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Mindeststandards für EB-Tonleute

Bessere Vergütung: Offener Brief von Kölner EB-Tontechnikern

Das Thema ist allgegenwärtig: Der Kampf um faire Bezahlung in der Filmbranche. Die Berufsverbände wie BVK, BVFK und BFS versuchen das Bewusstsein für die eigene Leistung der Filmschaffenden zu stärken (wir berichteten). Ver.di verhandelt gerade für bessere Arbeitsbedingungen und angemessene Vergütung (wir berichteten). Nun setzen sich über 100 Kölner EB-Tontechnikerinnen und Tontechniker mit einem Offenen Brief für faire Bezahlung für EB-Tonleute ein.

Foto: PRA/Wikipedia CC BY-SA 3.0
Foto: PRA/Wikipedia Lizenz: CC BY-SA 3.0

In dem offenen Brief wenden sich die Sound Engineers NRW an alle Sender, Produktionsfirmen, Produktionsdienstleister, Produzenten, Produktionsleiter und Kameraleute sowie die, die eine Ausbildung als Mediengestalter Bild & Ton anstreben oder gerade dabei sind. Grundsätzlich fordern sie Mindeststandards, die es den Tonleuten ermöglicht, von Ihrem Beruf zu leben.

Die Organisatoren rechnen vor, wie sie zu diesen Mindeststandards kommen und schaffen so, wie auch der BVFK im kürzlich hier erschienenen Artikel, den Weg dorthin transparent. Damit Sie sich selbst ein Bild verschaffen können, haben wir den kompletten, Offenen Brief im Wortlaut hier für Sie:

“Dieser offene Brief richtet sich an alle Sender, Produktionsfirmen, Produktionsdienstleister, Produzenten, Produktionsleiter und Kameraleute, außerdem an diejenigen, die gerade darüber nachdenken, die Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton zu ergreifen, sie bereits ergriffen oder schon beendet haben. Angesprochen sind auch alle EB-Tontechniker in Deutschland, die noch nicht Teil unseres Netzwerks sind.

Seit einigen Jahren beobachten wir Kölner EB-Tontechniker, dass die produktionsbedingten Anforderungen ständig steigen; insbesondere in Bezug auf Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen – und das bei sinkender Vergütung. Der Aufgabenbereich eines EB-Tontechnikers hat sich deutlich erweitert. Beispielsweise ist die Anzahl der durchschnittlich verwendeten Funkstrecken stark gestiegen. Darüber hinaus werden Ton mit teils versteckter Mikrofonierung, Kameraassistenz, evtl. auch das Bedienen von GoPros und zweiter Kamera, sowie Timecodeverkoppelung als selbstverständlich angesehen. Teilweise ist die Tontasche inzwischen schwerer als die Kamera. Gleichzeitig gewinnen wir den Eindruck, dass diese Zunahme an Anforderungen nicht gesehen und dementsprechend auch nicht berücksichtigt wird.

Die Vergütung ist in den letzten 20 Jahren kaum gestiegen; vielmehr ist sie teilweise gar gesunken. 1997 waren 350 DM ein durchschnittlicher Tagessatz für einen Tontechniker mit max. 2 Funken. Inflationsbereinigt sind das heute 236,91 Euro.

Der Versuch, unternehmerisches Risiko auf freie Mitarbeiter zu übertragen, und die Kreativität mancher Produktionsleiter, neue kostensparende Regeln für den Ablauf von Dreharbeiten zu ersinnen, wie z.B. die Selbstbeteiligung bei Mietwagen oder die Anreise als Freizeit zu verbuchen, machen eine Klarstellung unsererseits in Form von Mindeststandards erforderlich.

Wir möchten Sie − unsere teils langjährigen Kunden − dafür gewinnen, sich mit uns zusammen für den guten Ton Ihrer Filmproduktion einzusetzen. Das bedeutet, sich auch über Arbeitsbedingungen und entsprechende Entlohnungen zu verständigen.

Damit weiterhin genügend qualifizierte und motivierte EB-Tontechniker für Sie zur Verfügung stehen, setzt sich das Kölner EB-Tontechniker-Netzwerk ab dem 1. März 2018 für folgende Mindeststandards ein:

Drehtag
Ein Drehtag hat maximal 10 Stunden und wird mit mindestens 200 Euro berechnet.

