Gesetzte Interviews gehören zu den Standardformaten im dokumentarischen Film. Wir beschäftigen uns in den nächsten Folgen unserer neuen Rubrik „Setwissen“ mit allen Aspekten, die für eine erfolgreiche Umsetzung eines gesetzten Interviews wichtig sind und beginnen mit dem Licht.
Großes Besteck: Für das Master-Interview der Netflix-Serie „Kaulitz & Kaulitz“ betrieb DoP Johannes Obermaier erheblichen Aufwand. (Foto: Netflix)
Das gesetzte Interview ist eine der immer wiederkehrenden Aufgaben für Kameraleute. Auf den ersten Blick erscheint so eine Drehsituation einfach umsetzbar, kommt gleichwohl mit einer Vielzahl von Herausforderungen.
Beleuchtungsarten
Das gesetzte Interview, das auch „Talking Head“-Interview genannt, wird häufig in der klassischen Dreipunktbeleuchtung realisiert, eine der grundlegendsten Techniken beim Filmlicht. Diese Methode kombiniert ein Führungslicht (Key Light), ein Aufhelllicht (Fill Light) und ein Spitzlicht (Backlight). Das Führungslicht sollte idealerweise eine große, weiche Lichtquelle sein, wie etwa ein Softbox-Setup oder eine LED-Flächenleuchte mit Diffusor. Sie wird leicht seitlich und oberhalb der Kamera platziert, so dass die Schatten seite des Gesichts in Richtung der Kamera zeigt. Diese Methode, im englischen Sprachraum als „Shadow-Side to Camera“ bezeichnet, verleiht dem Gesicht Tiefe und Dimension.
Eine Variante dieser klassischen Lichtsetzung ist die nach dem niederländischen Maler benannte „Rembrandt-Beleuchtung“, bei der das Führungslicht so positioniert wird, dass ein markanter Lichtdreieck-Effekt auf der Schattenseite des Gesichts entsteht. Diese Technik kommt häufig bei biografischen oder historischen Dokumentationen zum Einsatz.
Für eine organischere Ästhetik können natürliche Lichtquellen wie Fenster die Funktion des Führungslichts übernehmen. So entsteht eine Beleuchtung, die an echtes Tageslicht erinnert. Dieses Licht kann dann noch mit Diffusoren oder Reflektoren moduliert werden, um die gewünschte Ausleuchtung zu schaffen. Zusätzlich lässt sich durch Abschatten bestimmter Bereiche mittels Fahnen die Tiefe im Bild modulieren (Negative Fill). Eine Variante dessen ist die Beleuchtung eines Interviews mittels vorgefundener und gegebenenfalls modifizierter Lichtquellen wie bespielsweise Steh- oder Schreibtischlampen.
Wenn eine dramatische Atmosphäre gefragt ist, kann bei gesetzten Interviews auch eine Low-Key-Beleuchtung zum Einsatz kommen. Anders als bei der klassischen Dreipunktbeleuchtung wird bei der Low-Key-Methode das Verhältnis zwischen Licht und Schatten bewusst erhöht. Dies bedeutet, dass das Führungslicht dominanter ist, während das Aufhelllicht entweder stark reduziert oder vollständig weggelassen wird. Dadurch entstehen markante Schatten und hohe Kontraste. Um den gewünschten Effekt zu erzielen, werden oft Leuchten verwendet, die sich präzise ausrichten lassen, wie etwa Fresnel-Scheinwerfer, sei es mit LED-Engines oder Glühlampen als Lichtquelle. Der Hintergrund wird dabei häufig bewusst dunkel gehalten oder sogar in vollständige Schwärze getaucht, um die Aufmerksamkeit vollständig auf den Protagonisten zu lenken.
Farbkontraste und Tiefenwirkung
Nicht nur mit den Kontrasten von Hell und Dunkel lässt sich ein gesetztes Interview gestalten. Auch Farbkontraste sind ein gutes Werkzeug, um „Talking Head“-Interviews visuell ansprechend zu gestalten und zusätzliche Tiefe zu verleihen. Eine subtile Variation der Farbtemperatur zwischen Vorder- und Hintergrund kann dabei dazu beitragen, die interviewte Person vom Rest der Szene abzuheben. Beispielsweise kann der Hintergrund leicht kühler und der Interviewpartner im Vergleich wärmer beleuchtet werden. Dies erzeugt eine natürliche Trennung, die auf einem natürlichen Phänomen beruht: In der Natur erscheinen weiter entfernte Objekte aufgrund atmosphärischer Streuung blauer als Objekte in der Nähe. Durch die Nachahmung dieses Effekts kann man den Eindruck von Tiefe im Bild verstärken.
