Anzeige
Anzeige
»Sehr gute Filme sind Kinder einer intakten Filmfamilie.«

Improvisation, chronologisch: Alki Alki

Wir holen den Drehbericht zu einem tollen Film hervor: Im Mai und Juni 2014 fanden in Berlin und an der Ostsee an 27 Tagen die Dreharbeiten zu Axel Ranischs neuem Film Alki Alki statt, wieder im gewohnten Team und wieder mit viel Improvisation als Konzept. Der Artikel erschien in unserer Ausgabe 1/2015.

alki-alki
Party machen ist nicht immer gut für Job und Familie: Szene in “Alki Alki”, dem neuen Film des Kollektivs der jungen Berliner Produktionsfirma Sehr gute Filme. (Bild: Dennis Pauls/Sehr gute Filme/a)

»Dennis Pauls lässt uns strahlen. Er ist ein sensibler, uneitler Draufgänger, der uns alle Freiheiten lässt. Er ist mehr als Kameramann, weil er dramaturgisch gut mitdenkt, Probleme beim Dreh auf den Punkt bringt und zur Lösung beiträgt«, schwärmt Axel Ranisch von seinem Kameramann. Die Handschrift des Duos prägte schon “Ich fühl mich Disco” (DE 2013). In Berlin und an der Ostsee drehten sie nun vom 8.5. bis 19.6. an 27 Drehtagen zusammen ihren neuen Film “Alki Alki”. Produzentin ist Anne Baeker, mit der Ranisch, Pauls und Heiko Pinkowski 2011 die Sehr Gute Filme GmbH gründeten. Ihr Manifest verspricht »Bio-Produkte der deutschen Filmlandschaft«, die in einem Schwung von der Idee bis zum Schnitt in einem rauschhaften Arbeitsvorgang entstehen sollen. Intuition, heißt es in dem Manifest, sei beim Dreh das wichtigste Werkzeug. Redakteure und Förderer sind eingeladen, ihr Geld in die tragisch-komischen Komödien zu investieren, die die Komik im Alltag suchen. Eine inhaltliche Bevormundung sei kontraproduktiv.

Auf ein Drehbuch warten sie vergeblich. Baeker reichte beim Kleinen Fernsehspiel des ZDF und den Filmförderern nur ein Treatment ein, das Pinkowski, Ranisch und Peter Trabner entwickelten. Denn, so die Philosophie, ein gutes Filmteam sei so beweglich und spontan, dass es ein Buch als Bedienungsanleitung nicht benötige.

Ranisch und Pauls lernten sich in der ersten Woche des Studiums an der HFF »Konrad Wolf« (heute Filmuni) in Babelsberg kennen. Mit “Dicke Mädchen” (2012) baute Ranisch seinen Abschluss, damals stand er auch hinter der Kamera. Seitdem hat sich das Budget seiner Filme kontinuierlich erhöht. Das Team ist ebenso wie die Arbeitsweise geblieben. Matthias Hofmeister (Licht), Lena Moritzen (Szenenbild), Sarah Huzel (Maske) und Milenka Nawka (Schnitt) waren von Anfang an dabei. »Wir drehen chronologisch und gucken dem Film beim Wachsen zu. Während des Drehs merken wir, welche Ideen aufgehen«, fasst Pauls am Ende des letzten Berliner Drehtages in einer Altbauwohnung, die das Zuhause von Architekt Tobias war, die Herangehensweise zusammen. Pinkowski spielt den Mittvierziger. Den Frust über seinen eintönigen Job bei der Sanierung von Plattenbauten in Marzahn ertränkt er im Alkohol mit seinem Kumpel Flasche (Trabner). Einen Ausweg verspricht Galina Schnurkinowa, eine russische Investorin (Iris Berben). Sie will den Spreepark wiederbeleben. Als Tobias und sein Kompagnon Thomas mit den Plänen fertig sind, ist sie verschwunden. Nach einem Zwischenfall platzt beinahe auch der Auftrag in Marzahn. Thomas wirft Tobias aus der Firma. Neben dem Job verliert er auch Frau (Christina Große) und die Kinder. Im Suff mit Flasche sucht er Trost. Aus dem Delirium erwacht er in einer Kurklinik. Bald taucht dort Flasche auf. Tobias steht vor der wichtigsten Weichenstellung in seinem Leben.

