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Sky und O2 suchen neue Wege bei der Sportübertragung

Live mit 5G-Smartphones

Die Übertragung eines Bundesliga-Handballspiels nutzten Sky und O2, um parallel zur herkömmlichen HD-Produktion zwölf 5G-Smartphones für die Liveübertragung einzusetzen. Dieser Stresstest für 5G im Broadcastbereich sollte gleichzeitig die Vorteile ausloten, die eine Ergänzung der linearen Produktion mit 5G-Kameras bringen könnte.

Das Bundesliga-Handballspiel zwischen dem Heimteam SG Flensburg-Handewitt und den Gästen von Frischauf Göppingen fand zwar wenig überraschend coronabedingt ohne Zuschauer auf den Rängen statt, wurde aber immerhin von Sky live übertragen. Der Broadcaster nutzte das Sportevent unter der Leitung der Sky-Produktionsleiter Aegidius Mair und Rüdiger König gemeinsam mit dem Dienstleister rt1.tv mit technischem Leiter Michael Jaworski dazu, im Rahmen des Host Broadcastings einen World Feed und ein unilaterales Sky-Signal mit Einbindung von zwölf 5G-Smartphones zu realisieren. Die etwa 20-köpfige TV-Crew bestand zur Hälfte aus Kameraleuten und Technikern, das übrige Personal war mit Redaktion, Produktion und Regie beschäftigt.

Technische Ausstattung

Das Videosignal wurde in HD 1080i produziert, für Replays und Slow Motion standen eine EVS XT3 ChannelMAX mit zwölf Kanälen und vier Controllern zur Verfügung. Die Mikrofonierung für den Stereoton für Reporter am Spielfeldrand und deren Gästen sowie für Aufnahmen von Gesprächen der Mannschaften während der Auszeiten wurden mit Shure ULXD2-Mikrofonen, bestehend aus digitalen Handsendern der ULX-D Wireless Serie mit Beta 87A Mikrofonkopf, realisiert. Als kabelgebundene Backups standen Sennheiser MD-46-Reporter-Mikrofone bereit und das drahtlose In-Ear-Monitoring erfolgte mit Shure PSM. Für die Atmo kamen am Spielfeld in der Halle und an den Kameras 10 Mikrofone, unter anderem Audio-Technica Richtrohr-Mikrofone, zum Einsatz. Der Kommentatorplatz für den Reporter und Experten waren mit einer Riedel CCP Doppelkommentatoren-Einheit und zwei Sennheiser HMD26-II-600 Headsets bestückt. Die Kommunikation des Personals erfolgte über ein Riedel Artist 128 System und das drahtlose Intercom-System Bolero. Das in der Bildregie vom SNG Ü-Wagen HD7 mit einem Bildmischer 3 ME Grass Valley Karrera entstandene Be- wegtbild und der in der Tonregie am Lawo-MC256-Tonmischpult produzierte Sound gelangten über zwei Sendewege per Glasfaserleitung aus Flensburg zur Sky-Sendeabwicklung ins bayerische Unterföhring. Auf der Sky-Plattform wurden die Bild- und Tonsignale für die lineare Verbreitung auf den Sportsendern zur Verfügung gestellt.

Mehraufwand für 5G-Stream

Der parallel zur herkömmlichen HD-Produktion stattfindende Einsatz der 5G-fähigen Smartphones Galaxy Note20 Ultra von Samsung bedeutete einen beträchtlichen Aufwand für den Broadcaster Sky, aber auch den Mobilfunknetzbetreiber O2. da das 5G-Netz noch nicht flächendeckend verfügbar ist, musste O2 zunächst einmal eine örtliche 5G-Mobilfunkzelle und die nötige Infrastruktur in der Arena samt einer Richtfunkantenne auf dem Dach einrichten. Die Empfangsantenne wurde auf einem Hochhaus in Flensburg installiert und das Signal von dort in das Core-Netz von O2 eingespeist. Via Internet gelangten die Signale zurück zum Ü-Wagen-Stellplatz an der Arena. Dort wurde der Stream der zwölf Samsung Galaxy Note20 Ultra 5G Smartphones in 12 HD-SDI-Signale decodiert. Dabei kamen drei Decoder von LiveU für jeweils vier Eingangssignale zum Einsatz.

Kamerakollege mit im Bild: Die Smartphones schaffen hauptsächlich totale Einstellungen.

Jedes der zwölf 5G-Smartphones konnte jeweils mit einer Bandbreite von 9 Mbit/s senden, die gesamte verfügbare Bandbreite lag bei etwa 150 Mbit/s. Die Kamera der Galaxy Note20 Ultra verfügt über einen fünffachen optischen Zoom. Videoaufnahmen sind in einer maximalen Auflösung von 7.680 × 4.320 Pixeln in UHD 8K und 24 fps möglich. Mit einer Dual-SIM-Karte lassen sich sechs verschiedene 5G-Frequenzen nutzen.

Für eine verbesserte Sendesicherheit und dem Ausgleich einer möglichen Latenz des Bildsignals wurde das Audiosignal von Kommentator, Moderator und Experten über die Sennheiser-Audioanlage mit einer Verzögerung von etwa 1,5 Sekunden versehen. Bei den Schalten zu den Gästen wie etwa Auswechselspielern oder Betreuern liefen der Sendeton und die Rücktonleitung über die Smartphones, aufgenommen mit einem herkömmlichen TV-Mikrofon sowie einem iRig2-Adapter für den Anschluss eines Mikrofons und Kopfhörers an das Smartphone.

