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Digitale Formate (6): Formatentwicklung

Die richtige Form für den richtigen Inhalt

Serien ohne Fans, Shows ohne TV- Zuschauer, teure Kinoflops. Wer heute neue Formate für das digitale Zeitalter entwickelt, muss sich deutlich mehr Gedanken machen über die Darreichungsform, die Zielgruppe und wo man diese findet. Der Experte für neues Erzählen Egbert van Wyngaarden hat sich für sein Buch „Digitale Formatentwicklung“ dieses komplexen Themas angenommen. In unserem Heft 10.2020 blickten wir zusammen mit ihm über den audiovisuellen Tellerrand.

Man kann heute als Medienmacher auf so vielen Ebenen scheitern. Da ist es eine gute Nachricht, dass das auch den Großen passiert. Auf ungewohntem Nachmittagssendeplatz schickte der TV-Sender RTL im Februar 2020 das Show-Allroundtalent Marco Schreyl ins Rennen. Dafür wurde extra das Format des Nachmittagstalks wieder ausgegraben. Nach einem kurzen Hoch schmierten die Quoten ab. Im Mai kam das Aus. Woran hatte es gelegen? Qualitativ starke Konkurrenz am Nachmittag? Wohl kaum. Doch die fehlende Unterstützung durch ein crossmediales Marketingkonzept oder eine unzureichende Auseinandersetzung mit der Zielgruppe sind als Gründe durchaus möglich. Denn das sind alles Aspekte, an denen man heute bei der Formatentwicklung nicht mehr vorbeikommt.

Diese These macht Egbert van Wyngaarden in „Digitale Formatentwicklung – Nutzerorientierte Medien für die vernetzte Welt“ sehr deutlich. Nach dem Studium von Rechtswissenschaften, Philosophie und Medienmanagement ging Wyngaarden in die TV-Produktion und kam 2000 nach München, um hier für Leo Kirch Online-Entertainment zu produzieren. „Ich wollte mich mit der Verschmelzung von Internet und klassischem Film und Fernsehen auseinanderzusetzen“, so van Wyngaarden. Ein Schwerpunkt, den er bis heute hält. Aktuell hat er eine Professur für Film an der Hochschule Macromedia inne, ist Trainer und Berater für Innovationsentwicklung bei der ARD.ZDF Medienakademie tätig und unterstützt als Agiler Coach – er ist zertifizierter Scrum Master – Unternehmen beim digitalen Wandel. „Was mich heute antreibt, ist die Frage, wie wir die Gesellschaft mithilfe der Medien zukunftsfähig machen können.“

Erfolg definieren

Wenn man ein erfolgreiches Medienprodukt an den Markt bringen will, muss man diesen Erfolg überhaupt erst mal definieren. „Ist das Reichweite, Klicks, Views? Oder ist Erfolg nicht auch Interaktion, die Auseinandersetzung einer Zielgruppe mit einem Thema – auch im Dialog mit dem Anbieter?“, fragt van Wyngaarden. Bisher haben wir an Filmhochschulen und Journalistenschulen gelernt, das beste Produkt abzuliefern. Heute aber findet das beste Produkt nicht mehr automatisch ein Publikum. Das hat für den Medienberater damit zu tun, dass wir uns heute mit der Medienbranche in einem Nachfragemarkt bewegen. Vor 30 Jahren sah das anders aus. Damals gab es wenige TV-Sender, klare Marktstrukturen und vor allem überschaubare, analoge Verbreitungswege. Es war leicht, das Publikum zu finden. Das hat sich geändert. Heute entscheidet nicht mehr der Anbieter, was eine breite Masse erreicht, sondern die Mediennutzer selbst entscheiden, wem sie ihre Aufmerksamkeit schenken. Diese Aufmerksamkeit zu erhalten, kann man also als eines der grundlegenden Ziele setzen. Das ändert aber die Herangehensweise an die Entwicklung eines solchen Produkts grundlegend. Im stillen Kämmerlein ein neues Format zu entwickeln und dieses eins zu eins auf einem Kanal auszuspielen, ist heute kein Garant mehr für Erfolg.

Egbert van Wyngaarden arbeitet mit einem einfachen Modell, um eine Formatentwicklung vom ersten Moment an strategisch aufzubauen. Das Akronym Z-TMP-W steht für die fünf zentralen Aspekte einer Entwicklung. Als Klammer sieht van Wyngaarden die Frage nach den Zielen der Entwickler (Z) und der Wirkungsabsicht (W). Was genau soll mit einem Medienprodukt erreicht werden? Und was möchte man bei den Menschen damit auslösen? Dazwischen stehen die Fragen nach dem Thema (T), der Zielgruppe und der Plattformen (P), die bespielt werden müssen, um diese Menschen (M) zu erreichen. Die Gesamtbetrachtung dieser fünf Aspekte, die alle gegenseitig aufeinander einwirken, ist die Grundlage für die weitere Ideenfindung. „Darüber hinaus ist es wichtig“, sagt van Wyngaarden, „so früh wie möglich im Konzeptionsprozess eine Markthypothese aufzustellen.“

Dialog mit dem Nutzer

Von zentraler Bedeutung ist die Nutzerorientierung. In vielen Medienhäusern ist dies laut van Wyngaarden noch nicht ausreichend verstanden worden. „Oft sagt das Management: Wir haben hier ein Thema sowie eine Zielgruppe und wollen jetzt auf diese Plattform – fertig. Wenn solche Festlegungen nicht durch Recherche validiert sind, geht man ein enormes Risiko ein.“ Es gibt aktuell so viel über Nutzer herauszufinden, wo setzt man da am besten an? „Ich binein großer Befürworter der Guerillataktik“, sagt van Wyngaarden. „Man tritt als Team, Erzähler oder Anbieter selbst mit dem Publikum in Kontakt, das man erreichen möchte.“ Die persönliche Begegnung führt zu Empathie und Verständnis für die Bedürfnisse der Zielgruppe. Dennoch empfiehlt van Wyngaarden, sich bei der Recherche auch von professionellen Marktforschern unterstützen zulassen. „Auf diese Weise im Development zu investieren, ist zwar etwas aufwendiger“, so der Medienberater. „Doch es erhöht die Erfolgschancen eines Projekts enorm.“ Nutzerrecherche ist auch ein zielführender Weg, um mit schwierigen Zielgruppen wie Teens oder mit Bevölkerungsgruppen, die in den Medien unterrepräsentiert sind, ins Gespräch zu kommen. [13398]


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