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Canon C500 Mk II: Vollformat bei Dreh für Online

Das Ende des Schärfeziehens?

Der Vollformat-Sensor ist einer der wichtigsten Neuheiten bei Canons zweiter Generation der bewährten C500. Aber bei großem Sensor und der damit geringeren Schärfentiefe muss der Fokus sitzen. Das kann bei Teams ohne Schärfeassistenz ein Problem werden. DoP Marius Milinski testete daher bei seinem Dreh für die „heute-show“ die verschiedenen Optionen beim Autofokus.

Ich war lange Zeit skeptisch gegenüber kontinuierlichem Autofokus im Film. Doch nach guten Erfahrungen mit Canons C200 und ihrem Dual-Pixel-Autofokus wandelte sich die Skepsis in Neugier und Begeisterung. Steckt etwa im Autofokus doch die Zukunft? Ein Spezial des „heute-show“-Onlineformats „Der Klugscheißer“ schien ein passendes Projekt zu sein, um die neue Canon C500 Mk II einem echten Test besonders in dieser Richtung zu unterziehen.

Bereits im Sommer war ich Kameramann für vier Folgen des Formats, das viel Lob für die Kameraarbeit erhielt. An diesen visuell hohen Anspruch wollte ich natürlich anknüpfen. Eine besondere Herausforderung der Folge war, dass ein Kind eine große Rolle spielen sollte. Perfekt, um den Autofokus der Kamera auf eine Probe zu stellen, denn auf das Treffen von Markierungen kann man sich bei Kindern halt nicht immer verlassen. Mein Vorschlag, die Canon C500 Mk II für das Projekt zu benutzen und im Vollformat zu drehen, wurde von Regisseur Joscha Seehausen sehr positiv aufgenommen. Als Kameramann an Joschas Seite habe ich bereits unzählige Drehs mit diversen Kamera-Setups bestritten. Als Regisseur ist er immer interessiert daran, technische Innovationen auszuprobieren, die für einen besseren Produktionsablauf sorgen könnten. Und da bietet die Canon C500 Mk II gleich mehrere Optionen: Dual Pixel Autofokus, interne RAW-, aber auch 10-bit-XF-AVC Aufzeichnung, elektronische Bildstabilisierung, große Modularität.

Variabel durch Module

Der an sich schon kompakte Body der Kamera kann nämlich mittels verschiedener Einheiten erweitert werden, um die Kamera an die jeweiligen Bedürfnissen anzupassen, so etwa mit einem elektronischen Sucher an der Rückseite. Zur Verfügung steht aber auch eine größere Erwei- terungseinheit mit Schnittstellen wie Genlock, zusätzlichen XLR-Anschlüssen und V-Lock-Batteriehalterung. Alles lässt sich unkompliziert und schnell montieren. Das gilt auch für Seiten- und Topgriff. Muss man die Kamera zum Beispiel in einem Gimbalsystem montieren, ist sie innerhalb kürzester Zeit nicht nur klein, sondern auch deutlich leichter. Der Body der Canon C500 Mk II wiegt gerade mal 1,7 Kilogramm. Selbst der Mount lässt sich vom Anwender von EF auf PL wechseln und umgekehrt. In den Drehvorbereitungen zum „Klugscheißer“ testete ich die Kamera mit verschiedenen Zusatzeinheiten, um herauszufinden, welches Setup sich für den anstehenden Dreh am besten eignen würde. Letztlich nutzte ich die Extension für V-Lock-Batteriebetrieb sowie einen Atomos Shogun 7 für die zusätzliche Datenaufzeichnung in ProRes HQ.

Die Canon C500 Mk II lässt sich durch ihren modularen Aufbau rasch an verschiedene Setups anpassen.

Der Monitor der Kamera ist mit 4,3 Zoll angenehm groß und gut bedienbar, dennoch bevorzuge ich ein 7-Zoll-Display für die bessere Beurteilung von Licht und Schärfe. In dieser Konfiguration konnte ich die Kamera falls nötig auch schnell am Seitengriff für aus der Hand gedrehte Shots nutzen. Ebenfalls äußerst angenehm ist der sehr schnelle Wechsel zwischen Playback und Aufnahme. Durch die neuen, sehr schnellen CFexpress-Karten sind Clips blitzschnell abspielbereit, was bei manch anderem Modell am Set für unnötige Verzögerungen führen kann.

Kind am Set

Für die Folge von 6:30 Minuten Länge stand uns ein Drehtag zur Verfügung. Um die gesetzlichen Arbeitszeitvorgaben für Kinderdarsteller von maximal drei Stunden pro Tag einzuhalten, mussten alle Einstellungen mit dem Kind innerhalb kürzester Zeit abgedreht werden. Dies bedeutete, kreuz und quer durch das Drehbuch zu springen und zuerst alle Totalen und Nahaufnahmen des Kindes zu drehen. Im Anschluss wurden alle Szenen wiederholt, um die Gegenschüsse und Pick-Ups aufzuzeichnen. Dabei trotzdem die Kontinuität zu wahren, war eine Herausforderung für die Schauspieler und jedes Department. Bei der Licht- und Kameracrew sorgte es zudem für deutlich mehr Umbauarbeiten.
Um allen Beteiligten die Planung soweit wie möglich zu erleichtern, hatten Joscha Seehausen und ich ein Storyboard angefertigt, auf dessen Basis die Aufnahmeleitung einen strukturierten Drehplan erstellen konnte.

