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TV-Produktionen zur Bundestagswahl aus dem ARD-Hauptstadtstudio

Kompetent gemeistert (1)

Die ARD-Berichterstattung zur Bundestagswahl 2025 zeigte, wie sich durch das Zusammenspiel von exakter Planung und Improvisation auch unerwartete Herausforderungen meistern lassen. Bernhard Herrmann war für uns in Berlin und hat sich alles genau angesehen.

ARD Wahlstudio
Foto: Creative Art Production (Bild: Bernhard Herrmann/CAP Solutions)

Als die Politik Fakten schuf, musste die Technik improvisieren: Im ARD-Hauptstadtstudio war die Modernisierung der Bild- und Ton-Regie von langer Hand geplant worden. Veraltete Technik sollte einer zukunftsfähigen IP-Infrastruktur weichen. Die Bundestagswahl, ursprünglich vorgesehen für September 2025 am Ende der vollen Legislaturperiode, sollte die erste große Live-Sendung mit dem neuen System werden. Doch der vorgezogene Wahltermin brachte eine unerwartete Herausforderung. Während die Bauarbeiten bereits in vollem Gange waren, das Studio entkernt war und die Technik nicht mehr zur Verfügung stand, musste innerhalb kürzester Zeit eine alternative Lösung gefunden werden.

Dabei war Improvisationstalent gefragt. Innerhalb nur einer Woche wurde der Hauptschaltraum des Hauptstadtstudios provisorisch zur Bild- und Ton-Regie umfunktioniert, berichtet Werner Melzer, der Produktionsleiter des ARD-Hauptstadtstudios. Denn wie bereits bei der Bundestagswahl 2021 war das ARD-Hauptstadtstudio an der Wilhelmstraße in Berlin erneut die Schaltzentrale für die gesamte ARD-Wahlberichterstattung. Dazu kamen unter der redaktionellen Leitung des zweiten Chefredakteurs Helge Fuhst von ARD-aktuell auch die Sendungen der „tagesschau extra“, „tagesthemen“ und „tagesthemen extra“ aus dem gleichen Set.
Eine weitere Herausforderung an das TV-Produktionspersonal waren die diversen Live-Schalten zu mehr als elf Außenstellen über verschiedene und unterschiedliche Leitungswege, die zeitlich je nach der Vorliegen der Hochrechnungen zum erwarteten Ausgang der Bundestagswahl 2025, zu unterschiedlichen Zeiten live stattfanden und oder aufgezeichnet und später ausgestrahlt wurden, wenn sich die Ereignisse zeitlich überschnitten.

ARD-ProduktionsleiterWerner Melzer in der improvisierten Bild- und Tonregie
ARD-Produktionsleiter Werner Melzer in der improvisierten Bild- und Tonregie (Foto: Creative Art Production)

Regisseur André Müller hatte ein ausgeklügeltes Regiekonzept entwickelt, das selbst unvorhersehbare Ereignisse berücksichtigte – bis hin zu einer möglichen Verschlechterung des Gesundheitszustands des Papstes in Rom. Auch Produktionsleiter Werner Melzer setzte auf maximale Ausfallsicherheit: Als zusätzliche Redundanz ließ er neben dem Ü-Wagen ein 400 kVA Twin-Stromaggregat aufstellen, um selbst bei einem Stromausfall im Hauptstadtstudio oder am Ü-Wagen eine unterbrechungsfreie Sendung zu gewährleisten. Dank dieser und weiterer Vorkehrungen war das ARD-Hauptstadtstudio technisch und organisatorisch für alle Eventualitäten gerüstet, so dass alle Voraussetzungen gegeben waren, die mehrstündigen Live-Sendungen reibungslos über die Bühne gehen zu lassen.

Feinschliff für die Wahlnacht

Unter der Leitung von Regisseur André Müller fanden am Samstagnachmittag umfangreiche Stell-, Ablauf- und Generalproben im ARD-Wahlstudio statt – mit allen Gewerken, dem Ü-Wagen-Team von Studio Berlin sowie den Außenstellen. Ein zentraler Fokus lag auf der Kommunikation: Die Moderatoren im Studio, das Team im Ü9 und die über das ganze Land verteilten Reporter mussten reibungslos miteinander verbunden sein. Bild-, Ton- und Kommunikationswege wurden in alle Richtungen überprüft, um eine störungsfreie Live-Übertragung zu gewährleisten. Auch das Team von infratest dimap, das am Rande des Wahlstudios sowie in einem Besprechungsraum hinter der Dekoration arbeitete, war in die Proben eingebunden. Die Wahlforscher lieferten die Daten für Prognosen, Hochrechnungen und Analysen – und testeten gemeinsam mit den Moderatoren den Touchscreen der neuen LED-Videowall mit fiktiven Grafiken. Am Sonntagmittag wurde der gesamte Ablauf erneut durchgespielt.