Zur Bildstabilisierung diente einerseits das bordeigene System des Samsung-Smartphones. Darüber hinaus wurden zwei Schultertragesysteme mit akkubetriebenen Kamerakopfleuchten und Powerbank für das Smartphone sowie der Einhand-Gimbal DJI OM 4 benutzt. Der faltbare Stabilisator wird zum Rollen, Schwenken nach links und rechts sowie zum Neigen nach oben und unten des Smartphones über einen Joystick mit dem Daumen der jeweils tragenden Hand bedient, womit auch die Geschwindigkeit geregelt wird. Je nach Geschicklichkeit der Kameraleute braucht es einiges an Übung und Kameraerfahrung, um das DJI OM 4 ruckelfrei zu bedienen und sich damit sicher zu bewegen. Zusätzliche vom Assistenten getragene LED-Akkuleuchten sorgten bei Gesprächen im Tribünenbereich für die erforderliche Beleuchtung der jeweiligen Szenen.

„Wir erhoffen uns durch die Nutzung von beispielsweise 5G-Smartphones weitere, nähere Perspektiven abbilden zu können, welche den Zuschauer noch dichter ans Geschehen und einen Mehrwert bringt. Aufgrund des flexiblen Kamerasystems ohne Podesterie und Kabel sowie des damit verbundenen geringeren Zeitaufwands beim Aufbau haben wir zudem weitere Möglichkeiten, spannende Bilder oder In- terviews an unterschiedlichen Positionen einzufangen. Dies ist mit herkömmlichen Broadcast-Kameras nur bedingt möglich, da die Positionen generell festgelegt sind“, so Produktionsleiter Rüdiger König.

Drei Kameras in drei Größen bei der Live-Übertragung in Flensburg

„Die besonderen Herausforderungen lagen in der Implementierung der 5G-Kameras in die lineare Produktionsumgebung sowie die gestalterische Nutzung der zusätzlichen Kameras. So war die Wandlung der Signale von progressiv auf interlaced sowie der Umgang mit den verschiedenen Laufzeiten beider Kamerasysteme aufwendig. Eine weitere Herausforderung lag bei der Realisierung des 5G-Programms unter Berücksichtigung der pandemischen Lage und der damit verbundenen Sicherheits- und Hygienebestimmungen“, erläutern die Produktionsleiter Aegidius Mair und Rüdiger König. „Durch HD-SDI-Verbindungen zwischen den Ü-Wagen der 5G- und der linearen Produktion, war es uns möglich, die Kameras zu integrieren und auch Live oder im Nachgang mit Slo-Mo und Highlights in das lineare Programmfeed einzubinden. Die 5G- Smartphone-Signale wurden im Ü-Wagen der linearen Produktion als „Fremdsignale“ ange- nommen und über einen Frame Synchronizer angetaktet. Die Annahme des Tons erfolgte separat. Für die ITVs/Schalten wurde vom Ü-Wagen der linearen Produktion eine n–1- Leitung zum Ü-Wagen der 5G-Produktion geschaltet.“

Fazit

Alessandro Reitano, Senior Vice President Sports Production bei Sky Deutschland, war mit den gewonnenen Erkenntnissen durchaus zufrieden: „Unser Ziel war es, einen Stresstest im Hinblick auf 5G im Broadcastbereich durchzuführen. Im Fokus stand die technische Belastbarkeit, Bandbreite und welche Vorteile es bringt, die lineare Produktion mit 5G-Kameras zu ergänzen. Dies ist aus unserer Sicht erfolgreich gewesen. Eine Produktion mit 5G-Kameras wird aber eine herkömmliche Broadcast- Produktion noch nicht ersetzen.“

Limitierende Faktoren für die Smartphone-Nutzung in der professionellen Broadcast-Produktion sind aktuell eine fehlende Verfügbarkeit des öffentlichen 5G-Mobilfunknetzes an der jeweils kompletten Sportstätte, keine vorrangige Nutzung von 5G-Frequenzen, die ein Mobilfunknetzbetreiber Fernsehsendern und TV-Produktionsfirmen netzneutral anbieten könnte, das fehlende Return-Signal des Programmbildes sowie Probleme beim Herstellen der Synchronität von 5G-Bild und Ton mit dem herkömmlichem TV-Signal und die Einbindung beider Signale am Bildmischer eines Ü-Wagens sowie die Distribution. Auch der deutlich eingeschränkte optische Brennweitenbereich von Smartphones sowie deren geringes Gewicht und die hieraus resultierenden Schwierigkeiten beim professionellen Handling sprechen gegen einen generellen Einsatz in der Sportproduktion.

Wenn man die Smartphones in ihrem Rig betrachtet, sind sie insgesamt weder leichter, noch besser zu handhaben als Videokameras, die in vergleichbarer Paketgröße bessere Optiken mit größerem Brennweitenbereich bieten. Und die ließen sich durchaus mit einer 5G-Funktionalität versehen, wenn das unbedingt gewünscht ist. Andererseits könnten sich, wenn man sich auf Smartphone und Leichtstativ beschränkt, durchaus zusätzliche und flexible Positionen bei der Sportübertragung realisieren, wie etwa beim Handball während einer Auszeit in der Mitte der Spieler. Doch das liegt auf der Hand – und ist ja auch den Sky-Verantwortlichen klar: Eine herkömmliche Broadcast-Produktion kann man derzeit nicht nur mit Smartphones fahren. [14416]

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