schule“, sagt Kristian Leschner. „Für andere mag das gepasst haben, aber ich habe mich nicht in den richtigen Händen gefühlt, was das Feedback und das experimentieren dürfen angeht.“ So verließ Kristian Leschner 2001 ohne Abschluss die Filmhochschule. Das fiel ihm nicht leicht, ist es doch gerade hierzulande so, dass ein Studienabbruch als unvorteilhaft in der Vita wahrgenommen wird. „Aber gleichzeitig habe ich das als sehr erlösend empfunden. Ich habe sofort meine Wohnung gekündigt und bin nach Hamburg gezogen.“

Werbung

Hier stieg er hochmotiviert in die Werbefilmproduktion ein. Seine eher ungewöhnliche Kadrage war hier Anfang der 2000er Jahre ein Alleinstellungsmerkmal, das durch- aus im Trend lag. Leschner hatte bei einer Reihe von Werbeclips für die Hypo-Vereinsbank assistiert, die von Ralf Schmerberg verantwortet wurden. „Ein sehr interessanter Regisseur, der alles, was in der Werbung damals vorherrschte über Bord warf und einen fast dokumentarischen Stil entwickelte“, so Leschner. Da war die Werbeästhetik dem Film schon immer etwas voraus und hier fühlte sich der DoP in seiner Vorliebe bestätigt.

Das Verlassen der Hochschule hat Kristian Leschner nie bereut. „Die Erfahrung, dass man mal an seine Grenzen stößt, ist mir sehr wichtig. Dann nicht zu verkrampfen, sondern weiter zu machen. Das Schlimmste wäre gewesen, dass ich daraus gelernt hätte, ich werde niemals Kameramann.“

Der Einstieg in die Werbung fiel vergleichsweise leicht. Schon zur Hochschulzeit hatte Leschner zur Finanzierung nebenher Assistenzen bei Werbefilmen gemacht. Zudem hatte er kurz nach Verlassen der Schule beim Hennessy-Award, eines Werbefilm-Wettbewerbs für Filmhochschulen bei Projekten von Studenten der Hochschule der Künste, mit einem Clip den zweiten Platz geholt. So hatte er schon etwas auf dem Showreel, als er loslegen wollte. Wie in jeder Branche waren es dann erst mal kleinere Projekte, die Leschner drehen durfte, in denen er auch mehr Gestaltungsspielraum hatte. Das ermöglichte ihm, einen Stil zu prägen, wegen dem er dann immer weiter gebucht wurde. „Um überhaupt reinzukommen und gesehen zu werden, ist das wahnsinnig wichtig. Das hat mir, glaube ich, extrem geholfen.“

Der Tatortreiniger

Wie so häufig ist dann der Umstieg ins Szenische deutlich schwieriger. „Das alte Vorurteil, wir ließen uns viel Zeit und trinken die ganze Zeit Champagner“, sagt Leschner. Um 2010 herum bemühte er sich um erste szenische Aufträge. Umso erfreuter war er, als Regisseur Arne Feldhusen ihn zu einem besonderen Projekt dazu holte. Mit Feldhusen hatte Kristian Leschner zuvor einige Werbeprojekte gestemmt. Besagtes Projekt hatte der Regisseur gerade mit Autorin Ingrid Lausund alias Mizzie Meyer für den NDR in der Mache, sein späterer Name: „Der Tatortreiniger“.

In der mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Folge „Schottys Kampf“ aus der zweiten Staffel trifft der Tatortreiniger auf Neonazis.

Kristian Leschner war sehr früh in dem Prozess mit dabei, eigentlich ab dem Punkt, wo klar war, dass der NDR gerne etwas mir Feldhusen machen wolle und nun nach einer Idee gesucht werde. Leschner erinnert sich noch gut an seinen Eindruck der ersten Bücher. „Die Autorin Ingrid Lausund kommt ja vom Theater“, so der DoP. „Sogar innerhalb dieses Kammerspiels war es sehr statisch.“ Er äußerte den Wunsch, dass man durch Ortswechsel und Bewegung etwas mehr Dynamik hinein bekommt. Tatsächlich änderten sich durch das Feedback nicht die Bücher, sondern er als DoP bekam die Freiheit, das am Set zusammen mit den Schauspielern, allen voran Hauptdarsteller Bjarne Mädel, umzusetzen. [13838]


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