Überstunden
Jede weitere angefangene Stunde wird als Überstunde betrachtet und mit einem Zehntel der Tagesgage zuzüglich eines Zuschlages von 25 % berechnet (mind. 25 Euro).
Ab der 3. Überstunde beträgt der Zuschlag 50 % (mind. 30 Euro).

Beginn / Ende
Ein Drehtag beginnt bei ortsansässigen Produktionsfirmen ab Treffpunkt in der Produktion, spätestens aber mit dem Prüfen / Packen des Equipments. Er endet nach Versorgen des Equipments in der Produktion oder auf dem Hotelzimmer. Bei Produktionen außerhalb Kölns gehören die Anfahrt zum Treffpunkt und die Rückfahrt zur Arbeitszeit. Reisezeiten an Drehtagen sind Arbeitszeit für alle Mitarbeiter, nicht nur den Fahrer.

Pausenzeiten
Innerhalb eines Drehtages mit 10 Stunden ist eine Pause von mindestens 45 Minuten enthalten. Diese gehört zur Arbeitszeit. 30 Minuten davon müssen am Stück abgehalten werden. Wird die Pausenzeit unterschritten, wird eine Überstunde extra berechnet.

1/2 Drehtage
Unter der Voraussetzung, dass ein halber Drehtag im Vorfeld (nicht am Drehtag) angefragt wird und dieser die Zeit von 4 Stunden inklusive An- und Abreise, inklusive des Versorgens des Equipments nicht überschreitet, wird dieser mit mind. 75 % der Tagesgage berechnet (nach Ablauf der 4 Stunden werden 100 % berechnet). Dauert der Drehtag länger als 4 Stunden, resultiert daraus keine Bereitschaft für die Dauer des üblichen 10 Stunden-Drehtages.

Reisetage
Ein Reisetag mit bis zu 5 Stunden Anfahrt wird mit mindestens 50 % Tagesgage berechnet, ein Reisetag mit über 5 Stunden mit mindestens 75 %. An Reisetagen dreht die Kamera nicht.

Recording / Einsatz von mehr als 4 Funkstrecken
Ist der EB-Tontechniker für das Handling von mehr als 4 Funkstrecken oder für das Kameraunabängige Aufzeichnen verantwortlich, wird eine Mindestgage von 240 € / 10 Stunden berechnet.

Absage von Drehtagen
Erfolgt die Absage eines geplanten Drehtages nicht mindestens 24 Stunden vor Drehbeginn, so wird der Drehtag in voller Höhe berechnet.

Schäden
Muss ein EB-Tontechniker einen Produktionswagen steuern, beträgt seine Selbstbeteiligung an nicht vorsätzlich herbeigeführten Schäden 0 €. Für nicht vorsätzlich herbeigeführte Schäden am Equipment beträgt die Selbstbeteiligung ebenfalls 0 €.

Wir möchten Ihnen als unseren Kunden die Möglichkeit geben, sich auf die geforderten Gagen und Bedingungen einzustellen. Deswegen haben wir eine Übergangszeit bis zum 28. Februar 2018 eingerichtet. Die Mitglieder unseres Netzwerkes sind ab 01. März 2018 nicht mehr bereit, unterhalb der oben geforderten Standards für Aufträge zur Verfügung zu stehen.

Wir Kölner EB-Tontechniker lieben unseren Beruf, weil er spontan, abwechslungsreich und spannend ist, weil wir guten Ton lieben und können, weil wir uns für alles interessieren, was mit Kamera und Technik zu tun hat und weil wir die Arbeit mit Menschen kennen und schätzen. Gerne bringen wir uns voll ein, wenn Sie das wünschen. Wir begreifen unsere Arbeit nicht als ungeliebtes Sprungbrett zum Kameramann oder Redakteur, sondern machen sie mit Leib und Seele.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Sie Ihre Projekte weiterhin mit hochqualifizierten und motivierten EB-Tontechnikern umsetzen können. Helfen Sie uns, zukünftig von unserem Beruf leben zu können.”

Das Kölner EB-Tontechniker-Netzwerk

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. “…mindestens 200€ auf Rechnung” !?. Ist das überhaupt erlaubt? Was bleibt denn davon nach Versicherungen, Steuern und Berufsgenossenschaft noch übrig?

