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Fabian Spuck:

Mit Steadicam tanzen

Der Berliner Kameramann und Editor Fabian Spuck bedient mit seiner Firma Achtfeld GmbH ganz verschiedene Genres. Seine besondere Leidenschaft wecken aber Aufträge für Tanz-, Theater- und Ballettproduktionen. Und die Arbeit mit der Steadicam. Der Artikel erschien in unserer Ausgabe 5/2015.

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Fabian Spuck (Bild: Gunter Becker)

Jeder, der “Atonement” einmal gesehen hat, wird sich an diesen Take erinnern: Fünf Minuten lang begleitet eine Steadicam-Kamera in einer atemberaubenden Plansequenz den Protagonisten über den Strand von Dünkirchen, durch das Chaos des britischen Truppenrückzugs 1940. Fabian Spuck fällt “Atonement” als erstes ein, wenn er nach seinen Lieblingssequenzen mit Steadicam gefragt wird. “Als Steadicam-Operator träumt man von solchen Plansequenzen, bei denen sich das Stilmittel Plansequenz und der Inhalt perfekt zusammen fügen. So wie bei Peter Robertsons Arbeit in “Atonement” (deutsch: “Abbitte”, Regie: Joe Wright, Kamera: Seamus McGarvey, BSC; UK 2007) oder Tilman Büttners Arbeit in “Workingman’s Death” “, schwärmt er.

Zu Schnitt und Kamera ist Spuck als Autodidakt über den Animationsfilm gekommen. Beim Kasseler Trickfilmstudio Anilab hatte er an Thomas Stellmachs Kurzfilm “Quest” mitgearbeitet. Der Film gewann 1996 einen Oscar. “Das war damals alles noch Stop Motion, aber immerhin lernte ich dabei eine 35-mm-Kamera zu führen”, blickt der Berliner zurück. Erste Brücken zwischen Bühne und Film schlug er mit einer Hospitanz am Bochumer Schauspielhaus, wo ihn Leander Haußmann mit einem Werbefilm für die “Dreigroschenoper” beauftragte, und bei einer Regieassistenz bei Frank Castorf an der Berliner Volksbühne. “Dort zweigte ich dann wirklich Richtung Film ab und machte Schnittassistenz bei der Regisseurin und Kamerafrau Ute Schall, die Filme für die Volksbühne und René Pollesch produzierte”, erinnert sich Spuck. Eine enge familiäre Verbindung zur Bühne hat er über seinen Bruder, den bekannten Tänzer und Choreografen Christian Spuck, Ballettdirektor am Opernhaus Zürich. Immer wieder führen gemeinsame Film-Bühnen-Projekte die beiden Brüder zusammen.

Mit anderen Film- und Medienschaffenden hat Spuck die Firma Achtfeld gegründet und mit “bestefreunde” (Regie: Jonas Grosch, Carlos Val, DE 2014) hat das Achtfeld-Team gerade einen gemeinsamen Film in die Kinos gebracht. “Achtfeld-Geschäftsführerin Diana Matous hat den Schnitt, ich habe Steadicam und Grading gemacht und die Achtfeld ist gleichzeitig Co-Produzent bei “bestefreunde” “, berichtet Spuck. Gegen die starke Konkurrenz am Medien standort Berlin versucht sich die kleine Firma mit ihren sechs Festangestellten durch Synergien zu behaupten. “Wir arbeiten in einem Verbund und haben zum Beispiel einen 3D-Animator, eine Werbefilm-Firma und das Redaktionsbüro 11Film, das auch das 11mm- Fußball-Filmfestival organisiert, mit im Haus”, beschreibt Spuck die Firmenphilosophie. Neben der Firma übernimmt er aber auch immer wieder als Freelancer-Projekte, die ihn interessieren. So etwa auch die Steadicam-Arbeit bei “Frauensee” von Zoltan Paul, ein Film der komplett so gedreht wurde (DE 2012).

