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Neue Ära bei Canon mit EOS R

Canon EOS R im Test in Wien

Gestern haben wir schon die Canon EOS R und damit einhergehende Neuerungen bei Canon-Objektiven betrachtet. Wir schauen jetzt mit Mark Zdunnek noch genauer auf das eigentliche Handling am Set. Für unsere Ausgabe 5/2019 testete die Kamera in Kombination mit einem der neuen Objektive für den neuen RF-Mount bei Drehs in der österreichischen Hauptstadt.

NEUE TASTENPHILOSOPHIE

Im Test konnte ich mit einem leichten Setup entspannt ohne Hilfsmittel aus der Hand filmen, ohne allzu schnell müde zu werden. Besonders auffällig ist die insbesondere an der linken Rückseite um diverse Tasten reduzierte Bedienung, die eine deutliche Abweichung im Verhältnis zu 5D Mk IV, 7D Mk II (beide auch ohne Klappdisplay) darstellt. Hinsichtlich der fehlenden Tasten im linken Bereich und der Klappdisplay-Funktion erinnert die EOS R eher an die 6D Mk II. Bei der EOS R wurden allerdings auch rechts und an der Oberseite noch weniger Tasten angebracht, kein Drehring um die Menüsteuerung herum platziert und eine Reihe der von Canon in über Generationen hinweg verwendeten Steuerlogiken und Knopfpositionen verändert. Dazu zählt auch die für Filmleute wichtige Position des Aufnahme-Knopfes und die Umschaltlogik zwischen Foto- und Videofunktion. Das wird zur Umgewöhnung zwingen, was nicht jedem Anwender gefallen wird. Für mich persönlich haben die Modifikationen keinen negativen Eindruck hinterlassen. Ergänzend wird das Handling dadurch erleichtert, dass die Kamera per WLAN und Bluetooth verbindbar ist und ein voller Zugriff auf die Daten der Karte über USB-C realisiert werden kann.

KAMERA IM EINSATZ

Ich habe die Kamera in folgenden Setups eingesetzt: Handheld, vom Gimbal, mit Einbein-Stativ, im Schulter-Rig und von einem regulären Dreibeinstativ. Besonders bezeichnend dabei ist, dass sich die Kamera bereits ohne Unterstützung und technischem Zubehör in einigen wesentlichen Aspekten hervorhebt. Dazu zählt allem voran der sehr gut reagierende Dual Pixel CMOS Autofokus mit Gesichtserkennung- und Nachführ-AF, Zonen-AF, erweiter- tem AF-Bereich, 1-Punkt-AF und Touch-Auslöser. Diese Automatik hat sich im praktischen Einsatz mit dem 24-105 mm f/4 RF-Objektiv bewährt und einfaches Schärfeziehen und -halten insbesondere während kritischer Video-Aufnahmen und in Live-Situationen ermöglicht. Die Nachführung ist intelligent, erzeugt bei richtiger Bedienung auch in unterschiedlichsten Lichtverhältnissen und Umgebungen (Low-Light-Empfindlichkeit bis –6 EV) keine oder wenig unerwartete Reaktionen. Der Touch-Auslöser hilft umgehend die richtigen Bildelemente in Tiefenstaf- felungen präzise scharf einzustellen. Hier stehen als AF- Felder auch 5.655 wählbare AF-Positionen der EOS R den bis zu 61 AF-Feldern / 21 Kreuzsensoren der 5D Mark IV gegenüber. Mit dieser Kamera kann jeder Laie bei enger Schärfentiefe – dank größerem Sensor – und Bewegungen von Kamera sowie Subjekten oder Objekten die Schärfe unverzüglich treffen und halten. So verpasst man Momente nicht, braucht nicht unbedingt Rig-Anbauten mit Schärfeziehvorrichtung und kann effektiv emotionale und packende oder entscheidende Momente erfassen. Wenn man häufiger Drehorte wechselt und sehr mobil unterwegs ist, also nicht dauerhaft über Stunden die Kamera laufen lässt, dann schafft man je nach Situation fast einen ganzen Tag mit nur einem LP-E6 Akku! Die Akku-Laufzeit war gerade auch im Vergleich zu der von uns in Film & TV Kamera Ausgabe 1-2/2019 getesteten Blackmagic Design Pocket Cinema 4K Welten auseinander. Während die BMPCC4K deutlich wärmer wurde als die EOS R und man mit einer Akku-Ladung etwa 30 bis 40 Minuten arbeiten konnte, kommt man mit dem identischen LP-E6 Akku je nach Anforderungen und Umfeld mindestens einen halben Tag, wenn nicht einen ganzen Tag hin. Bei dem sehr gringen Preis dieser lange bewährten Akkulösung kann man sich also mit wenigen Akkus begnügen und wird damit wohl auch bei Ausfällen und extrem hoher Kamera-Belastung selten oder nie in Bedrängnis kommen.