Praktische Herausforderungen
Viele gesetzte Interviews werden an realen Schauplätzen wie Büros, Wohnungen oder gar an öffentlichen Orten gedreht. Solche Umgebungen bieten zwar Authentizität, bringen aber auch praktische Probleme mit sich. Lichtquellen mit unterschiedlicher Farbtemperatur, ablenkende Hintergründe oder unvorteilhafte Architekturbeleuchtung können die Arbeit erschweren. LED-Leuchten können hier Abhilfe schaffen. Sie sind nicht nur leicht und energieeffizient, sondern auch überwiegend zwischen Tageslicht- und Kunstlichttemperaturen umschaltbar. In einem Raum mit großen Fenstern kann eine LED-Leuchte mit variabler Farbtemperatur helfen, das natürliche Licht zu ergänzen. Eine zusätzliche Möglichkeit, Licht zu modulieren, besteht darin, Abschatter oder Reflektoren zu verwenden, um Licht wegzuhalten, gezielt zu lenken oder Schattenbereiche aufzuhellen. [15520]
Spickzettel: Licht beim gesetzten Interview
Für gesetzte Interviews gibt es verschiedene Beleuchtungsarten, die je nach Stil, Stimmung und praktischen Anforderungen gewählt werden können.
1. Dreipunktbeleuchtung Dies ist die verbreitetste Methode für gesetzte Interviews. Sie umfasst
Führungslicht (Key Light): Hauptlichtquelle, die das Gesicht beleuchtet und die wichtigsten Schatten und Highlights definiert. Meist seitlich und etwas oberhalb der Kamera positioniert.
Aufhelllicht (Fill Light): eine weichere Lichtquelle, die Schatten mildert und die Helligkeit ausgleicht.
Hintergrundlicht (Backlight): beleuchtet das Motiv von hinten, hebt es vom Hintergrund ab und erzeugt Tiefe.
Weil die Dreipunktbeleuchtung der klassische Weg ist, ein Interview auszuleuchten, beschäftigen wir uns im Setwissen der kommenden Ausgabe ausführlich mit diesem Thema.
2. Rembrandt-Beleuchtung Eine Variante der Dreipunktbeleuchtung, bei der das Führungslicht so positioniert wird, dass ein markanter Lichtdreieck-Effekt auf der Schattenseite des Gesichts entsteht.
3. Low-Key-Beleuchtung Diese Technik verwendet ein dominantes Führungslicht und minimales bis gar kein Aufhelllicht, um starke Kontraste und dramatische Schatten zu erzeugen.
4. Natürliches Licht Das natürliche Licht von Fenstern oder anderen Umgebungsquellen kann für eine authentische und organische Atmosphäre genutzt werden. Dieses Licht wird oft mit Diffusoren, Reflektoren oder Fahnen moduliert.
5. Motivierte Beleuchtung
Hierbei wird das Licht so gesetzt, dass es die Illusion erweckt, von einer natürlichen oder vorhandenen Lichtquelle zu stammen. Ein Sonderfall ist der Einsatz von sogenannten Practicals, die als Teil der vorhandenen Dekoration zum verwendeten Licht beitragen.
6. Butterfly Lighting Diese Technik, auch als Paramount Lighting bezeichnet, platziert das Führungslicht direkt vor und über der interviewten Person, so dass ein schmetterlingsförmiger Schatten unter der Nase entsteht. Ursprünglich in glamourösen Porträts verwendet, kann diese Technik inhaltlich begründet auch in Interviews zum Einsatz kommen.
7. Silhouettenbeleuchtung Diese Methode stellt den Interviewpartner als Silhouette dar, indem das Hintergrundlicht stark betont wird, während das Gesicht absichtlich im Schatten bleibt. Sie wird häufig verwendet, um die Identität von Protagonisten zu schützen.