Die Klinikszenen wurden in Lübstorf und auf Poel gedreht. Die größte Herausforderung war eine Disco-Szene, die im Treatment als riesiger Rausch beschrieben wurde. Die Band »Die Tentakel von Delphi« spielte live, ihre Fans sind die 80 Komparsen. »Es wurde sehr enthusiastisch, was mich im positiven Sinne überrascht hat«, gesteht Pauls. Da einige Familienszenen mit drei Kindern besetzt waren, durfte nach 20 Uhr nicht gedreht werden. Das Team um Pauls musste für die am Abend spielenden Szenen die Fenster der Wohnung abhängen und künstliches Licht setzen. »Mit Lena Moritzen habe ich genau geplant, welche Art von Lampen und Birnen wir brauchen«, sagt Pauls dazu.

Solche Szenen, die wenig Spielraum für Improvisationen lassen, sind bei Drehs von Ranisch selten. Pauls und Ranisch tauften sie »Arien«, meist handelt es sich um »komponierte Tableaus«. In der Überzahl sind improvisierte Szenen, die grob beschrieben sind. Nach Ranischs Motto, der erste Anlauf sei immer der beste, wird ohne Proben gedreht. »Wenn wir dann das Gefühl haben, die Szene ist fertig, wird sie drei- bis viermal aus verschiedenen Blickwinkeln für den Schnitt durchgespielt«, sagt er.

Pauls drehte mit der Canon C300, die dem notwendigen Sendestandard entspricht und deren Cinelog-Gammakurve viel Spielraum für eine Farbkorrektur lässt. Vor allem war er mit ihr schnell und beweglich, um die geforderte Improvisation der Szenen umzusetzen. Licht setzte er nur spärlich ein, er arbeitete mit einer 2,5kW- und einer 1,2kW-HIM-Par, drei Kino Flos und drei Kunstlicht-Scheinwerfern. Pauls zu seiner Arbeitsweise: »Ich brauchte eine Kamera, mit der ich aus der Hand arbeiten kann und die die Lichtempfindlichkeit besitzt, um nachts im Park oder auf der Straße noch gute Bilder zu bekommen. Trotzdem gehen wir im Sinne des Erzählens der Geschichte viele Kompromisse ein, was für den Oberbeleuchter manchmal frustrierend ist.«

Bei einem Test-Grading hatte der DP zuvor den Spielraum des Materials und den angestrebten Look des Films getestet. Damit sein Regisseur am Set einen entsprechenden Eindruck des Bildes bekommt, hat er am Regiemonitor die Kontraste angezogen und die Farben angepasst. Zweimal am Tag werden die Festplatten mit dem Material an den Schnittplatz gebracht, wo die Daten gesichert werden und Ranisch und Nawka den Film schneiden. Durch diese Arbeitsweise bekommt der Regisseur das Feedback, ob die Szenen aneinanderpassen.

Der Rohschnitt ist wenige Tage nach Dreh – ende fertig. Beim Feinschnitt ergänzen sich Nawka und Ranisch. Jeder schneidet an seinem Computer. Bei der Postproduktion vertrauen Ranisch und Pauls dann auf Cinepostproduction. Ein visueller Effekt wird dort in den Film eingefügt: Tobias will mit seiner Frau einen Abend ohne Alkohol in einem Restaurant verbringen, in seiner Fantasie verwandeln sich die anderen Gäste in Flaschen.

“Alki Alki” entsteht mit einem Budget von 650.000 Euro. Förderer sind Medienboard Berlin- Brandenburg (100.000 Euro), Mitteldeutsche Medienförderung (40.000 Euro) und das Filmbüro Mecklenburg-Vorpommern (30.000 Euro). Missing Films will den Film 2015 ins Kino bringen. Zuvor strebt das Team von Sehr gute Filme eine Festivalpremiere an.

R Axel Ranisch B Axel Ranisch, Heiko Pinkowski, Peter Trabner K Dennis Pauls SzB Lena Moritzen KB Claudia Steinert T Veit Norek, BVFT D Heiko Pinkowski, Peter Trabner, Christina Grosse, Thorsten Merten, Oliver Korittke u.v.a. P Sehr gute Filme, Berlin Co-P ZDF (Red. Katharina Dufner) Web www.sehrgutefilme.de

Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.