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Filmemacher Gerd Conradt und DoP Hans Rombach im Gespräch

Chronist und Pionier

Der Berliner Filmemacher und „Videopionier” Gerd Conradt und sein Kameramann Hans Rombach produzieren seit mehr als 30 Jahren gemeinsam filmische Essays, Dokumentationen, Serien und Porträts. Ihre jüngste Arbeit „FACE_It!“ ist ein Filmessay über digitale Gesichtserkennung.

Als sein aktueller Film „FACE_It!“ im Juli 2019 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, sprachen die Medien wie meistens vom „Videopionier“ Gerd Conradt. Der Begriff wirkt heute seltsam aus der Zeit gefallen. Er klebt aber an Conradt, seit er Ende der 1960er Jahre zusammen mit anderen jungen Filmrebellen, darunter Holger Meins, Harun Farocki und Hartmut Bitomsky, von der dffb relegiert wurde und seitdem begann, Videofilm als politisches und ästhetisches Spielfeld zu entdecken. Zudem trägt eine seiner bekanntesten Arbeiten, enstanden 1984, den Titel „Der Videopionier“.

Conradt selbst stört das Label gar nicht: „Videopionier ist mein Markenzeichen. Ich bin ja in der DDR aufgewachsen, wo der Pionier ein fester Begriff war. Darüber hinaus macht der Pionier Expeditionen und Forschungsreisen. Und auch mein letzter Film ,FACE_It!‘ war solch eine Forschungsreise zu einem Thema, von der ich am Anfang nicht wusste, wohin sie mich führen würde.“

Hans Rombach dagegen gehörte nicht zum Kreis der dffb-Rebellen. Er ließ sich Anfang der 1970er Jahre an der Westberliner Fachschule für Optik und Fototechnik FOF zum staatlich geprüften Kameraassistenten ausbilden. Das war seinerzeit die einzige staatliche Kamera-Ausbildung im Westen. Mit der dffb-Szene, in der Gerd Conradt etwas früher unterwegs gewesen war, hatte Rombach nur dann Kontakt, wenn FOF-Leute bei dffb-Produktionen aushalfen. Experiment und Pragmatismus verbindet die beiden seit damals. Erstmals zusammen arbeiteten Conradt und Rombach bei der Produktion „Ich schreibe Tagebuch (Experiment Deutsch) 1988“. Der Film visualisierte die Tagebucheintragungen einer 23-Jährigen und lief auf vielen Festivals, beim Videoforum der Berlinale, bei der Dokumentarfilmwoche Duisburg und Leipziger Dokumentarfilmwoche.

Gerdt Conrad und Hans Rombach (mit Kamera).

KREATIVE PARTNERSCHAFT

Es war der Beginn einer kreativen Partnerschaft, die seit mehr als 30 Jahren funktioniert und etwa alle zwei Jahre ein neues Projekt hervorbringt, oft genug unter erschwerten finanziellen Bedingung. Dabei birgt das Budgetthema für Hans Rombach aber auch Chancen. „Es gibt bezüglich der Technik immer viele Überlegungen“, sagt er. „Einiges erledigt sich dann aus pragmatischen oder finanziellen Gründen. Aber das ist der Kreativität oft gar nicht mal abträglich.“

Auch bei „FACE_It!“ war die Finanzierung schwierig. Das Budget betrug lediglich 100.000 Euro. Gerd Conradt brachte bei Anträgen auf Förderung 30 Prozent als Eigenanteil bei. Von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Monika Grütters bekam die Crew 40.000 Euro. „Eine tolle Förderung. Die muss man nicht zurückzahlen“, freut sich Conradt. Nachdem eine zunächst mögliche Förderung durch das Medienboard Berlin-Brandenburg nicht zustande kam, sprang die Förderanstalt MFG aus Baden-Württemberg in die Lücke.

Eine Ausnahmen als besser finanzierte Produktion stellt das gemeinsame Projekt „Blaubeerwald“ dar, bei der Conradt seine Thüringer Verwandtschaft durch das Wendejahr begleitete. Rombach hatte damals einen Kontakt zum japanischen Fernsehen. In der Folge gab es zwei Fassungen des Films: eine fürs japanische Fernsehen und eine für den gerade gegründeten Mitteldeutschen Rundfunk MDR. Grundsätzlich treffen die beiden vor gemeinsamen Projekten zunächst nur eine „grobe Absprache“. Da sie sich lange und gut kennen, läuft die Arbeit dann relativ problemlos. „Es ist aber auch viel Freistilschwimmen dabei. Wir haben ja auch oft eine experimentelle Herangehensweise an Themen, ganz anders als etwa Andreas Veiel, der alles minutiös durchplant“, berichtet Hans Rombach, der mit dem Regisseur bei „Winternachtstraum“, „Balagan“ und „Die Spielwütigen“ zusammengearbeitet hat.

