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Werbefilm-Regisseur Jan Brockmann im Gespräch

Formate und Intuition

DoP Jan Brockmann arbeitet bei Werbedrehs oft mit ungewöhnlichen Bildformaten. Gerdt Rohrbach ging im Gespräch mit ihm in unserer Ausgabe 3.2021 der Motivation dazu auf den Grund.

Ich hätte deine Filme beim ersten Sehen gar nicht als Werbefilme wahrgenommen, obwohl du dich ja ausdrücklich als Regisseur von Werbefilmen verstehst.
Tja, da gibt es sone und solche, wie wir in Norddeutschland sagen. Und da gibt es zum einen diese klassischen Spots, die wir im Werbefernsehen sehen, die 30-Sekünder, die kreativ gesehen selten sehr reizvoll sind. Es sind dennoch dankbare, solide Projekte, Butter- und Brotaufträge. Ich verstehe mich hier als Kreativdienstleister. Aber dann gibt es jene Projekte, die zwar auch einen kommerziellen Hintergrund haben, die in sich aber sehr viel Kreativität zulassen.

Dazu gehört zum Beispiel das von der Süddeutschen Zeitung und dem Land Thüringen in Auftrag gegebene „Zughafen“-Projekt. So etwas reizt mich, weil man auf dem weiten Feld der Werbung hier etwas machen kann, obwohl es auch hier einen Auftraggeber mit einem bestimmten Zweck gibt. Es geht bei diesem Thüringen-Projekt nicht um die Städte mit ihren Sehenswürdigkeiten, sondern darum, was für Menschen dort leben. Wie machen diese Bewohner das Land aus und wie machen sie dieses Land auch schön? Das macht diese Aufträge für mich interessant.

Das gilt auch für Industriefilme. Die bekanntesten Beispiele zeigen dann aber etwa einen Metallbaubetrieb, von dem ein Sprecher berichtet, wie viele Mitarbeiter er hat und welche Maschinen eingesetzt werden. Aber dann gibt es auch in diesem Metier Aufträge, bei denen man Bilderwelten kreieren kann, die sinngemäß für den Spirit, die Werte dieser Firma stehen. Man versucht hierbei also mehr zu erschaffen, als bloß zu zeigen. Dies unterstellt, dass man diese Werte auch teilt.

Das Zughafen-Projekt habt ihr in 16:9 gedreht. Das ist nicht ungewöhnlich, aber du setzt ja die unterschiedlichsten Formate ein. Wie triffst du hier die Entscheidung?
Auch wenn die Wahl des Seitenverhältnisses vorab schon bewusst überlegt ist, so ist der Weg dahin, warum ich beispielsweise ein bestimmtes Seitenverhältnis präferiere, oft erst mal unterbewusst. Die jeweiligen Seitenverhältnisse haben auch immer einen Einfluss auf die Bilder, die sie rahmen. Ich persönlich mag es beispielsweise, mit einem Cinemascope-Seitenverhältnis Menschen sich in ihrer Umgebung verlieren zu lassen. Auf der anderen Seite finde ich ein 4:3-Seitenverhältnis in vielen Fällen sehr schön und passend für Nahaufnahmen von Gesichtern. Bei einem anderen Projekt wussten wir schon vorab, dass wir es im Format 4:3 drehen werden.

Warum?
Drehort war ein Studio und vor der Kamera agierten Personen. Warum hätten wir dann rechts und links von ihnen noch Raum für das Umfeld gebraucht? Dieses Format ist nach oben hin offen und hat meiner Meinung nach den Gesichtern viel besser geschmeichelt in diesem Moment.

Den Film über Nadja Auermann für die Zeitschrift Tush kadrierte Brockmann im Seitenverhältnis 1:1.

Für deinem Film über Nadja Auermann für die Zeitschrift Tush hast du das Format 1:1 gewählt.
Der kreative Grund waren unsere Überlegungen, was zu einem Menschen unter den Formaten am besten passt. Ein rechteckiges Format würde mehr zum Körper passen, ein quadratisches Format eher zu einem Gesicht. Es hebt das Gesicht heraus und fokussiert die Konzentration des Zuschauers eben darauf, und – das ergab sich auch aus dieser Situation – bisherige Fotografien wurden von ihr auch im 1:1-Format gehalten. Darüber wollten wir ganz bewusst eine Verbindung zu dem Heft herstellen, in dem sie auch in diesem Format fotografiert wurde. Ich bin ein großer Fan von „Form follows function“. Da es heutzutage sehr verschiedene Endgeräte gibt, mit denen Filme gesehen werden können, muss ich in der Wahl der Formate auch flexibel bleiben.

Die Gründe im Fall von Nadja Auermann waren aber sowohl kreativer als auch logistischer Art. Wir hatten am Set kaum Umgebung, und dann wussten wir nur, weil der Auftrag sehr kurzfristig angenommen wurde, was sie an dem Tag an Kleidern tragen würde. Wir wussten auch, dass wir mit ihr nicht irgendwohin fahren können, sondern dass wir im Fotostudio drehen mussten. Die finanziellen Möglichkeiten waren auch sehr begrenzt.

Du wechselst ja auch innerhalb eines Films die Formate. In deiner Arbeit über F. C. Gundlach beginnt der Film ja in einem breiteren Seitenverhältnis als Cinemascope, am Ende ist das Format, als Gundlach in die Kamera spricht, 4:3.

Das ist in der Tat sogar ein Hochkantformat, wobei es angesichts der dunklen Umgebung auch als 4:3 wahrgenommen werden kann. Ich springe in den Formaten ganz bewusst. Zu Beginn wollte ich auch durch das breite Format eine Art Vorhang aufziehen, vielleicht den Vorhang des Lebens. Es beginnt eine Geschichte, die sich vor uns ausbreitet. Das hatte ich aber erst im Schnitt so gefunden. Das Ende war hingegen von vornherein so beabsichtigt, weil wir fanden, dass das Hochformat gut zu Gesichtern passt und weil wir ihn wie eine gegenübersitzende Person, unmittelbar vor uns abbilden wollten. [14209]


Sie möchten mehr erfahren? Das komplette Interview mit Jan Brockmann finden Sie hier!


 

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