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Filmemacher Hans von Sonntag berichtet vom Testdreh der Canon Sumire Primes

Zwei in einem

Im Frühsommer testete DoP Hans von Sonntag auf Teneriffa die Canon Sumire Primes an der Canon C700FF. Wir befragten ihn in unserer Ausgabe 12.2019 zu seinem Eindruck von den Objektiven.

Wer mit nahezu unerbittlich präzisen Digitalsensoren dreht, der muss von irgendwoher Charakter ins Bild bekommen. Früher konnte das auch über die Wahl des Filmmaterials bewerkstelligt werden. Seit der digitalen Revolution konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Anwender auf die Wahl des Objektivs. Die Bestrebungen der Hersteller folgen dieser Aufmerksamkeit. So ist es auch zu erklären, dass es in den letzten Jahren eine wahre Fülle an Objektivneuerungen gab, ob vom Rehouse-Fotoobjektiv über neu entwickelte Anamorphoten bis zu einer breiten Front Vollformatoptiken. Zu diesen Neuerungen gehören seit April auch die Canon Sumire Primes. Noch im Frühjahr schickte Canon ein Team nach Teneriffa, um einen Eindruck der Besonderheiten der neuen Objektivreihe zu gewinnen. Na ja, sagten sich viele, die sind vermutlich durchgehend knackscharf und folgen den üblichen Looks aus Canons Broadcastschmiede. Genau hier überraschten die Neuheiten.

Innerhalb von zehn kurzen Tagen stellte Filmemacher Hans von Sonntag ein Team zusammen und organisierte den eintägigen Dreh auf der Kanareninsel. Teneriffa wählte man aufgrund der budgetären Machbarkeit in der Nebensaison und weil trotz Frühjahr die Sonne dort herausfordernde Lichtsituationen bot. Mit seinem Kollegen Andreas Kidess führte er Regie und produzierte, Peter Schulz führte die Kamera, mit Make-up-Artist Medea und Location-Scout Krisztián Bolygo sowie den Schauspielern Margarita Kogaj und Nicholas Busch war das Team komplett.

Das Ziel war, die Objektive herauszufordern und sie an die Grenzen zu bringen. Starke Sonne, Lichteinfall ins Objektiv, harte Kontrast: all das stand auf von Sonntags Liste. Aufgrund des kleine Teams und der kurzen Zeit entschied sich der Filmemacher für ein Handkamera-Ästhetik. Dem folgend verzichtete von Sonntag darauf, auf RAW zu drehen und entschied sich mit der Canon C700FF für 4:2:2 10 bit YUV 4K. So war kein externer Rekorder nötig, der die Kamera schwerer und unhandlicher gemacht hätte. Das Team setzte keine zusätzlichen Filter ein, um die Performance des Objektiv möglichst pur beurteilen zu können. Nur die eingebauten ND-Filter der C700FF fanden Anwendung. DoP Schulz kontrollierte die Schärfe selbst. Für das Verfilmen wählte das Team eine einfache „Boy meets Girl“-Story. Das hatte einen Hintergrund. Hans von Sonntag dreht häufig Lifestyle-Projekte für Marken und den Einsatz in den sozialen Netzwerken. Er wollte also auch testen, ob sich die Objektive für derartige Projekte eignen.

Hans von Sonntag mit seinem Kameramann Peter Schulz

Hans, euer Zeitrahmen war enorm eng. Habt ihr die Möglichkeit gehabt, Sumire-Objektive und C700FF vorher zu testen?
Nie getestet. Rein ins kalte Wasser. Auf der Insel war der erste Blick durchs Objektiv und dann haben wir auch sofort gefilmt. Man kann sich bei Canon ja darauf verlassen, dass es funktioniert. Man muss sie dann testen, wenn man ein spezielles Ergebnis haben möchte. Wenn man aber wie wir loszieht, im Run-and-Gun-Stil, um einen Film über die Bühne zu bringen, der das Objektiv an die Grenze bringt, ist das okay. Darauf kommt es ja auch an.

