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Postproduktion des RTL2-Klassikers „X-Faktor“ mit Blackmagic Cloud

Auferstanden in der Cloud

Die US-Fernsehserie „Beyond Belief: Fact or Fiction“ lief in Deutschland bei RTL2 als „X-Factor: Das Unfassbare“ und stieg bald zum Kultklassiker auf. Die von Jonathan Frakes moderierte Serie wurde zwar 2002 eingestellt, aber 20 Jahre später von der Superama Filmproduktion wiederbelebt. Wir haben uns für unser Heft 1–2.2024 erkundigt, wie es gelang, in der Postproduktion einen Workflow zu etablieren, der dem engen Zeitplan gerecht wurde und gleichzeitig den Look des Originals nachempfand.

Setfoto mit Jonathan Frakes
Foto: Marshall Hall

Mit einer fünften Staffel holte die Superama Filmproduk-tion aus München die Serie „X-Factor: Das Unfassbare“ 2002 aus dem Dornröschenschlaf. Innerhalb von 40 Tagen entstanden acht Folgen, insgesamt 40 Geschichten, für die wieder der Schauspieler Jonathan Frakes als Moderator ge- wonnen werden konnte. Gedreht wurde in Los Angeles in englischer Sprache.Nachdem zwei an Halloween 2022 ausgestrahlte Folgen überragende Zuschauerzahlen erzielten und Furore in den sozialen Medien machten, gab RTL2 eine weitere Staffel in Auftrag. Im Sommer 2023 ging es zum Drehen zurück nach Los Angeles. In den aktuellsten Folgen sind die Hauptrollen mit Stars wie Danny Trejo und Corey Feldman besetzt. „Die Fristen sind immer knapp, aber wir haben es hingekriegt, in 40 Tagen 150 Darstellerinnen und Darsteller zu filmen“, sagt Showrunner und Superama-Mitbegründer Holger Frick. „Im Vergleich mit ähnlichen Fernsehserien ist das aber Low-Budget, besonders in L.A.! Wir hatten jedoch einiges Geld abgezweigt, um uns ein paar berühmte Schauspieler zu angeln und die Messlatte höher zu setzen. Es war irre, in L.A. eine aus Deutschland finanzierte Sendung mit einer Besetzung namhafter Hollywood-Schauspieler zu filmen.“

Look der 1990er Jahre

Edward Salerno Jr., der DoP der Serie, drehte die sechste Staffel unter Einsatz zweier URSA Mini Pro 12Ks und einer Blackmagic Pocket Cinema Camera 6K Pro für die Gimbal- Einstellungen. Da in 12 Bit mit dem Blackmagic-RAW-Codec gefilmt wurde, ergab sich ein wenig Spielraum im brutal engen Drehplan. „Wir hatten zwar keine Probleme, die fünfte Staffel in ProRes aufzuzeichnen, wechselten aber für die sechste auf Blackmagic RAW“, berichtet Frick. „Bei einer Sendung wie dieser, wo man eine ganze Story an einem Drehtag filmt, hat man morgens, abends und mittags unterschiedliche Lichtverhältnisse für dieselbe Szene. Jemand muss das dann in der Post richten und das Licht möglichst vereinheitlichen. Zum Glück kann unser Colorist Flo Wolf in DaVinci Resolve wahre Wunder mit Blackmagic-RAW-Material vollbringen.“

Für Frick und sein Kreativteam war der Look einer der wichtigsten Aspekte und wurde im Vorfeld genau besprochen. „Weil es eine Neuverfilmung einer Sendung aus den 1990er Jahren ist, wollten wir mit der Kameraarbeit, Farbgestaltung und Lichtgebung ein Retro-Ambiente inszenieren. Für das Original hatte man klassische ARRI Master Primes eingesetzt. Die gleichen Objektive testeten wir nun mit Filtern wie denen von Pro-Mist zur Weichzeichnung. Wir benutzten auch einige Körnungs- und Blaustreifen-Filter, um beim Filmen einige blaue Blendenflecke ins Bild zu holen.“ Colorist Flo Wolf war von Beginn an diesen Diskussionen beteiligt und gab wertvolle Hinweise, welche Vorgehensweise das Retro-Feel weiter verstärken und sich auch für die Grading-Phase eignen würde.