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  2. Lieber Sebastian, das fragt man sich zu Recht, aber die Wirklichkeit in Köln ist noch viel schlimmer. Die CNC welche eine 100 % Tochter der RTL Mediengruppe ist zahlt zum Teil ihren Assistenten eine Gage von 120 Euro am Tag und noch darunter wie ich hörte. 200 € für 10 Stunden klingt wenig aber es geht noch viel viel schlimmer. Wenn es gelingt 200€ auf 10 Stunden als Preis zu etablieren wäre schön viel gewonnen.

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  3. Die Vergütung in der Fernsehbranche ist für uns Freelancer katastrophal – der Aufruf der Kölner Kollegen betrifft uns ebenso. Auch wir in Thüringen fordern eine faire Bezahlung von der wir uns und unsere Familien ernähren können. Hier gehen die Kameraleute für 200-220€ für 8h bei voller Urheberrechtsabtretung arbeiten – Techniker bekommen 160€.
    Ich fordere von den Sendern eine feste Honoraruntergrenze für Kameraleute und Tontechniker in ihren Rahmenverträgen an die Produzenten und diese sollte die Leistung, die Urheberrechtesabtretung und das Risiko der Selbstständigkeit beinhalten.
    Ich finde, das das die gesellschaftliche Pflicht der Sender ist, wenn man mit Gebührengeldern umgeht. Fair und gerecht für die Menschen der Region.

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  4. Die Vergütung in der Fernsehbranche ist für uns Freelancer katastrophal – der Aufruf der Kölner Kollegen betrifft uns ebenso. Auch wir in Thüringen fordern eine faire Bezahlung von der wir uns und unsere Familien ernähren können.
    Ich fordere von den Sendern eine transparente, jährlich angepasste, feste Honoraruntergrenze für Kameraleute, Editoren und Tontechniker in ihren Rahmenverträgen an alle Produzenten und Dienstleister und diese sollte die Leistung, die Urheberrechtesabtretung und das Risiko der Selbstständigkeit beinhalten.
    Ich finde, das das die gesellschaftliche Pflicht der Sender – Fair und gerecht für die Menschen der Region.

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    1. Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, dass ihr alle Scheinselbständig seid… und euere Auftraggeber sich nur die Sozialabgaben sparen wollen.

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      1. Scheinselbständig wenn ich weisungsgebunden handel – das ja. Jedoch bin ich Unternehmer- dann erst Tontechniker

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  5. Das betrifft leider das gesamte Bundesgebiet -.-. Egal mit wem ich darüber ins Gespräch komme, alle sehen nur noch eine Tendenz nach unten. Die Situation scheint überall nicht besser zu werden, im Gegenteil.
    Es scheint das dass Dilemma, welches seit längerem andere Branchen belastet, endgültig auch bei uns angekommen ist.
    Geht das so weiter wird auch hier nur noch verramscht und Quantität über Qualität gestellt.

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  6. Moin, die guten, erfahrenen Kollegen, die ich kenne, suchen und finden schon lange Alternativen. Wir kämpfen hier im Norden auch schon ewig. Es gibt eine Lösung. Die ist nicht ausreichend und erfüllt nicht die Ziele, die wir hatten. Solange die Gehälter der Freien nicht parallel zu den Tariferhöhungen der Festen steigen macht das nicht viel Sinn. Leider hat gerade die Entwicklung des Berufs Mediengestalter zu diesen Umständen geführt. Die Unternehmen bilden nicht nach Bedarf aus. Ich habe “irgendwas ohne Medien” gefunden.

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  7. Große Firmen im Rhein/Main Gebiet wie Westend oder ACAM zahlen am Tag nur 150,00 €. Das ZDF in Mainz zahlt bei 110 Tage freien Mitarbeitern 152,00 € (Std.)und die Tage sind einem nicht garantiert. Der HR in Frankfurt ist der fairste Arbeitgeber bei einem Tagessatz von 200,00 € (10 Std.) Was die freien Firmen veranstalten ist mehr als Katastrophal!

