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Die Edimotion-Ehrenpreisträgerin Ingrid Koller im Interview

Das perfekte Timing

Niemand hat in Österreich erfolgreicher Filme geschnitten als sie: Ingrid Koller wird bei dem Filmmontage-Festival Edimotion, das vom 15. bis 18. Oktober 2021 in Köln stattfindet, als erste österreichische Editorin mit dem Ehrenpreis Schnitt für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Festival-Kurator Werner Busch sprach mit der Wienerin in unserem Heft 11.2021 über ihre Ausnahme-Karriere.

Porträtfoto der Editorin Ingrid Koller
(Foto: Ritzfilm)

Seit beinahe 50 Jahren gestaltest du alleinverantwortlich Filme für Kino und Fernsehen, wahrscheinlich hat niemand in deinem Heimatland mehr Projekte als du geschnitten, über 60 Langfilme und um die 200 Serienfolgen. Die Liste der erfolgreichsten österreichischen Kinofilme ist in großen Teilen deine Filmografie. War dir das Kino schon in die Wiege gelegt?
Mein Vater, Fritz Koller, war von Beruf Schwenker gewesen, oder „Camera Operator“ wie man heute vielleicht sagen würde. Er hat damals bei Graf Sascha Kolowrat-Krakowsky gelernt, der mit seiner Firma Sascha-Film die größte österreichische Filmproduktionsgesellschaft der Stummfilmzeit und der frühen Tonfilmzeit gegründet hatte. Kolowrat gilt als Begründer der österreichischen Filmindustrie. Dort hatte mein Vater gearbeitet, mein Großvater war Fotograf gewesen. Es gab da also eine Linie. Als ich jung war, wollte ich Schauspielerin werden, wurde als Jugendliche aber zunächst Eistänzerin. Ich musste mehrere Schulen besuchen, denn ich war wohl damals etwas aufsässig und mein Betragen im Zeugnis nur gerade eben „ausreichend“. Ich entschloss mich dann doch, Schauspielerin zu werden. Das fand mein Vater zwar in Ordnung, aber ich musste für meine Ausbildung selbst bezahlen. Ich ging zuerst auf die Schauspielschule Krauss, eine private Schule, und wurde sehr schnell auf ernste Rollen festgelegt. Scheinbar wurde ich damals als sehr ernster Mensch gesehen! (lacht)

Wie bist du dann zum Schnitt gekommen?
Meine Eltern waren mit einem Schnitt-Ehepaar befreundet und meine Mutter fragte, ob es dort nicht berufliche Perspektiven für mich gäbe. Und die gab es bei „Onkel Joe“, der bei der Firma Telefilm schnitt, eine der größten Produktionsfirmen zu der Zeit. Er war der Hahn im Korb, der einzige Mann in der Schnittabteilung bei sieben festangestellten Cutterinnen und ihren jeweils zwei Assistentinnen. Deswegen hat er mir häufig die Arbeit überlassen, während er sich mit den Kolleginnen unterhielt. Damals habe ich das gehasst! Ich musste rackern, während es die anderen lustig hatten. Erst später habe ich verstanden, dass ich dadurch sehr früh und sehr schnell das Handwerk des Filmeditors lernen konnte. So kam es, dass ich schon mit Anfang 20 zum ersten Mal alleinverantwortlich eine Produktion schneiden konnte, ein großes Privileg. Ich war eine der jüngsten Cutterinnen in Österreich, damals in den frühen 1970ern.

Wie hast du deine Projekte ausgewählt, hast du die Drehbücher vorher lesen wollen?
Eigentlich kamen Angebote immer von selbst, ich habe nicht viele abgelehnt. Es war immer eine spaßige Arbeit für mich und ich hatte ja immer die Möglichkeit, die Dramaturgie zu verändern in der Montage, wenn mir etwas nicht gefiel. Ich habe nie Drehbücher gelesen, auch später in der Arbeit nicht. Ich schaue mir an, was das Team gedreht hat. Das was geschrieben steht, stimmt ja häufig nicht mit dem überein, was gedreht wird. Und aus dem Spiel der Schauspieler heraus muss ja schon klar sein, wer der Mörder ist zum Beispiel. Sonst haben wir ein großes Problem! Das Material muss aus sich heraus sprechen. Ich brauche Drehbücher nur manch- mal, um mich der Reihenfolge von Szenen und ihren Übergängen zu vergewissern, aber mehr nicht.

Ingrid Koller und Regisseur Robert Dornhelm 1985 im Schnitt von „Echo Park“
Ingrid Koller und Regisseur Robert Dornhelm 1985 im Schnitt von „Echo Park“ (Foto: privat)

Wurdest du im Vorfeld nicht manchmal gebeten, ein Buch zu einem Projekt zu lesen, dass du schneiden solltest?
Ja, das gab es natürlich. Beim ersten Mal hatte der Regisseur dringend darum gebeten, dass ich das Buch lese und Verbesserungsvorschläge mache. Das tat ich und kam mit einer langen Liste zurück und erklärte ihm die Schwachstellen Punkt für Punkt, machte Anregungen, wie man es verbessern könnte. Er hörte geduldig zu und bedankte sich. Das Nächste, was ich hörte, war, dass ich raus war aus dem Projekt. (lacht)

Fast zeitgleich entstanden Mitte der 1980er Jahre mit „Echo Park“ und „Müllers Büro“ zwei Spielfilme, die sehr wichtig für deine weitere Laufbahn waren.
Bei „Müllers Büro“ kam ich zum ersten Mal mit dem Regis- seur und Drehbuchautor Niki List zusammen. Ich habe dann die meisten seiner Filme geschnitten, auch die Realszenen in „Werner Beinhart“, der vor allem in Deutschland populär war. „Müllers Büro“ ist aber auch bedeutsam, weil es meines Wissens nach der erste Film in Österreich war, bei dem Bildschnitt und Sounddesign voneinander getrennt waren, darauf hatte ich damals bestanden.

Warum?
Das war eine Sache, die ich in den USA gesehen und sofort geschätzt hatte. Ich hatte erlebt, was für tolle Möglichkeiten versierte Tongestalter haben können. Aber damals hat das einige Kolleginnen und Kollegen in Österreich richtig aufgeregt: „Das macht sie nur, weil sie es nicht kann!“ oder „Das macht sie nur, weil sie keine Lust hat!“ (lacht) Aber ich blieb hart und so wurde „Müllers Büro“ der erste Film in Österreich, soweit ich weiß, bei dem Film- und Tonschnitt als zwei Departments arbeiten konnten. Was es dann auch in den nächsten Jahren immer öfter gab und mit dem Digitalschnitt zum Standard wurde. [14906]


Möchten Sie mehr erfahren? Hier finden sie das komplette Interview mit der Edimotion-Preisträgerin Ingrid Koller!


 

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