Bildtransfer und Postproduktion

Um die Postproduktion in München bereits beginnen zu können, noch während Frick und DoP Salerno in Kalifornien drehten, entwickelte man bei Superama einen speziell angehassten Workflow. „Beim Drehen haben wir jeden Tag am Set zwei Sicherungskopien auf SSDs angelegt“, erzählt Frick. „Zurück vom Set haben wir dann abends die Blackmagic- RAW-Dateien von den am Set verwendeten Datenträgern auf unsere 100-TB-RAID-Station gespeichert. Blackmagics Proxy Generator App lief ununterbrochen, erstellte automatisch Proxy-Dateien aus einem überwachten Ordner und lud sie in Dropbox hoch.“

Mit diesen Proxy-Dateien wurde dann in München das Schnittprojekt auf Blackmagic Cloud eingerichtet. Wenige Tage nach Drehbeginn lief der Schnitt mit DaVinci Resolve in Deutschland bereits auf Hochtouren. „Wir haben mit drei Editoren gearbeitet, von denen aber keiner physisch in unserem Studio war“, erläutert Holger Frick das Setup. „Zwei wohnen außerhalb von München und einer in Norddeutschland.“ Alle drei Editoren hatten aber Zugang zum Blackmagic-Cloud-Projekt und konnten so remote auf die Timelines zugreifen. „Jeden Tag war Material für eine neue Story da“, ergänzt Postproduktionskoordinator Till Diener. „Wir importierten die Medien, sortierten und benannten sie für die Editoren und synchronisierten Ton und Video. Das klappte wie geschmiert, solange am Set alles mit dem richtigen Timecode gefilmt wurde.“

Am Set von X-Faktor
Der Look der Serie war für das Kreativteam einer der wichtigsten Aspekte. (Foto: Marshall Hall)

Beschleunigter Workflow

Im Münchener Office setzte Superama einen Blackmagic Cloud Pod ein, der jedes USB-C-Laufwerk in einen 10G-Ethernet-Netzwerkspeicher umfunktioniert. „Im Büro können drei Leute am selben Projekt arbeiten, ohne dass SSDs in ihren Rechnern stecken, weil der Cloud Pod ins Netzwerk eingebunden ist und allen Zugriff auf die Daten bietet“, so Diener. Als Holger Frick drei Monate nach Drehbeginn aus Amerika zurückkam, stand bereits für fast alle Storys ein grober Rohschnitt. Das RAW-Material vom Set transportierte das Team auf Festplatten nach Deutschland.

Nicht allen Editoren war es jedoch möglich, in der Schnitt-Suite vorbeischauen, weil nicht alle in München wohnten. „Diese Editoren richteten eine Zoom- oder Teams-Session ein, teilten ihren Bildschirm mit dem Regisseur, der in L.A. oder irgendwo in Deutschland saß, und konnten so an der Timeline arbeiten. Das hat uns enorm geholfen, weil es mit der Abnahme der ganzen Story viel schneller ging.“ Dabei verließ sich das Team auf mehrere Blackmagic Cloud Store 20 TB. Dabei handelt es sich um eine Netzwerk-Speicherlösung, die komplette Timelines mitsamt ihren Medien synchronisiert und über Dropbox oder Google Drive bereitstellt. „Alle arbeiten parallel an ein und demselben Projekt“, erklärt Postproduktionskoordinator Till Diener. „Es ist nicht mehr nötig, dem Coloristen eine DRT oder XML zu übergeben oder die Datei in ProRes zu exportieren. Er kann im Projekt auf die Timeline zugreifen, sie kopieren und mit dem Grading anfangen.“

Finishing

Auch beim Grading kam die Blackmagic Cloud zum Einsatz. „Das Superama-Team bereitete die Timelines für jede Story vor, und ich hatte ein Shuttle-XL-RAID-Laufwerk mit einer Kopie des gesamten Bildmaterials“, erläutert Senior Colorist Florian Wolf. „Ich brauchte bloß den Quellpfad einmal zu ändern und schon war alles online. Der Cloud-Workflow sparte viel Zeit. Ich konnte ich Änderungen delegieren und Teammitglieder auf dem Laufenden halten.“ So war es ihm möglich, sich komplett auf das eigentliche Grading zu konzentrieren.