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bestefreunde (hier mit Katharina Wackernagel, Sebastian Schwarz, Tina Amon Amonsen und Niels Bormann, v.l.n.r.), Fabian Spuck machte bei diesem Film auch die Farbkorrektur (Bild: Achtfeld/nh)

Spucks Passion für die Steadicam wurde erst relativ spät geweckt. “Bei Andreas Morels Ballettfilm “Penelope” habe ich den Schnitt gemacht und dabei den DoP und Steadicam Operaotor Florian Emmerich in Aktion gesehen. Das hat mich total fasziniert”, schwärmt der Berliner Kameramann.

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Frauensee mit Constanze Waechter und Therese Hämer (r.) (Bild: Salzgeber Medien/nh)

Hat Steadicam gerade Hochkonjunktur? Mit “Birdman” und “Victoria” machten in den letzten Jahren zwei Produktionen Furore, die Steadicam und Plansequenzen exzessiv einsetzen. Zudem bekommt man als Kinogänger den Eindruck, dass auch im Mainstream-Kino immer öfter auch ganz konventionelle Dialogszenen aus der Hand gefilmt werden. Kann der Steadicam-Experte das bestätigen? Jetzt muss Fabian Spuck etwas ausholen: “Ganz generell verändert sich die Bildsprache, selbst im Mainstream-Kino. Bei effektlastigen Blockbustern zum Beispiel werden komplexe Effektschüsse mit der Hand kamera umgesetzt. Das kaschiert den Einsatz des Effektes und macht die Illusion perfekt.”

Er selbst hat beobachtet, dass immer öfter – oft pro forma – eine Steadicam mit am Set ist. Das hänge vielleicht auch damit zusammen, dass die Zahl der Technikanbieter, die zu Kampfpreisen anbieten, gestiegen sei. Bei der Steadicam-Community habe das aber zu der Sorge geführt, dass Steadicam beliebiger eingesetzt werden könnte – auch von weniger kompetenten Leuten. “Sie sollte aber immer eine erzählerische Motivation haben”, fordert Fabian Spuck.

Und welches sind für Sie die ganz praktischen Herausforderungen eines Steadicam- Einsatzes – drinnen und draußen? Draußen, sagt Fabian Spuck, werde zwar oft nicht geleuchtet, gleichzeitig habe man aber mit Widrigkeiten, wie zum Beispiel dem Wind oder Bodenbeschaffenheiten, zu tun. “Es muss also ein Windblocker oder Spotter mitlaufen”, erklärt der Berliner. Innen dagegen müsse man Licht setzen, wolle aber keine Stative im Weg und im Bild haben. 360-Grad-Bewegungen müsse man von oben ausleuchten, dürfe keine Schatten werfen. Nach kurzem Nachdenken bilanziert er: “Geleuchtet und innen ist vielleicht anspruchsvoller. Aber es gibt auch draußen komplexe Setups.”

Warum reizt ihn die oft anstrengende Arbeit mit Steadicam? “Weil sie so physisch ist, ich mich gerne sportlich betätige und mich die körperliche Herausforderung reizt”, antwortet er hier. Bei der Arbeit an “Solo Finale” von Ingo Putze (siehe dazu unsere Ausgabe 4/2015, S.48f ) etwa habe er eine sehr anspruchsvolle Choreografie der belgischen Tänzerin Eva Dewaele zu filmen gehabt. “Diese acht Takes waren wirklich herausfordernd. Wir haben uns einen echten battle’ geliefert”, grinst er.

Arbeitet ein Operator an der Steadicam selbständiger als bei vorher festgelegten Aufnahmen? Hat er mehr Freiheiten? Das will Spuck so nicht bestätigen. Letztlich hänge das vom DoP ab. Es gebe immer klare Abreden bei Plansequenzen, vor allem im Hinblick auf das Timing. Zudem müsse man immer in Wechselwirkung mit dem Schauspieler agieren. “Aber bei einer gelungenen Plansequenz spürt man das nicht, es wirkt dann völlig organisch”, schwärmt er und ergänzt nach einer kleinen Pause grinsend: “Ich persönlich fühle mich an der Steadicam wohler – meine Focus Puller dagegen sind eher genervt von mir, wenn ich mich nicht an Abmachungen halte”. [3398]

www.achtfeld.de

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