Wir stellen die Preisträger des 34. Deutschen Kamerapreises vor (8)
Alles ausprobieren
von Sven Kubeile,
In unserer Reihe mit den Gewinnern beim 34. Deutschen Kamerapreis führten wir Interviews mit den Preisträgern: In der Kategorie Kamera Information und Kultur wurde Lukas Wunschik ausgezeichnet.
„Cholitas, die fliegenden Frauen Boliviens“ (Foto: Lukas Wunschik)
Lukas Wunschik wurde 1985 in Kreuzburg geboren. Als Kind polnischer Einwanderer ging er nach dem Abitur auf die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und studierte Geografie. Danach schlug er eine neue Richtung ein und absolvierte als Lehrling von Chris Brauksiepe die Ausbildung zum Mediengestalter in Bild und Ton bei der „24/25 TV & Medienproduktion“. In dieser Zeit arbeitete er mit Kameramännern wie Jens Lackmann, Jan Kreutz, Jürgen Thelen und „Gigi“ Dickmeis. Seine Leidenschaft für die Kameraarbeit begründet Lukas Wunschik damit, Situationen und deren Geschichten in echten Bildern zu zeigen, die der Zuschauende fühlt. Am liebsten macht er das, bis zum Hals im Schlamm stehend mit einer offenblendigen Cineoptik à la Emmanuel Lubezki. Lukas Wunschik war an zahlreichen Produktionen beteiligt, darunter die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Sendung „Zum Schwarzwälder Hirsch“ oder „Kitchen Impossible“. Seit 2022 arbeitet er als freier Kameramann mit Sitz in Köln und konzentriert sich auf die Bereiche Dokumentation und Reportagen, mit Vorliebe im Ausland.
Herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Kamerapreis in der Kategorie Information und Kultur. Wie war das so für dich, den Preis zu bekommen? Vielen Dank! Eigentlich war ich nie auf Preise fixiert. Ich versuche immer, meine Jobs so auszuwählen, dass sie mir Spaß machen. Sicher ist das toll, eine Auszeichnung zu er- halten. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte mich nicht gefreut.
Also war es schon nicht alltäglich für dich, vor der Kamera in einem TV-Studio im WDR zu stehen? Das war überhaupt nicht alltäglich und etwas Besonderes. Vor der Kamera zu stehen ist absolut nicht mein Ding. Ich war sehr nervös und musste auch erst einmal ein Kölsch trinken, damit ich ruhiger wurde, aber dann ging es so langsam!
Was kannst du uns zu deinem Gewinnerstück „360° Reportage: Cholitas, die fliegenden Frauen Boliviens“ erzählen? Das war eine Dokumentation über die indigene Bevölkerung Boliviens, über skatende Cholitas, also Mädels auf Skateboards. Die waren alle jung und etwas verrückt und da musste man natürlich etwas hinterher sein und versuchen, sie bestmöglich einzufangen. Das ging natürlich auch nur auf Skates.
Dir war es also schnell klar, dass du die Geschichte nur erzählen kannst, wenn du dich selbst auf Inliner stellst? Als ich den Anruf von Carmen Butta bekam, war mir klar: Es gibt nur eine Möglichkeit, das zu drehen. Da muss man hinterher. Durch die andere Sprache und auch durch die Tatsache, dass dort nicht nur gut betuchte Menschen wohnen, musste ich einfach anders arbeiten. Man kann nicht einfach Geschehnisse noch mal drehen, sondern muss einfach so drehen, wie es kommt. Das war die Herausforderung bei der Nummer.
DoP auf Inline-Skates: Lukas Wunschik mit einer der Protagonistinnen (Foto: privat)
Wie bekommst du das hin, die Bilder immer im richtigen Moment einzufangen, so dass du damit zufrieden bist? Das ist natürlich immer projektbezogen, aber bei den Skatern war es so, dass ich auf Inlinern war, damit ich mehr Kontrolle über meine Bewegungen, die Kamera und auch das Bremsen hatte. Beim Skaten ist das deutlich schwerer. Ich habe das zuvor glücklicherweise schon einige Male gemacht und kann auch ganz gut Inliner fahren. Das war die einzige Möglichkeit. Denn wenn sie den Berg hinuntergefahren sind, gab es erst mal keinen Stopp. Am Ende waren sie dann auch einfach ein bis zwei Kilometer weit weg. Das hätte mit alternativen Methoden einfach zu viel Zeit und Geduld gefressen. Es ist zudem auch schlichtweg nicht passend, mit jungen 16- oder 17-jährigen Mädels einzelne Shots zu wiederholen. Wir wollten es einfach so echt wie möglich machen und wenn jemand hingefallen ist, ist sie hingefallen.
Du sagtest vor unserem Interview, du brauchst Action. Was meinst du damit und was bedeutet das für dich? Ich formuliere es mal so: Ich mag es abwechslungsreich. Ich bin noch in anderen Produktionen eingespannt und bin für Kochshows tätig. Das wäre mir auf Dauer zu eintönig und langweilig. Da ist es schon schön, ein kleines Juwel zu haben und tauchen zu gehen beziehungsweise etwas mit Pioniergeist zu gestalten. Das hebt dann meine Stimmung. Nicht, dass die anderen Shows alle schlecht sind, aber mir wird es auf Dauer zu langweilig, wenn ich nur in Töpfe hineinschaue.
