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Gemeinsame Broadcast-Produktion mit NDR-Produktionsmitteln

Zwei Sender, eine Technik

Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover arbeiteten NDR und ZDF mit gemeinsamer Technik. Statt doppeltem Aufbau nutzte das ZDF die bestehende Infrastruktur des NDR inklusive Ü-Wagen und Kamerateam. Das sparte Kosten, Personal und Ressourcen. Welche Herausforderungen die Live-Produktion unter freiem Himmel mit sich brachte, hat sich Bernhard Herrmann für unser Heft 6.2025 vor Ort angesehen.

Kirchentag
Foto: Creative Art Production

Mit dem live im NDR-Fernsehen sowie in mehreren Livestreams übertragenen Eröffnungsgottesdienst begann auf dem „Platz der Menschenrechte“ vor dem historischen Rathaus in Hannover am Mittwoch, dem 30. April 2025, der Gottesdienst. Etwa 30.000 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten den Gottesdienst vor Ort.

Nur rund 850 Meter entfernt liegt das NDR Landesfunkhaus Niedersachsen, das über eigene Produktionsmittel für TV-Übertragungen dieser Art verfügt. Der Standort am Rathaus wurde vom NDR-Fernsehen bereits mehrfach genutzt und ist insofern technisch wie organisatorisch vertraut. Für die Produktion kamen zusätzlich der Ü-Wagen NDR Ü1, ein begleitender Rüstwagen sowie ein Großteil der weiteren Broadcasttechnik aus der Außenübertragungstechnik des NDR in Hamburg. Um die Stromversorgung abzusichern, ließ Produktionsleiterin Ariane Dreysse noch ein 500 kVA Silent-Twin-Aggregat über den Veranstalter in den TV-Compound auf der Ostseite des Rathauses bringen.

Compound und Kabelwege

Der TV-Compound war in einer Sackgasse auf der Ostseite des Rathauses eingerichtet. Diese bot linksseitig Stellflächen für Fahrzeuge und verlaufende Gehwege zur Kabelverlegung. An vorderster Position stand ein Regie-Transporter des Dienstleisters MOO Video Productions, in dem die Streaming-Signale für verschiedene Onlineplattformen erzeugt wurden. Dahinter positionierten sich der NDR Ü1 sowie der begleitende Rüstwagen, über den ein Großteil der Kamera- und Signaltechnik organisiert wurde. Rechts davon befanden sich ein Schnittmobil und die NDR SNG D550 für die Satellitenanbindung.

Kirchentag Ü-Wagen
Das TV-Compound befand sich in einer Gasse auf der Ostseite des Rathauses. (Foto: Creative Art Production)

Für das Team standen gegenüber dem Ü-Wagen ein Aufenthaltszelt sowie ein Cateringbereich zur Verfügung. Als Materialpuffer diente eine nördlich angrenzende Freifläche für leere Gitterboxen und Transportcases.

Alle Kamerapositionen und Signalstrecken waren ebenerdig erreichbar. Die längste Kabelverbindung – vom Ü-Wagen bis zur entferntesten Kameraposition – umfasste etwa 190 Meter und wurde über Triax- und Audiokabel realisiert. Die saubere und zügige Verlegung war angesichts der engen Platzverhältnisse ein entscheidender Vorteil des Standorts.

Für den Gottesdienst wurde vor dem hannoverschen Rathaus eine freistehende Rundbogenbühne errichtet. Die Konstruktion war an drei Seiten mit weißen und transparenten Planen verkleidet und über eine breite, zehnstufige Treppe vom Platz aus zugänglich. In die Dachträger waren sechs Traversen eingebaut, die mit einer Vielzahl von Weiß- und Effektlicht-Scheinwerfern bestückt waren. Das Licht wurde über ein grandMA3-Lichtpult live gesteuert.

Die tontechnische Versorgung des gesamten Platzes stellte hohe Anforderungen an Reichweite, Klarheit und Rückkopplungsarmut. Zwei große Line-Array-Systeme links und rechts der Bühne bildeten das Grundgerüst der Beschallung und wurden durch weitere Lautsprecher vor der Bühne sowie im hinteren Publikumsbereich ergänzt. Ziel war eine gleichmäßige Sprachverständlichkeit auf dem gesamten Platz, einschließlich der angrenzenden Straßenabschnitte und Gebäude, auf denen sich ebenfalls zahlreiche Besucherinnen und Besucher aufhielten.

Kirchentag Kamera
Am Donnerstag hatten die Kameraleute mit kräftigem Gegenlicht zu kämpfen. (Foto: Creative Art Production)

Für die Tonproduktion wurde ein umfangreiches Stereosetup mit zahlreichen Mikrofonen realisiert. Dieses musste sowohl Einzelstimmen als auch Chöre, eine Band und den Gemeinde­gesang gleichermaßen erfassen – und das unter freiem Himmel mit rund 30.000 Anwesenden. Die Mischung war darauf ausgelegt, sowohl die Beschallung vor Ort als auch das Sendesignal für Fernsehen und Livestream gleichzeitig abzubilden.

Gerade der Sonntag stellte sich mit kühlen Temperaturen und Windböen wettertechnisch deutlich fordernder dar. Die starken Böen mit eiskaltem Wind sorgten dafür, dass die Schaumstoff-Windschutze der Kopfbügelmikrofone ihren Dienst versagten und die Windböen so kurzzeitig den Ton störten.