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  8. Ich bin seit über 25 Jahren als Tonmann für Filmproduktionen im Dokumentarfilm tätig, Es ist doch ganz einfach, nehmt die unterbezahlten Jobs nicht an, wenn sich jeder daran hält müssen die Honorare angepasst werden. Leider muss auch ich immer wieder feststellen, dass wenn ich ein Honorar für ein bestimmtes Projekt verlange, dass einige Kollegen dies sofort erheblich unterbieten und so den Produktionsfirmen zuspielen. Nun kann ich noch von der glücklichen Lage profitieren, dass viele Auftraggeber wahrscheinlich meine Arbeit und Wissen schätzen und dann auf meine Forderung annähernd eingehen, aber wer weis wie lange noch. Ich kann sehr gut verstehen, dass bei der Vielzahl von Tonleuten in ganz Deutschland es die Produktionsfirmen sehr leicht haben billige Arbeitskräfte zufinden und wenn man nicht mitmacht keinen Job bekommt. Ich rate immer jeden jungen Kollegen, überlege dir was du an Honorar verlangst, denn das hängt dir für immer an. In den jetzigen Zeiten wo Tonarbeit eh als lästiges Muss behandelt wird, ist kaum jemand bereit noch Geld dafür zubezahlen. Hier fehlt einfach die Achtung vor dem Beruf und wie oft sind die Tonjobs mit weiteren Tätigkeiten verbunden, ob das Teamfahrer, Kameraassistententätigkeiten, Drohnenpilot, Gimbaloperator oder 2. Kameraführung betrifft. Somit haben die Produktionsfirmen noch einen weiteren Geldwerten Vorteil und ich frage mich manchmal, ist man nicht selbst Schuld wenn man immer zu allen ja sagt. Leider haben die Berufsverbände keine Macht was daran zu ändern und ich sehe da nur die Chance durch die Betroffenen selbst was daran zu ändern. Ich glaube, dass es in der nahen Zukunft nicht mehr möglich sein wird als freier Tonmann davon zu leben oder gar eine Familie zu ernähren. Man sollte sich nur die Entwicklung bei Bildgestaltenen Berufen ansehen, hier ist es ganz deutlich schon vorhanden, nur können die Kollegen durch die etwas besseren Honorare bissl länger durchhalten. Ich mache meinen Job sehr gern, aber wenn ich davon nicht mehr leben kann, würde auch ich mir was anderes suchen. Nur ist das bei mir nicht mehr so einfach und ich glaube trotz der vielen Filme die ich gemacht habe, ich würde mich nicht nochmal für dieses Beruf entscheiden. In all den Jahren die ständigen Hoch und Tiefs bei den Jobs, die nicht bezahlten Ausfälle, lange unbezahlte Drehzeiten, kein Privatleben, die nicht bezahlen Rechnungen, die ständigen nervigen Honorarverhandlungen und keine Wertschätzung der geleisteten Arbeit. Keine richtige Rentenabsicherung, Krankenversicherung, Sozialabsicherung und dazu das volle Risiko.
    Das sollte sich jeder bestens überlegen, besser wir es so einfach jedenfalls nicht mehr.
    Ton läuft und Danke

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  9. und ???? was hat sich ergeben??, arbeiten alle wieder zu den alten Preisen??? oder gab es Reaktionen, man würde sich über Informationen freuen, eine schöne Woche miteinander

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    1. Schade das es kein Feedback gibt! Nun könnte man glauben, wer bellt beisst nicht, oder mit großer Kanone nicht getroffen??? Eigentlich verursacht das mehr Schaden und somit ist es für die Betroffenen nicht hilfreich und sollte es doch paar Reaktionen geben, dann teilt sie doch! Eine schöne Woche!

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  10. Der SWR schafft gerade die EB Tonleute ab, das muß jetzt der Kameramann übernehmen.Weil die Technik sich verbessert hat, brauch man diese nicht mehr, außerdem merkt der “dumme” Zuschauer eh nichts.
    Aber Hightec Studios für Millionen….

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    1. Beim WDR sieht es gerade genauso aus, wobei die ignorante Art und Weise der Obrigkeit, die Kommunikation mit den betroffenen (festangestellten) Kamerakollegen schlichtweg auszuklammern, schon zu einigen Warnstreiks geführt hat, während derer gar nichts mehr lief und aus der Dose gesendet werden musste. Man möge gespannt sein, wohin das noch führt.

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