Starten wir noch mal ganz vorne bei der Dokumentation. Inwieweit planst du deine Kameraarbeit im Voraus und wie sah diese Planung konkret für dieses Stück aus? Zunächst mache ich mir die Gedanken, wie bekomme ich das am Besten eingefangen. Da ist dann viel auch eine Frage der Technik. Bei einer Low-Budget-Produktion kann ich niemanden mitnehmen, der Schärfe ziehen kann, sondern benötige eine Kamera mit gutem Autofokus. Ich brauche für das Skaten gute Grips, womit ich die Kamera gut halten kann und ich muss klein und wendig sein.
Du hast dir also viel technisch überlegt oder hast du auch im Vorhinein viele Bilder überlegt? Natürlich lasse ich mich auch viel inspirieren und schaue YouTube-Videos von Red Bull und denke mir, dass ich das auch mal gerne machen würde. Dadurch ergeben sich schon gewisse Bilder, die ich unbedingt machen möchte. Es war aber auch so, dass nicht alle Sachen, die ich vorhatte, gut funktioniert haben. Eher eine Chance von 50/50, weil nicht alle Mädels auch gute Skaterinnen waren.
Du hast dich also viel spontan inspirieren lassen und drehst viel aus dem Bauch heraus, kann man das so sagen? Ja, das auf jeden Fall. Ich mag es echt, mag es realistisch, ich mag es hinterherzulaufen und dabei gute Bilder einzufangen. Ich glaube, dass auch das in Zukunft viel mehr gefragt ist, als eine Szenische Doku, weil es einfach viel echter wirkt.
Dynamisches Geschehen: Filmstill aus der preisgekrönten Dokumentation (Foto: Lukas Wunschik)
Magst du uns noch ein wenig über die Technik erzählen? Sony hatte zu dem Zeitpunkt eine neue Kamera herausgebracht. Das war zu dem Zeitpunkt die erste Kamera mit Autofokus-KI und hörte sich für mich sehr gut an. Mit der Menge an Bewegung wollte ich das gerne ausprobieren. Ich hatte zwar zu diesem Zeitpunkt noch nie mit dieser Kamera gearbeitet, aber ich bin ein echter Technikfreund und verschließe mich auch nicht davor und probiere gerne neue Technologien aus. So habe ich es versucht und es hat auch bestens funktioniert. Ich hatte die ZV E1 dabei, die im Grunde genommen der FX3 sehr ähnlich ist. Für alle Basic-Shots hatte ich die FX6 dabei und eine kleine Drohne. Das Wichtigste ist aber, dass man schöne Optiken dabeihat. Heutzutage macht jede Kamera gute Bilder. Ich hatte die SIGMA Art Optiken in den Brennweiten 20, 35 und 85 mm dabei. Zu 90 Prozent habe ich den Film auf dem 20er und dem 35er gedreht. Als Gimbal hatte ich dann nur ein DJI RS 3 dabei.
Das ist ja ein sehr wenig komplexes Setup. Ja, die Zeiten ändern sich in der Medienbranche, was Technik angeht. Wenn ich sehe, was YouTuber mit kleinen DSLM für tolle Ergebnisse raushauen, dann muss ich wirklich den Hut ziehen. Auch wenn ich fürs Fernsehen drehe, hole ich nie mehr als 20 Prozent aus den Kameras heraus, weil einfach die Voraussetzungen so niedrig sind. Man könnte da viel mehr machen, macht es aber nie. Deshalb ist es erstaunlich, was man alles aus kleinen Kameras herausholen kann. Da kann man schon Kinofilme drauf drehen. Meine absolute Lieblingskamera ist die ARRI Amira. Darauf habe ich viel gedreht und dafür auch einfach das beste Gefühl entwickelt. Das ist schon eine andere Nummer, aber die Technik ist schon über die Jahre sehr viel mehr zusammengewachsen. Ich bin ein sehr progressiver Kameramann, der gerne ausprobiert. Wenn ich es nicht ausprobiere, weiß ich auch nicht, wie gut es wirklich ist.
Was sind deine wichtigsten Learnings aus der Dokumentarwelt? Zunächst, dass es wichtig ist, Dinge auszuprobieren. Und das gilt auch für die Technik. Außerdem sollte man verstehen, dass man als Kameramann nie ausgelernt hat und ständig Neues dazulernen kann. Mehr denn je ist es auch wichtig, dass Menschen gerne mit mir zusammenarbeiten und eine gute Stimmung herrscht. Sonst kann das auch nicht funktionieren. Und was mir immer sehr weitergeholfen hat, ist, ein paar Grundbegriffe der anderen Sprache zu können. Ich versuche immer, die Basics zu können wie danke, bitte, guten Morgen und damit bekommt man schon mal einen anderen Zugang zu den Menschen, die eine andere Sprache sprechen. Fließend konnte ich mich in Bolivien nicht unterhalten. Ich hatte drei Jahre Spanisch und dadurch kann ich ein paar wenige Floskeln.
Was sind deine nächsten Projekte? Bei den Dokus ist es immer etwas schwierig vorauszuplanen. Es gibt aber ein Projekt, da möchte man mit einem alten Boot den Kongo Fluss über mehrere hundert Kilometer entlangfahren. Das wurde bisher nur einmal gefilmt und das würden wir gerne noch einmal neu starten. Das ist eines der Projekte, wo es mal eine vorsichtige Anfrage gab, aber inwieweit die stattfinden werden, kann ich nie sagen. Im Sommer hätte ich in Indonesien drehen sollen, aber da gab es dann Visa-Probleme aus politischen Gründen – da hatte ich dann einen Monat frei. Wirklich voraussagen, was ich in einem Jahr mache, kann ich nicht. [15518]