Was waren die Dinge, die du auf jeden Fall in Erfahrung bringen wolltest?
Das, was jeder Filmfotograf wissen will: Wie verhält sich das Sichtfeld? Ist die Linse nur in der Mitte scharf oder überall bis an den Rändern scharf? Wie wirkt sie farblich? Wie ist ihr Kontrast? Es gibt ja Linsen mit sehr hohem Kontrast, Linsen, die sehr weich sind. Cooke ist eher weich, Leica auch, ZEISS eher kontrastreich stark. Auch Canon ist ja eher stark kontrastreich – aber eben nicht die Sumire. Das ist das Interessante! Bei offener Blende oder Blende 2 sind die relativ flach. Also kontrastschwach, organisch, beinahe vergleichbar mit einer Cooke-Linse. Das ist etwas, was wir heraus gefunden haben.

Also zwei Looks mit einem Objektiv?
Richtig! Bei offener Blende hast du ein organisches Bild, weich, wärmer, bei schönem Bokeh und organischem Abfall in die Unschärfe. Nach Blende zwei wird sie scharf, wie man es von Canon kennt, behält aber die schönen Bokeh-Eigenschaften.

Wo hat das Two-in-One seine Grenzen?
Du kriegst eines nicht: Du kriegst keine Linse, die scharf ist, wenn sie offen ist. Also scharf im Sinne von „Perceived Sharpness“, Crispness. Das kriegst du nicht. Dann brauchst du Master Primes. Die sind dann auch bei T3 bitterscharf. Ist aber dann auch eine andere Story.

Gibt es einen Übergangsbereich bei den Blenden, wo keiner der beiden Effekte, weich oder scharf, in der Performance überzeugt?
Das würde ich nicht sagen. Sie sind nicht die ideale Lösung, wenn ich Highspeed und gleichzeitig super Crispness haben will. Das ist nicht ihre Story. Aber der Übergang ist organisch. Da gibt es keinen Sprung in der Qualität.

Die Sumire Primes stellen eine deutliche Neuerung im Portfolio von Canons Festbrennweiten dar.

Wie seid ihr beim Härtetest vorgegangen? Habt ihr die Geschichte danach ausgewählt?
In der Vorbereitung war unser Ansatz, dass ich die Kamera und die Linsen in den Stress bringe. Das heißt, ich brauche viel Licht, viel Kontrast in der Umwelt – also vom Motiv her. Wenn das vor Ort gegeben ist, muss ich mir nur einen Blickwinkel su- chen und der Rest geht automatisch. Dann muss die Linse etwas leisten können. Ich halte sie voll in die Sonne, wegen des Flares, dann muss die Linse den Flare bringen und wenn der hässlich ist, dann ist das eben so. Schiefgegangen! So ist es auch mit dem Kontrast. Kommt die Kamera mit den 12 Blenden klar, die wir da im Sonnenlicht hatten, das in die Kirche fällt? Oder geht die damit unter? Da ist sie sehr gut mit klar gekommen, weil Canon einen Sensor in der Kamera hat, der auf allerhöchstem Niveau funktioniert.

Habt ihr in der Kirche mit Aufhellern gearbeitet?
Nein, gar nicht! Das war ja wichtig! Wichtig war in unserem Konzept, obwohl wir gar nicht viel haben, einen Film zu machen, der den Look und Feel von einem Lifestyle Commercial hat. Das war die Idee. Dazu braucht man Linsen, die Flaren können, und schön Flaren, und schöne Schärfenwelten bieten.

Waren die Objektive ein guter Partner für die C700FF?
Also, was die C700 FF ausmacht, ist das FF! Sie ist Fullframe. Da ist sie meiner Meinung nach eine echte Alternative zur ARRI ALEXA LF. Sie bietet als Cinekamera mit einem sehr hohen dynamischen Umfang, Farbreichtum, sehr schönem Farbspektrum die richtige Grundlage für die Sumire Primes. Denn die sind ja Fullframe. Da ist es natürlich interessant, zu sehen wie die Vollformat-Linsen an einer Vollformat-Kamera performen.

Wo stößt das Objektiv denn an seine Grenzen in Kombination mit Vollformat?
Wenn ich hingehen würde und sage, ich mache eine Totale und ich möchte, dass die Leute drin von Kopf bis Fuß zu sehen sind und den Hintergrund unscharf haben, aber die Totale soll trotzdem richtig scharf sein, dann ist es eventuell nicht das richtige Objektiv.