Zwischen den Wahlsendungen übernahm ARD-aktuell mit „tagesthemen“ und „tagesthemen extra“ das Studio. Diese Sendungen wurden im gewohnten „tagesthemen“-Design auf den Videowalls präsentiert, mit einem eigenen Regisseur und Aufnahmeleiter von ARD-aktuell. Ihre Proben schlossen sich direkt an die Testläufe der Wahlsendung an. Während die Stimmung am Samstag noch gelöst und entspannt war, wechselten die Protagonisten am Sonntag in ihr schwarzes Business-Outfit. Je näher der Sendebeginn um 17:10 Uhr rückte, desto mehr stieg die Anspannung – das ARD-Hauptstadtstudio und der vollbesetzte Ü-Wagen machten sich bereit für einen hochkonzentrierten Live-Betrieb.

Ü9 UHD von Studio Berlin

Ü9 UHD von Studio Berlin
Der Ü9 UHD von Studio Berlin war hinter dem Hauptstadtstudio positioniert. (Foto: Creative Art Production)

Technische Umsetzung

Die Live-Produktion aus dem ARD-Wahlstudio im ersten Obergeschoss wurde mit der Technik von Studio Berlin und dem Ü9 UHD realisiert, der hinter dem Hauptstadtstudio positioniert war. Gesendet wurde im Format 1080i mit Stereoton. Im Wahlstudio kamen folgende Kamerasysteme zum Einsatz:

  • drei Grass Valley LDX 86N mit Fujinon Digipower 27 HD-Objektiven auf Pumpstativen
  • eine Grass Valley LDX 86N mit Fujinon 4,5-Weitwinkelobjektiv an einem Kamerakran mit acht Metern Ausleger
  • zwei drahtlose Grass Valley IN-CAM-G Kameras: eine auf einer Steadicam mit 4,3-UHD-Canon-Weitwinkelobjektiv, die andere als Handkamera mit Fujinon 4,5-Weitwinkelobjektiv
  • Eine weitere Grass Valley LDX 86N mit 22-fach Fujinon-Objektiv auf einem Pumpstativ am Rand des Brückengangs im dritten Obergeschoss für Aufnahmen aus der Vogelperspektive

Alle Kameras waren mit Telepromptern oder Tablets für die Moderationstexte ausgestattet. Die insgesamt 25 Bild- und Grafiksignale liefen auf einem Grass Valley Kayenne 9 ME Bildmischer im Ü9 auf. Neben der Live-Ausstrahlung wurden alle Interviews aus den zehn Außenstellen über 3×8-Kanal-EVS-Systeme im Ü9 aufgezeichnet, während im Hauptstadtstudio zusätzlich Aufzeichnungen auf Quantel-Servern stattfanden.

Für die Audioregie kam eine Lawo mc²56 Konsole im Ü9 zum Einsatz. Das Tonsystem umfasste

  • sechs drahtlose Handmikrofone der Sennheiser 6000-Serie,
  • vier drahtlose Kopfbügelmikrofone,
  • sowie sechs drahtlose In-Ear-Systeme.

Für die Kommunikation standen im Hauptstadtstudio 15 Artist-Sprechstellen und fünf Riedel Bolero-Systeme bereit. Die Wahlgrafiken wurden von infratest dimap geliefert, während die Bauchbinden im ARD-CI gestaltet und im Ü9 eingeblendet wurden.
Ein Transporter von MTI Teleport München einschließlich Technik-Team stand mit Technikern neben dem Rüstwagen. Von hier aus liefen alle Glasfaserverbindungen des MTI-Teleport-Netzes zu den Außenstellen in den Parteizentralen in Berlin sowie zur CSU in München und weiter ins ARD-Netz. Die Distribution der Bild- und Tonsignale erfolgte über den Hauptschaltraum des ARD-Hauptstadtstudios per Glasfasernetz zum ARD-Stern beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt am Main.

Insgesamt 15 EB-Teams waren in den Außenstellen für aktuelle Aufzeichnungen und Schalten aus Parteizentralen in Berlin unterwegs. Davon waren fünf Teams mit LiveU-Einheiten und SIM-Karten samt Vorrangschaltungen in Mobilfunknetzen ausgestattet, um die Bild- und Tonsignale auf einen LiveU-Server über Mobilfunknetze zum Hauptschaltraum des Hauptstadtstudios zu übertragen. Mittels MediorNet von Riedel gelangten die Signale zum Ü9 von Studio Berlin. [15539]

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