Experimentelle dramaturgische Zugänge setzt Conradt in vielen seiner Filme ein. Gelegentlich tritt er selbst als Moderator oder als Kunstfigur auf. Etwa 2005 in „Monte Klamott“, wo er in einem Kostüm der Bergsteigerlegende Luis Trenker Passanten auf der Straße nach dem Weg zum Berliner Schuldenberg fragt. Oder wenn er den Beamten in der Berliner Senatsverwaltung eine Torte mitbringt und sie bittet, das Stück, das der Zinsschuld entspricht, herauszuschneiden. Seine frühen Engagements als Darsteller an Berliner Bühnen wie dem Schillertheater oder der Vagantenbühne lassen grüßen.

PRAGMATISCHE TECHNIK

Bei der eingesetzten Technik dagegen agiert das Duo pragmatisch, eher gemäß den Erfordernissen. Natürlich spielt auch das Preis-Leistungs-Verhältnis eine Rolle. „FACE_It!“ etwa sei „Super Old Style“ gedreht worden, berichtet Hans Rombach. Zum Einsatz kamen eine Canon EOS C100 und eine Sony PMW-EX3. Letztere nutzt Rombach, seit er sie 2008 beim Dreh der rbb-Produktion „24h Berlin“ „als erste handliche Full HD-Kamera mit Wechseloptik und einer super Qualität“ kennengelernt hat. „Ihr Standardzoom übertrifft sogar manche Zoomoptik für 30.000 Euro und sie pumpt bei Schärfenverlagerungen kein bisschen!“ schwärmt er. Mit der EX-3 hat er seitdem etwa zehn lange Kinodokumentarfilme gedreht, zum Teil mit einem externen Recorder, zum Teil mit einem P+S-Adapter in Kombination mit 35-mm-Festbrennweiten. „Neben meiner Super-16-Filmausrüstung ist die EX-3 die einzige Kamera, die sich wirklich bezahlt gemacht hat“, ist er sich sicher. Selbst ALEXA-Material lasse sich kombinieren. „Wenn auch mit großen Bedenken. Aber ich muss sagen, dass einem nicht die Körner um die Ohren flogen. Das war zu meistern, wenn auch nicht empfehlenswert“, beurteilt Hans Rombach die Kompabilität des Geräts. Einzig die Einbeziehung diverser Smartphones beim Dreh von „FACE_It!“ barg Probleme. Das habe die Verschlusszeit extrem verkürzt, was oft zu einem starken Shuttern geführt habe. So wurden manche Aufnahmen online ausgetauscht. „Was auf einem kleinen Bildschirm noch tolerierbar erschien, ging auf der großen Leinwand gar nicht“, erinnert sich Rombach, „aber grundsätzlich bin ich ein großer Freund kleiner Technik.“

Mit der EX 3 drehte er bei „FACE_It!“ die Interviews, da er mit dem 14-fach-Zoom rasch den Bildausschnitt wechseln konnte. Das ermöglichte bei offener Blende eine gute Freistellung der Person vom Hintergrund. Mit der Canon EOS C100 wurden die Aufnahmen im 35-mm-Look erstellt. Als Objektive kamern dabei hauptsächlich das Canon 17-55 mm f2.8, ein Tokina 11-16 mm f2.8 und das Micro-Nikkor 55 mm f2.8 zum Einsatz. Da es keine Fernsehbeteiligung gab, war man frei in der Wahl der Codecs. So nutzte Rombach die internen Kameracodecs. „Beide Kameras – die Canon EOS C100 und die Sony PMW-EX3 – matchten erstaunlich gut“, bilanziert Hans Rombach.

Als Kameramann sieht sich Rombach als Geschichtenerzähler. „Grundsätzlich ist Technik für mich Beiwerk, allerdings ein absolut notwendiges. Man muss sie beherrschen und immer auf dem neuesten Stand sein, sich informieren. Aber man muss die Technik in den Dienst der Geschichte stellen und nicht immer die neuesten Technologien einsetzen, nur weil sie von der Industrie angeboten werden. Es kann auch Super-8-Film sein, wenn es die Geschichte erfordert. Es muss nicht immer High End sein“, formuliert er sein Credo. [10665]

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