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DJI Ronin-SC und Zhiyun WEEBILL-S im Praxistest

Bewegung auf Augenhöhe

Was können die neuen Leicht-Gimbals? Unser Tester Mark Zdunnek hat den DJI Ronin SC und den Zhiyun in Ausgabe 6.2020 WEEBILL-S ausprobiert.

Fotos: Mark Zdunnek

In den Anfangszeiten des Bewegtbildes war die Kamera aus technischen Gründen, nämlich aufgrund von Größe und Gewicht, an ein Stativ gebunden. Erst in den 1920er Jahren entwickelte sich mit kompakteren Kameras eine neue Bildsprache, in denen kontrollierte und manchmal auch „entfesselte“ Bewegung eine wichtige Rolle spielte. Heute reicht das Spektrum vom Schienendolly mit den dafür notwendigen großen Teams über kinetische Kamerastabilisierungen wie die Steadicam und große motorisierte Zwei-Hand-Gimbals bis hin zu Gimbals, die sich mit nur einer Hand bewegen lassen. Diese Kategorie ist für geringe (DJI Ronin-S, Zhiyun Crane 3) oder geringste (DJI Ronin-SC; Zhiyun WEEBILL-S) Kameragewichte ausgelegt.

So einfach und günstig wie nie zuvor lassen sich damit Aufnahmen realisieren, die früher nur schwer oder gar nicht möglich gewesen wären – vielleicht ein Segen, vielleicht ein Fluch, allem voran jedoch eine Tatsache. Daher haben wir mit dem Zhiyun WEEBILL-S und dem DJI Ronin SC zwei der am weitesten verbreiteten und hochwertigsten Leicht-Gimbals im Detail angeschaut.

Zhiyun WEEBILL-S

Die schnellen Produktzyklen in diesen Gerätekategorien sind ebenso bekannt wie die Basis-Funktionen eines Gimbals. Als Nachfolger des WEEBILL Lab wurde der ultra-kompakte und nur 926 Gramm schwere WEEBILL-S mit einem um etwa 300 Prozent verbesserten Drehmoment und einer 50 Prozent verbesserten Reaktionsfähigkeit bedacht. Hierdurch kann der Gimbal nun noch schwerere Kamera-Sets mit maximal 3 Kilogramm Zuladung tragen. Zu den möglichen Kamera-Kandidaten zählen etwa die Panasonic S1, GH5, GH5S, Sony A7III, Canon 5D Mark IV oder die Canon R5. Dabei dürfen die Objektive ruhig etwas größer ausfallen. Eine Option wäre zum Beispiel das Canon EF 24-70 mm mit 805 Gramm.

Nach den Gimbals der ersten Stunde, die neben drei Achsen mit Motoren zum Ausgleich der Kamera nur wenige technologische Features aufwiesen und nur proprietäre Software nutzen konnten, sind im Gimbal-Segment längst die interaktive Verknüpfung der Geräte zum Standard und technische Spezialfunktionen zu wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen geworden.

Der Zhiyun WEEBILL-S tariert sich selbsttätig aus und verfügt über eine intelligente Gewichtserkennung mit Kopplung an die Motorsteuerung.

So bietet Zhiyun automatische Tarierungs-Eigenschaften einschließlich einer intelligenten Gewichtserkennung mit Kopplung an die Motorsteuerung. Außerdem gibt es das Bildübertragungsmodul TransMount mit ungefähr 100 Metern Reichweite und das ViaTouch 2.0 Ökosystem, das es bei unterstützten Kameramodellen ermöglicht, ein Smartphone als Monitor und Fernsteuerung einzusetzen. Zusätzlich kann mit SmartFollow 2.0 eine Person oder ein Objekt im Bild erkannt und automatisch verfolgt werden.

