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Impro-Dreh fürs Kino

Einsatz von Objektiven und Formaten bei “Lasst die Alten sterben”

Gestern hatten wir pünktlich zum Kinostart den ersten Teil des Drehberichts zu Juri Steinharts Kinodebüt “Lasst die Alten sterben” aus unserer Ausgabe 10/2017 hier veröffentlicht. Hier der zweite Teil von DoP Simon Huber. 

Replay der letzten Einstellung auf dem Pick-Up.
Replay der letzten Einstellung auf dem Pick-Up. (Bild: Foto: Florian Sievi, Lomotion AG)

LICHTSTARKE OBJEKTIVE

Unsere eigenwillige Arbeitsweise bereitete mir auch in der Kamera- und Objektivwahl Kopfzerbrechen: Die ursprüngliche Idee, den Schwarz-Weiss-Look puristisch auf Super-16-mm-Film zu drehen, mussten wir schon früh verwerfen. Weder das Eastman Double-X 7222 noch das ORWO UN 54 waren empfindlich genug, um die Nachtszenen in der stromlosen Kommunen-WG im Kerzenlicht zu drehen. Also arbeiteten wir digital, und meine Wahl fiel auf zwei ARRI Amira Kameras. Es blieb jedoch nicht nur dabei. Aber dazu später.

Nun begann die Suche nach zwei leichten und lichtstarken Kompakt Zoom-Objektiven, mit einer kurzen Naheinstellungsgrenze für enge Räume und einem möglichst weiten Brennweiten-Range. Gerne hätte ich weiche Retro-Gläser eingesetzt, um den Look des Filmes zu unterstreichen. Leider blieb mein Wunsch nach zwei Canon K-35 Zooms 25-120 mm T2.8 und einem passenden Satz K35-Festbrennweiten unerfüllbar. Somit entschied ich mich für zwei zur Verfügung stehende Fujinon Cabrios 19-90 mm T2.9 in Kombination mit meinem eigenen Satz ARRI/Zeiss Ultra Primes T1.9. Obwohl beide Objektive für meinen Geschmack etwas zu hart waren, wollte ich – aufgrund unseres variablen Umgangs mit Brennweiten innerhalb der einzelnen Takes – auf den Einsatz von entsprechenden Filtern verzichten. Der intensive Tabak-Rauch und der großzügige Einsatz von Haze in der Kommunen-WG würde genügend entgegenwirken.

Movie Magic mit Getränkekasten: Das Team improvisierte viel.
Movie Magic mit Getränkekasten: Das Team improvisierte viel. (Bild: Foto: Florian Sievi, Lomotion AG)

Das knappe Herstellungsbudget von einer Million Schweizer Franken erlaubte es nicht, die für den Film wichtige Straßenschlacht mit der Polizei und den Überfall auf ein Seniorenheim auf herkömmliche Art zu inszenieren. Darum mussten wir weitere kreative Lösungsansätze und produktionsfreundliche Umsetzungsformen finden. Die enge Bindung der Bildästhetik an die Handlung sollte sich auch in einer vielfältigen und direkten Formatwahl widerspiegeln: Wir entschieden, die in der Geschichte inszenierten Aufzeichnungsmedien (8 mm, GoPro-Kameras, Handy-Kameras etc.) auch wirklich zur Bildgestaltung zu verwenden und von den jeweiligen Protagonisten führen zu lassen. Die dabei entstehende Roh- und Direktheit der Kameraführung schuf eine intensive Nähe zu den Figuren und verlieh der Handlung weitere Authentizität.

FORMATVIELFALT

Die Straßenschlacht des wütenden Pöbels, sowie der Polizeieinsatz und die daraus resultierenden brennenden Einsatzwagen wurden in einem Durchlauf inszeniert und durchgespielt, und vom wütenden Mob selbst, sowie von eigens dafür positionierten “Passanten” auf ihren Handys gefilmt. Dieses wackelige, aber authentisch anmutende Material wurde im Film dann zusätzlich mit echten Archivbildern vergangener Großdemonstrationen gemischt, und schon brannte die Stadt.

Der Sturm auf ein Seniorenheim wurde ebenfalls in einemvDurchgang inszeniert und mit Go-Pro Kameras von den Protagonisten selbst gefilmt. Bis hin zum Auftritt des polizeilichen Sonderkommandos, der darauf folgenden Verfolgungsjagd und der Flucht aus dem Seniorenheim war  die komplizierte und lange Szene in etwas mehr als einem halben Tag abgedreht.

Partyszene mit Max Hubacher als Kevin und DoP Simon Huber.
Partyszene mit Max Hubacher als Kevin und DoP Simon Huber. (Bild: Foto: Florian Sievi, Lomotion AG)

Die Formatvielfalt ging noch weiter, und so kam nebst einer Phantom Flex, einer ARRI Alexa Mini am Gimbal und an der Drohne, einer Canon EOS 5D MkIII und meiner alten Alexa Classic als C-Kamera für die Casting-Szenen auch noch eine antiquarische Super-8-Kamera und ein paar Rollen Kodak Vision T800 zum Einsatz.

Die Verwendung all dieser Technik war natürlich nur dank dem großzügigen Entgegenkommen befreundeter Partner möglich, und forderte meinem ersten Kameraassistenten Christian Anderegg und seinem Team eine ausgefeilte Planung und Logistik ab. Das gesamte Department löste die Aufgabe natürlich bravourös, und fast immer mit einem Lächeln im Gesicht! Mit Andi Widmer hatte ich einen sehr talentierten B-Kamera-Operator an meiner Seite, der meine Bildsprache schnell und präzise umzusetzen wusste. Trotzdem haben wir letztlich auch einzelne Szenen ganz herkömmlich mit einer Kamera gedreht – solang sie in einer Plansequenz durchgespielt werden konnten.

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