Autofokus und Gesichtserkennung

Die Canon C500 Mk II und vor allem der Autofokus haben in den meisten Situationen überzeugt. Gleichzeitig entstanden aber auch bisher unbekannte Herausforderungen, für die ich Lösungen finden musste. So stellte sich mir die Frage: Wie verhält sich der Autofokus, wenn Darsteller das Bild verlassen oder die Kamera kein Gesicht erkennt?

Bei Brillen hatte die Gesichtserkennung zu kämpfen: Filmstill aus „Der Klugscheißer“.

Grundsätzlich stehen zwei Einstellungen zur Auswahl: „Priorität Gesicht“ und „Nur Gesicht“. Letzteres hat sich für mich bewährt, denn findet die Kamera im „Nur Gesicht“-Modus kein Gesicht, passiert tatsächlich gar nichts. Der Fokus verweilt an der Stelle, wo zuletzt ein Gesicht erkannt wurde. Unangenehme Nebeneffekte wie ein pumpendes Suchen nach Schärfe treten nicht auf, man hat jedoch die Möglichkeit, manuell einzugreifen. „Priorität Gesicht“ hingegen stellt ein angewähltes Gesicht scharf. Wenn aber keines vorhanden ist oder nicht erkannt wird, stellt die Kamera zum Beispiel den zuvor manuellem Scharfziehen zu wechseln. Dabei habe ich den Daumen stets am „AF/MF“-Schalter des Objektivs und bin somit immer bereit, selbst die Kontrolle zu übernehmen. Schwenke ich beispielsweise vom Gesicht meines Protagonisten auf die Hände, schalte ich im Schwenk auf manuellen Fokus, um der Kamera nicht das Ratespiel zu überlassen, wo die Schärfe liegen soll.

Stabil aus der Hand

Neben dem Autofokus ist die elektronische Bildstabilisierung ein spannender Aspekt der C500 Mk II. Bei den ersten Versuchen war ich positiv überrascht, wie zuverlässig die Stabilisierung selbst bei einer Brennweite von 200 Millimetern aus der Hand funktioniert. Beim Dreh zum „Klugscheißer“ musste ich dann einen seltsamen Effekt feststellen. Stand die Kamera auf einem Stativ und wurde nicht bewegt, wurde das Bild dennoch „stabilisiert“. Die Kamera hat sich dabei an das Gesicht des Protagonisten geheftet, ähnlich einem Tracking-Effekt in der Postproduktion. Dadurch wurde ein kompletter Take ruiniert. Auch in einem separaten Test nach dem Dreh konnte ich das Phänomen reproduzieren und beobachten. Es empfiehlt sich also, die elektronische Bildstabilisierung für Aufnahmen vom Stativ auszuschalten. Auch hier hoffe ich, dass Canon nachbessert, sofern es sich um ein generelles Problem handeln sollte.

Fazit

Ich bin froh, die Kamera in diesem fiktionalen Projekt getestet zu haben und direkt einige Vor- und Nachteile festgestellt zu haben. Besonders die Entwicklung im Bereich der automatischen Fokussierung wird sicherlich spannend bleiben. Das Hauptargument, was ich immer wieder gegen Autofokus höre: das System werde niemals kreative Entscheidungen treffen können. Das ist meiner Meinung nach auch gar nicht seine Aufgabe. Ich erwarte von einem Autofokus-System, dass es meine kreative Entscheidung technisch umsetzt, und zwar besser als ich es könnte. Das ist bei der Canon C500 Mark II für Gesichter der Fall, was bereits einen großen Teil meiner Arbeit erleichtert. Dadurch, dass der Autofokus sehr präzise abliefern kann, schafft er mir Platz im Kopf, um mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Für viele Situationen sehe ich enorme Vorteile, zum Beispiel bei kleinen und leichten Gimbal-Setups ohne Funkschärfe und Bildfunk. Natürlich gilt wie immer: es ist nicht die Lösung für jede Arbeitsweise.

Autofokussysteme werden in Zukunft noch intelligenter, Fokus-Tracking wird immer ausgeklügelter und bald schon mit Apps aus der Ferne gesteuert werden. Auch ein Rückblick in die 1990er Jahre zeigt weitere Möglichkeiten auf: Damals verbaute Canon einen augengesteuerten Autofokus in analogen Spiegelreflexkameras, mit dem man durch bloßes Anschauen einer Stelle im Sucher diese scharf stellen konnte. Diese Funktion wurde 2004 wieder eingestampft, lässt jedoch für die Zukunft auf eine Vielfalt von Innovationen im Autofokus-Bereich hoffen. Ob das jedoch das Ende für die Schärfeassistenz bedeutet? Das bleibt abzuwarten. [11904]

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