Darüber hinaus können die Sensoren des Smartphones in der Zhiyun App ebenfalls genutzt werden, um die Achsenbewegung des Gimbals über Sync Motion direkt in Echtzeit zu steuern. Dieses Feature war zuvor nur bei wesentlich teureren Systemen wie dem Freefly Mimic zu haben. Um die Variabilität und Einsatzmöglichkeiten zusätzlich zu erweitern, wird der mit Abmessungen von 29,8 × 19,0 × 14,0 Zentimetern sehr kompakte WEEBILL-S mit einem kleinen Tisch-Stativ ausgeliefert, das alternativ als Handgriff am unteren oder für überhängende Aufnahmen am rückwärtigen Ende genutzt werden kann. Außerdem gibt es in Ergänzung zum TransMount-System eine Servo- Zoom- und Fokus-Kontrolleinheit. Diese kabellose Fernsteuerung verfügt über einen eingebauten Bewegungssensor, der die Bewegungen der Achsen mit hoher Genauigkeit erfasst und in Echtzeit überträgt.

Der Aufbau einschließlich Tarierung ist sehr intuitiv gestaltet, so dass der WEEBILL-S schnell einsatzfähig ist. Auch der Abbau auf ultra-kompakte Transportgröße geht angenehm schnell. Im Betrieb überzeugen die akkurate Nachführung, die dynamische Beweglichkeit der Achsen und die damit verbundene Tragkraft. Der Gimbal selbst ist so leicht, dass man zunächst Sorgen hat, ob er mit größeren Kameras und Gewichten zurecht kommt und sich frei, schnell und agil einsetzen lässt, ohne dass die Motoren an ihre Grenze kämen. Doch das ist unbegründet, denn die Traglast ist enorm, so dass die beschränkenden Faktoren eher die physischen Abstände bei der Kamerahalterung sind.

Ein wesentlicher Faktor im Handling ist die Frage nach einem dauerhaften Einsatz unter höheren Belastungen. Hier ist die hervorragende Akku-Laufzeit von bis zu 14 Stunden so lang, dass eine empirische Messung dieses Werts in der Praxis kaum Sinn ergibt. Der einfache Akkuwechsel, der den Betrieb nur für kurze Zeit unterbricht und die Belastbarkeit von Akkus und Motoren sind insgesamt sehr positiv aufgefallen.

DJI Ronin-SC

Genau wie der Zhiyun WEEBILL-S ist der Ronin-SC ein Drei- Achsen-Einhand-Gimbal. Das Eigengewicht von ungefähr einem Kilogramm bei doppelt so schweren maximalen Zuladung hebt ihn somit deutlich von dem 1,86 Kilogramm schweren und größeren Ronin-S ab. Während der WEEBILL-S mit günstigen wechselbaren Standardakkus vom Typ 18650 betrieben wird, greift DJI wie üblich auf proprietäre Batterien zurück und hat so den Gimbal mit einer Betriebszeit von bis zu elf Stunden ausgestattet – also jenseits der Länge eines realistischen einhändigen Tageseinsatzes. Auch dieser Gimbal lässt sich schnell auf- und abbauen. Die Tage aufwendigen Kalibrierens, wiederholter Firmware-Updates, um einen normalen Betrieb zu ermöglichen, und überlasteter Motoren, also die Probleme von Produkten in den Kinderschuhen, scheinen hier gänzlich überwunden.

Der DJI Ronin-SC verkraftet Kameras von bis zu zwei Kilogramm Gewicht.

Digitale Koppelung und intelligente Modi sind auch beim Ronin-SC die wesentlichen Zauberworte. In der Ronin-App kann die Kamera mit Software-Unterstützung einfach ausbalanciert, aus drei Benutzerprofilen gewählt sowie die Motorenkonfiguration vorgenommen werden. Verschiedene Modi wie etwa ein mit erhöhter Reaktionsgeschwindigkeit ausgestatteter Sport-Modus und neue Funktionen wie ActiveTrack 3.0 und das an Force Pro angelehnte Force Mobile stehen hier zur Verfügung.