Wo sieht du die Einsatzgebiete? Cineastisch liegt auf der Hand. Passen die Sumire auch für Beautyshots?
Dafür sind sie super! Ist ja klar. Beauty heißt ja heutzutage nicht mehr „makellose Haut“. Das will ja keiner. Sondern Beauty ist heute „geiler Lifestyle“. Also damit sich der Zuschauer fragt: „Warum bin ich nicht mit dabei?“ Was dich praktisch mitnimmt. Gerade hochaktuell ist das Instragram-Hochformat, alles andere ist was für alte Leute. (lacht) Und da sind die Sumire-Linsen ganz toll. Ich habe Canon-Präzision mit einem schönen Charakter. Der Charakter ist wichtig! Deshalb sind ja gerade bei jungen Leuten die Vintage-Linsen so in, weil die ein anderes Lebensgefühl dazu haben. Ich bin damit groß geworden, Vintage war noch nicht Vintage. Die jungen Leute kommen in eine Welt, da ist alles „razor sharp“, alles wird immer schärfer. Aber die Leute wollen das gar nicht.

Du sprichst Social Media an. Wie unterscheidet sich die Anwendung deiner Meinung nach für solche Projekte?
Gerade bei Social Media drehe ich nicht mehr einen langen Film, der aus 700 Shots besteht. Mein letztes Projekt bestand nur aus einem Shot, weil der halt sieben Sekunden lang ist. Für die sozialen Medien: Ich habe den einen Shot, der muss dann richtig geil sein! Also brauche ich eine extrem gute Linse, die dafür passt. Das ist keine Frage von Budgets, sondern eine inhaltliche Sache. Da folgt die Ausrüstung dem Inhalt! Dann brauche ich auch nicht immer einen ganzen Satz, sondern leihe mir nur die 35 mm. Selbst für Langfilme muss das keine Einschränkung sein. Ich spüre ja auch den Budgetdruck. Aber ich spüre keinen Druck, dass mich das in der Kreation schlechter macht! Ich überlege dann nur, gut, dann habe ich keine ganze Objektivkiste. Schlimmstenfalls habe ich nur zwei Linsen. Wie kann ich damit eine visuelle Sprache entwickeln? Kann doch super sein! Robby Müller hat „Down by Law“ nur mit der 35 mm gedreht, wenn ich mich richtig erinnere. Meisterwerke wurden nur mit einer Linse gedreht. Aber was ich dann haben will, ist eine Linse, die toll spricht, die Persönlichkeit hat. Habe nichts davon, wenn ich mir einen Zoom leihe, der eine tolle Range abbildet und er hat keinen Charakter.

Dann nimmst du lieber die chromatischen Aberrationen einer Sumire Prime in Kauf?
Genau das! Chromatische Aberrationen sind da, das muss man wissen! Aber die sind bei allen Linsen da, die nicht die moderne, telezentrische Konstruktion haben. In dem Moment ist das kein Problem, wo du super telezentrisch wirst und auf einem großen Sensor mit einem großen Mount und kurzer Flange draufgehen kannst, wie es jetzt auch die DSLMs haben – Nikon Z oder Canon R. Die haben es vielleicht leichter mit chromatischer Aberration.

Wie stehst du zum Vollformattrend?
Ich habe mich hier selber an die Grenzen gebracht, weil ich alles in Vollformat gedreht habe. Ich habe herausgefunden, das ist nicht mein Format. Es werden mir zu schnell Dinge hinten unscharf. Für meine Erzählwelt ist es wichtig, dass ich den Vordergrund, die Personen, mit dem Hintergrund, wo sie handeln, verbinden kann. Ich bin kein Fan von diesen Filmen, wo alles vernuschelt ist im Hintergrund. Ich will, dass das in einer Umgebung stattfindet, die auch die Story erzählt. Das kann man sicher erreichen, indem man kürzere Brennweiten nimmt – mache ich sowieso – bei S35 ist meine Lieblingslinse die 25 mm. Dann entsteht eine Dimensionalität, die toll ist. Das wäre bei Vollformat etwa 35 mm, wenn man den gleichen Sichtwinkel haben möchte. Aber das sorgt automatisch für geringere Schärfentiefe.

Über Robby Müller wurde mal gesagt, er sei immer nah dran an den Figuren und habe dennoch die ganze Welt im Bild. Ist das so dein Credo?
Das finde ich super! Das ist genau mein Ding. So ist auch unser Leben, wir sind nah dran und sehen gleichzeitig die ganze Welt. Alle diese Dinge sind mir super wichtig. Das funktioniert nur mit einem weiten Sichtfeld, ich sage mal 50 Grad, und dann bin ich happy. Dann geht auch Vollformat ganz gut. Man muss eben damit arbeiten können. [11035]

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