WÜNSCHENSWERTES UND EIGENHEITEN

Wer ähnliche kompakte Kameras anderer Hersteller mit im Gehäuse verbauten Bildstabilisator gewohnt ist, wie die Panasonic Lumix DC-GH5, S1, S1R oder die Sony A7S II, der möchte auf dieses Feature eigentlich kaum noch verzichten. Dennoch konnte das von uns getestete neue RF-Mount-Objektiv mit eingebautem IS das Fehlen des Bildstabilisators im Gerät auf hohem Niveau kompensieren. Beim Rückgriff auf nicht-stabilisierte, mitunter vom Bokeh, Look und Lichtstärke her attraktivere Objektive allerdings, kann das natürlich anders aussehen. Mit der EOS R lassen sich zudem weder intern noch extern mehr als 29,97 fps in 4K aufzeichnen. Auch in HD sind maximal 60 fps möglich. Da die ganze Sensorauflösung (ca. 30,3 Mio. Pixel – effektiv; 3:2 Seitenverhältnis) nur im Fotomodus genutzt werden kann und für 4K Video ein signifikanter etwa 1,8x Crop-Faktor – noch etwas mehr als bei der 5D Mk IV – zur Anwendung kommt, könnten Kameraleute jeweils die diversen Auswirkungen auf Brennweitenbereich, also Bildwinkel etc., der Objektive für den Einsatz umrechnen und auch sehr weitwinklige Objektive für resultierende normal-weite oder mittlere Brennweiten bereithalten. Rolling-Shutter-Effekte dürften für unsere Zwecke gerne auch in zukünftigen Geräten der Serie oder Generationen des Produkts geringer ausfallen. Im Vergleich zu vielen anderen Kameras ähnlicher Preisklasse oder darunterliegend, wäre eine Aufzeichnung in der Kamera in mindestens 4:2:2 (10 Bit) wünschenswert. Allerdings unterstützt die Kamera in HD und UHD nur YCbCr 4:2:0 (8 Bit). Da viele Filmer für eine solche Kamera ohnehin einen externen Monitor/Recorder und Rig zusätzlich verwenden, kann die Kamera mit unkomprimierter UHD-Ausgabe in 10 Bit über HDMI die oben genannte Begrezung umgehen und so zum Beispiel mittels Atomos Ninja V eine höherwertige Aufzeichnung ermöglichen.

 

FAZIT

Die bekannte Menüführung von Canon in diesen Baureihen, die seit Jahrzehnten bewährte Color Science und über viele Baureihen homogen verteilte oder leicht an andere Kameras anzugleichende Farbwiedergabe, die ultraleise Aufnahme, leichtes Gewicht der Kamera, herausragender Autofokus und sehr gute Stabilisierung der neuen RF-Objektive bei klarem, gut zu erkennendem und scharfem LC-Display, die geringe Hitzeentwicklung bei langer Akku-Laufzeit und viele – auch im Artikel bisher ungenannte – Automatik- und Hilfsfunktionen von Canon, die dem professionellem Einsatz zunehmend gewachsen sind, überzeugen in vielerlei Hinsicht. Dazu bietet die Kamera etwa 12 Blenden Dynamikumfang bei Canon Log 1 mit bestenfalls externer Aufzeichnung in UHD 4:2:2 (10 Bit). So wird die Kamera für viele Einsatzgebiete interessant. Wo High-Speed oder mindestens 50 fps kontinuierlich gefordert sind, kann wohl auf andere Modelle – sicherlich auch desselben oder anderen Herstellers – zurückgegriffen werden. Limitationen bietet jedes Produkt in Bezug auf die jeweiligen Anwendungsfelder und natürlich auch als Bestandteil einer Strategie innerhalb jedes der großen Hersteller-Sortimente. Jeder Anwender kann für sich persönlich entscheiden, welche Kompromisse mittels anderer technische Mittel lösbar oder im jeweiligen Produktionsumfeld vielleicht doch akzeptabel sind.

Lesen Sie hier, wie sich das Drehen auf der Canon EOS R anfühlt.

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