Wer sich kreativ austoben und Zeitlupen- oder Motion- Lapse-Aufnahmen realisieren will, dem wird dies mittels eines von mehreren weiteren intelligenten Modi stark erleichtert. Zusätzlich lassen sich im Motion-Control-Modus Bewegungspfade mit insgesamt zehn Punkten vordefinieren, eine virtuelle Fernsteuerung des fest positionierten Ronin-SC realisieren oder komplexe Automatik-Panoramen als Fotos erstellen.

Ähnlich wie SmartFollow 2.0 bei Zhiyun ist mit ActiveTrack 3.0 auch im Ronin SC eine intelligente automatische Verfolgung implementiert, die sich gerade im dynamischen Außeneinsatz bei großer oder komplexer Eigenbewegung mit Sicherheit als sehr nützlich erweisen wird. ActiveTrack ist dabei auch in ähnlicher Variante bereits aus den diversen Drohnenmodellen bekannt. Bei der Version 3.0 in diesem Gimbal hebt DJI besonders den neuen Deep-Learning- Algorithmus hervor, der im Hintergrund komplexe Berechnungen zur optimierten Verfolgung von Personen im Bild berechnet. Die Personen kann man mittels Smartphone-App frei auswählen. Das Smartphone lässt sich dazu ganz einfach im beiliegenden Blitzschuh-Halter für Smartphones einklinken und fungiert somit als externer Monitor.

Die proprietären DJI-Akkus lassen sich nur im Gimbal über die USB-C-Buchse laden.

DJI verfügt über ein komplexes Ökosystem, das auch dem Ronin-SC als Zubehörlager mit den DJI Master Wheels, einer Steuereinheit, dem bereits zuvor erwähnten Force Pro und weiteren Produkten viele Kombinationen für noch gezielter geplante künstlerische Aufnahmen zur Auswahl steht. Zu den Erweiterungen zählen auch optionale Dual-Handgriffe und andere Drittanbieter-Bauteile für eine weiter erhöhte Flexibilität des Geräts.

Fazit

Beide Geräte rangieren derzeit am oberen Ende des Spektrums bei den aktuellen leichten Einhand-Gimbals. Die Unterschiede liegen eher in persönlichen Präferenzen als in Qualitätsunterschieden in der technischen Ausführung. So ist etwa das Design eines der wesentlichen Unterscheidungskriterien. Während der Ronin-SC über eine handelsübliche Stabform verfügt, wirkt der WEEBILL-S eher kompakter, faltbarer und durch die doppelte Befestigungsmöglichkeit für den Handgriff modularer und flexibler. Da man allerdings den Ronin-SC mit nur einem Knopfdruck in der Mitte zerlegen kann, lässt sich dieser wohl noch etwas einfacher transportieren als der ansonsten kompaktere WEEBILL-S.

Die Akku-Laufzeit beider Gimbals ist beeindruckend. Ob also die proprietäre DJI-Lösung oder die Lithium 18650 Standardakkus von Zhiyun bevorzugt werden, ist vielleicht Geschmackssache. Zusätzliche Akkus für den WEEBILL-S sind aber günstiger, lassen sich anderweitig verwenden und können jederzeit separat geladen werden. Der wie bei proprietären Akkus üblich deutlich teurere Ronin-SC-Akku hingegen muss am Gimbal-Kopf befestigt sein, um ihn dort über den USB-C-Port zu laden. Der Gimbal kann also beim Laden nicht gleichzeitig genutzt werden. In der Praxis ist das aber kaum relevant, da der Akku wohl zu- meist ohnehin vor einem Dreh geladen und innerhalb eines Tages eher nicht zur Neige gehen wird.

Je nach persönlicher Präferenz oder Erfahrungen mit zuvor genutzten Geräten, wird jeder Anwender entweder die robuster, ergonomischer und taktiler wirkenden, vielleicht etwas hochwertiger verarbeiteten Tasten und den Joystick des DJI Ronin-SC bevorzugen oder die flachere und kleinere Tastenstruktur des WEEBILL-S präferieren. Der DJI Ronin-SC und der Zhiyun WEEBILL-S sind also zwei Gimbals, die in vielerlei Hinsicht miteinander auf Augenhöhe sind. [12656]

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