„Das Grading von ,X-Factor‘ war eine großartige Erfahrung, weil darin so vielfältige Geschichten vorkommen“, so Wolf. „Was den Look für die einzelnen Episoden/Folgen anging, ließ ich mich von meinem Standbildordner in Resolve inspirieren und probierte die Looks von verschiedenen Filmen und Fotos aus.“ Dabei arbeitet er in der Regel ohne LUT. „Zu 99 Prozent verwende ich nur die Farbverwaltung in Resolve und wende mein eigenes Grading auf jede Folge an. Obwohl jede Story ihren eigenen Look hat, wollte ich ein durchgängiges Feel erzielen“, erklärt der Colorist. „Alle Looks sind satt mit niedrigen Mitteltönen und zumeist recht kontrastlos in den Lichtern. So tritt kaum Clipping auf. Um den Storys etwas Pfiff zu geben, verwende ich eine Menge Resolve FX, beispielsweise Lichtstrahlen, Blendenflecke, Lichthof und natürlich Filmkörnung. Letztendlich passen alle 40 Folgen in puncto Look-and-feel zusammen.“

„Beim Grading arbeitet Flo mit dem Blackmagic Cloud ‚Presentation‘-Modus“, merkt Frick an. „Wir können uns eine mobile App herunterladen und Flos Resultate sehen, während er arbeitet. Es ist großartig, das Colorgrading auf einem iPad-Bildschirm ansehen zu können. Man braucht nicht erst nach Hause zu gehen und einen großen Desktop-PC-Bildschirm benutzen oder seinen Laptop anschließen. Ich kann das Grading in Echtzeit unterwegs in der Bahn verfolgen.“

Tonbearbeitung

Für den in englischer Sprache gedrehten Film wurde eine gesonderte deutschsprachige Tonspur mit Synchronsprechern erstellt. „Wir arbeiten mit einem großen Tonstudio hier in München, das die gesamte Synchronisierung gemacht hat“, erklärt Till Diener. „Wir erstellten einige Transkriptionen in Resolve, weil das Studio ein Synchronbuch brauchte. Das ging mit einem Klick und flugs erschien die Transkription in einem Text-zu-Sprache-Feld.“ Noch vor wenigen Jahren hätte man sich hinsetzen und eine Transkription tippen müssen und sie dann prüfen und übersetzen lassen.

„Alles Übrige ist einfach. Wir exportierten einfach AAF- und H.264-Dateien. Später bekamen wir vom Studio den Stereomix fürs Fernsehen und die Audio-Stems zurück. Auf diese Weise konnten wir bei Bedarf später im Fairlight-Raum Änderungen machen. Alles funktionierte wie am Schnürchen. Schließlich exportierten wir den TV-Master in MXF XDCam HD 422 aus Resolve und schickten ihn an den Sender.“ Nachdem so zwei Seasons von „X-Factor“ fertiggestellt wurden, stellt sich dem Team natürlich die Frage, ob es eine siebte Staffel geben wird. „Das hoffen wir alle, weil uns immer mehr Ideen kommen und wir in den letzten zwei Jahren sehr viel gelernt haben“, sagt Holger Frick. „RTL2 hat noch nicht alle der 16 von uns fertiggestellten Folgen ausgestrahlt. Der Sender spricht derzeit mit dem Besitzer der US-amerikanischen Originallizenz, um die Rechte nach Amerika zu verkaufen. Klar, dass wir dem Anruf entgegenfiebern!“ [15404]

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