Sieben Kameras, zwei Sendungen, ein System

Für die Bild-Crews bot hingegen der Donnerstag die schwierigeren Bedingungen. Da die Bühne nach Süden ausgerichtet war und die Sonne bei bestem Frühlingswetter ab etwa 17 Uhr über dem Dach des Rathauses stand, gerieten die Protagonistinnen und Protagonisten ins harte Gegenlicht. Zwei ARRI 4-kW-Stufenlinsen waren deswegen hinter den Frontkameras positioniert worden, um Gesichter und Vordergrund aufzuhellen. Die beiden Bildtechniker an den CCUs hatten dementsprechend viel Arbeit, das HD-Bild nachzuregeln.

Bei beiden Gottesdiensten kamen insgesamt sieben Kameras zum Einsatz, die über den NDR Ü1 gesteuert wurden. Standardmäßig ist der Ü-Wagen mit Grass Valley LDK 8000 HD-Kameras ausgerüstet. Zwei dieser Kameras, jeweils mit Fujinon Digipower 99 HD-Objektiv, standen auf Podesten links und rechts auf Höhe des FOH und filmten frontal Richtung Bühne.

Des Weiteren war eine Panasonic PTZ-Kamera oben und mittig im rückwärtigen Bühnenbereich installiert und bot einen Gegenschuss auf Bühne, Publikum und die Kamerapositionen auf Höhe des FOH. Auf einer vom ZDF zusätzlich gestellten Scherenbühne befand sich eine weitere Kamera auf einem Remote-Head mit Weitwinkelobjektiv. Sie lieferte ein Überblicksbild mit Rathausuhr, den FOH-Kameras im Vordergrund sowie den flankierenden Bäumen im Bildanschnitt.

Kirchentag Krankamera
Für Abwechslung bei den Perspektiven sorgte unter anderem eine Krankamera. (Foto: Creative Art Production)

Eine Steadicam mit drahtloser Signalübertragung ermöglichte dynamische Aufnahmen auf der Bühne und in den Gängen, inklusive Rückwärtsbewegung beim Begleiten von Mitwirkenden. Eine Kamera auf einem Panther Pixy Crane, positioniert rechts neben dem FOH, erlaubte Fahrten über das Publikum, Schwenks über die Bläsersektion und Totalen von Bühne und Platz. Zwei weitere Kameras auf Rollspinnen-Stativen wurden links und rechts auf der Bühne eingesetzt.

Produziert wurde im Format HD 1080i/50 mit Stereoton. Das NDR-Signal wurde über die NDR SNG D550 via Astra 1N Satellit sowie redundant über eine LiveU LU800 zum Hauptschaltraum des NDR nach Hamburg übertragen. Zusätzlich wurde ein Cleanfeed in einem NDR-Schnittmobil auf XDCAM HD aufgezeichnet. Inserts für Namenseinblendungen, Liedtexte und Grafiken wurden jeweils in der Sender-CI des NDR beziehungsweise ZDF live in die Signale eingebunden.

Livestream

Beide Gottesdienste sowie weitere Veranstaltungen vom „Platz der Menschenrechte“ wurden zusätzlich per Internet-Livestream übertragen, der im Auftrag des Kirchentags durch MOO Video Productions organisiert wurde. Die Video-Feeds aus dem Ü-Wagen wurden über ein Panasonic HS-6000 Bildmischpult in einem separaten Regie-Transporter verarbeitet. Die Integration der Gebärdensprachdolmetscherin erfolgte über eine eigene Sony BRC-H800 PTZ-Kamera, die in den Stream eingeblendet wurde. Eine weitere Kamera desselben Typs war auf den Dirigenten der Bläsersektion gerichtet.

Ein Glasfaseranschluss kam über das Rathaus in den Compound, von dort wurden rund 2.000 Meter Leitung zu vier Videowalls auf dem Veranstaltungsgelände verlegt. Die Streams wurden auf YouTube, Vimeo, ndr.de, zdf.de sowie der Kirchentags-Website ausgespielt.

Kirchentag Ü-Wagen
Die Bild- und Tonregie liefen über den NDR Ü1. (Foto: Creative Art Production)

Geteilte Technik, volle Qualität

Sowohl der Eröffnungs- als auch der Schlussgottesdienst vor dem Rathaus in Hannover entsprachen in ihrer Bild- und Tonqualität den bekannten Standards öffentlich-rechtlicher Gottesdienstübertragungen. Die gestalterische Umsetzung durch die jeweiligen Bildregieteams war auf hohem Niveau und unterschied sich qualitativ nicht.

Bemerkenswert ist, dass die Produktion vollständig mit bewährter HD-Technik, darunter Grass Valley LDK 8000 Kameras mit Triaxverkabelung, realisiert wurde. Auch unter diesen Rahmenbedingungen lieferte der NDR Ü1 in 1080i/50 ein rundum überzeugendes Signal. Dass dieses in der linearen Ausstrahlung weiterhin auf 720p konvertiert wird oder der Ton nur in Stereo gesendet wurde, mag technisch diskussionswürdig sein und weder dem aktuellen technischen Stand, noch den Bedürfnissen der Zuschauerinnen und Zuschauer entsprechen. Entscheidend ist jedoch, dass die gemeinsame Nutzung der Produktionsinfrastruktur durch NDR und ZDF reibungslos funktionierte.

Der größte Mehrwert dieser Zusammenarbeit liegt klar auf der Hand. Die Fernsehanstalten konnten durch die Bündelung ihrer Ressourcen erhebliche Produktionskosten einsparen und gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck minimieren. Dass dies ohne qualitative Einbußen gelang, ist dem professionellen Umgang der beteiligten Teams mit der gemeinsam genutzten Technik zu verdanken. [15560]

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