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Interview: Die Dreharbeiten von “Maybe, Baby”

Hier folgt nun der zweite Teil des Interviews, das Hannah Baumgartner mit Regisseurin Julia Becker, Produzentin Frauke Kolbmüller und DoP Martin Neumeyer über ihr Spielfilm-Projekt “Maybe, Baby”geführt hat. Der Artikel erschien in unserer Ausgabe 5/2018. Den ersten Teil können Sie hier finden.

In Hotelpantoffeln am Set: Julia Becker (links) und Frauke Kolbmüller

Martin, war es schwer bezüglich der Technik Bescheidenheit an den Tag zu legen, oder konntest du trotz- dem alles realisieren wie du es dir vorgestellt hast?
Martin Neumeyer: Natürlich ist es aus Kamerasicht immer ein wenig schade, wenn man im Low-Budget-Bereich nicht aus dem Vollen schöpfen kann. Aber ich bin happy mit den Bildern! Es muss nicht immer mit der neuesten Kameratechnik gedreht werden. Viel entscheidender ist doch, dass der Film an sich, der Witz, das Drama funktioniert. Und gewisse Einschränkungen fördern kreative Lösungen.

Welche Kamera hast du genutzt?
Martin Neumeyer: Konkret haben wir mit der Canon EOS C300 gedreht, eine Kamera, die ich aus dem Doku-Bereich sehr zu schätzen gelernt habe. Dazu bekamen wir ZEISS Standards, die ich persönlich aufgrund ihres filmischen, nicht zu cleanen Looks mag. Meine Crew bestand für den Hauptdreh auf der Hütte aus Peer Heinzel, meinem Kameraassistenten, und Daniel Friesen als Beleuchter – den haben wir frisch aus dem Cinegate-Hamburg-Praktikum mitgenommen.

Du hast viel Handkamera eingesetzt, oder?
Martin Neumeyer: Gedreht wurde meist aus der Hand, keine Dolly- oder aufwändigen Kamerabauten. Klar hätte man sich hier und da etwas Aufwändigeres vorstellen können. Aber wichtiger war, dass wir genügend Zeit zum Drehen haben.

Julia, ist das nicht auch eine ziemliche Belastung am Set in dieser Doppelrolle Regie und Hauptrolle?
Julia Becker: Ich habe das gar nicht so stark als Doppelbelastung wahrgenommen. Klar ist es auch anstrengend. Als Regie musst du alles im Kopf haben, Befindlichkeiten spüren, und bei Bedarf nach Dreh-Ende noch mal klären. Man schläft eher wenig. Aber wir waren auch einfach ein Spitzenteam. Jeder hat mit angepackt und ist über sich selbst hinausgewachsen. Daher war das vor allem eine tolle und keine anstrengende Erfahrung.

Meinst du, dass man immer so drehen kann?
Julia Becker: Ich hoffe es, ehrlich gesagt. Klar, ein paar Leute mehr am Set, eine Aufnahmeleitung, und vielleicht auch ein paar Drehtage mehr … Das muss man ja auch noch mal bedenken: wir hatten keine Continuity, keine Ausstattung, kein Kostüm, und dafür sind uns wenig Fehler unter- laufen. Wir waren ein sehr konzentriertes, engagiertes Team. Einmal entdeckte Claudia, die Tonfrau, einen Anschlussfehler: „Sag mal, war das Glas nicht gerade eben noch auf der linken Seite?“ Wenn alle gucken, dann funktioniert es irgendwie.

Die Crew bei der Premiere in Ludwigshafen

Als Regie musst du sehr offen sein, als Schauspielerin musst du dich eher auf dich besinnen …
Julia Becker: Ja, genau das Gegenteil! Also beim Spielen muss man natürlich auch offen sein, aber eben anders. Ich weiß auch nicht, warum das so gut funktioniert hat.
Frauke Kolbmüller: Julia hat ein total gut entwickeltes Gespür für Szenen und wie Szenen funktionieren. Und durch die Kamera schaut Martin, der hat den Bildaufbau im Blick.
Julia Becker: Das Bild richten wir ja gemeinsam ein und sagen: das soll‘s jetzt sein. Aber dann muss man sich ein- fach vertrauen.
Martin Neumeyer: Wenn für Julia die Szene gepasst hat, hat sie von sich aus immer gesagt: „Also für mich war’s die.“ – und dann hat sie mich angeschaut, und wenn von mir zum Bild das Okay kam, haben wir uns den letzten Take noch mal angeschaut. Wir hatten da schnell einen sehr guten Flow und denselben Geschmack. Ich hatte vor- her noch nicht mit einer Regie gedreht, die gleichzeitig spielt. Aber das hat erstaunlich gut funktioniert.
Julia Becker: Und wir waren sehr gut vorbereitet. Auch in Bezug auf das Schauspiel. Ich wusste von vorne bis hinten, was meine Figur Marie will, was sie macht, was sie denkt. Dasselbe galt für die anderen Figuren. Ich konnte meinen Schauspielern sehr klar sagen, was ich wollte. Ich glaube Vorbereitung ist das A und O, in allen Belangen.

Die Musik des Films wird ja auch gelobt.
Julia Becker: Ja, das freut mich auch voll! Mir war früh klar, ich will Songs im Film haben!
Frauke Kolbmüller: Das ging aber auch nur, weil Julia sich noch nicht so bekannte Bands herausgesucht hat. Das hatten wir auch im Vorfeld schon besprochen.
Julia Becker: Ja, ich habe mich auf die Suche gemacht nach unbekannten Indie-Bands, und auch tolle Songs ge- funden, die ich dann mit meinem Cutter Jens Wischnewski  ausprobiert habe. Nachdem ich mich entschieden hatte, welche Songs wir nehmen wollen, hat Frauke übernommen und die Nutzungsrechte geklärt.

Habt ihr die Gründung von ProQuote Film verfolgt?
Julia Becker: Also ich hab’s mitbekommen. Aber ich hab mich, ehrlich gesagt, nicht so viel damit auseinandergesetzt. Zu den Regisseurinnen habe ich mich ja noch nicht wirklich gezählt. Und bei ProQuote Film, weiß ich noch gar nicht so genau, was da alles auf der Agenda steht.
Frauke Kolbmüller: Ich find’s gut, dass sich Leute enga- gieren. Persönlich bin ich aber nicht so ein Quoten-Ver- fechter. Ich möchte einfach mit Leuten zusammenarbei- ten, mit denen mir die Arbeit Spaß macht, und welches Geschlecht sie haben, ist mir am Ende dann recht egal. Das Projekt, an dem ich gerade arbeite, ist total frauen- lastig. Das war nicht so geplant, das hat sich so ergeben. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass so eine Quote bei anderen Produktionen helfen kann. Ich denke, das hat viel mit einem Generationswandel zu tun. Bei mir hat sich die Frage bisher nie gestellt.
Julia Becker: Bei mir ist es ähnlich. Bis jetzt hatte ich nie das Gefühl, an Männern gescheitert zu sein. Vielleicht bin ich an anderen Stellen gegen Wände gelaufen, aber ich hatte nie das Gefühl, dass das jetzt mit männlich oder weiblich zu tun hatte. Eher mit festgefahrenen Strukturen, die es seit Jahrzehnten in der Film- und Fernsehlandschaft gibt.  [4767]

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