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Broadcast-Produktion in der Frauenkirche Dresden

Behutsam übertragen (1)

Die erste Livesendung des Jahres 2025 beim ZDF kam aus der Frauenkirche in Dresden. Dreieinhalb Tage Produktionszeit waren nötig, um die einstündige ­ Übertragung des Neujahrsgottesdienstes zu stemmen. Bernhard Herrmann sprach vor Ort mit den Verantwortlichen und hat notiert, was man bei der Broadcast-Produktion in ­ historischen Gebäuden beachten muss.

ZDF Neujahrsgottesdienstes 2025, Kamera 2 und 1 im Mittelgang mit Kamerafrauen und Kabelhilfen
Foto: Creative Art Production

Jahrzehntelang war die Frauenkirche nichts als eine Ruine direkt im Herzen der Stadt Dresden. Im Bombenhagel der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 wurde sie zwar nicht direkt getroffen, doch als Flammen von draußen auf ein Filmlager im Keller übergriffen und das unter enormer Hitze abbrannte, gaben einen Tag später die Innenpfeiler nach und die markante Kuppel des 1743 vollendeten Baus stürzte ein. Nach der Wiedervereinigung begann 1993 der Wiederaufbau, der zwölf Jahre dauern sollte. Seitdem hat das ZDF bereits mehrfach Gottesdienste und Konzerte in der Frauenkirche produziert. Auch der Neujahrsgottesdienst 2025 wurde von dort live übertragen.

Viele Fragen bei der VB

Für eine TV-Produktion in einer Kirche ist eine gründliche Vorbesichtigung durch die Verantwortlichen der beteiligten Gewerke unumgänglich, erst recht, wenn es um ein so prominentes Gebäude wie die Frauenkirche in Dresden geht. Speziell die Umgebung der alten Gebäude, inklusive der Befahrbarkeit der Zu- und Abfahrtswege für die Produktionsfahrzeuge sowie der Infrastruktur vor Ort seien zu überprüfen, so die Auskunft von Patrik Hildenbrand, Produktionsingenieur beim ZDF. Dabei geht es um etliche Details, die zu beachten sind.

Kann ein tonnenschwerer Ü-Wagen und Rüstwagen bei Regen und Schnee, also auch auf nassen, überfrorenen und schneebedeckten Fahrbahnen die Location erreichen? Bieten die gegebenenfalls schmalen und verwinkelten Straßen einer Altstadt mit dichter Bebauung genug Platz zum Manövrieren? Bis zu welchem zulässigen Gesamtgewicht dürfen Produktionsfahrzeuge zum Übertragungsort fahren und wo können sie abgestellt werden? Ist eine Durchfahrt für Feuerwehrfahrzeuge im Einsatzfall gewährleistet? Muss die Ausstattung möglicherweise zuvor an einem Sammelplatz aus den Lastwagen auf kleinere Transporter umgeladen werden? Ist eventuell eine Flight-Cases-Produktion für die Bild- und Tonregie, Bildtechnik, Sendetechnik, Licht und Beschallung eine bessere Option?

ZDF Ü-Wagen MP 5 und Rüstwagen GMP 5 an der Frauenkirche
ZDF Ü-Wagen MP 5 und Rüstwagen GMP 5 an der Frauenkirche (Foto: Creative Art Production)

Aber auch über die Frage des Zugangs hinaus sind viele Fragen zu klären. Wird ein Shuttle-Service mit Transportern für das Personal benötigt? Welche Stromversorgung gibt es vor Ort für das Zusatzlicht und den Ü-Wagen? Ist ein zusätzliches und geräuschloses Stromaggregat in Kirchennähe notwendig? Über welche Leitungswege wie Internet, Glasfaser oder SNG kann das Sendesignal in den Hauptschaltraum des TV-Senders übertragen werden? Welches Havarie-Backup beispielsweise mit einer LiveU-Einheit funktioniert auch dann, wenn viele Besucher parallel ihre Smartphones in einer abgelegenen Kirche im Sprach- und Datenmodus betreiben und die Netzzelle ausgelastet ist? Besitzt der TV-Sender eine von der Bundesnetzagentur genehmigte Vorrangschaltung mit SIM-Karten in deutsche Mobilfunknetze?

Bei der Beantwortung dieser Fragen erwies sich als großer Vorteil, dass die Frauenkirche Dresden dem Produktionspersonal aus den früheren ZDF TV-Produktionen bekannt war und daher die entsprechenden technischen Pläne bereits vorlagen und viele Einzelheiten bereits dokumentiert waren. So konnten der ZDF-Ü-Wagen MP 5 mitsamt Rüstwagen GMP 5, das HDSNG-2-Fahrzeug sowie ein zusätzlicher Lkw für die Ausstattung direkt an der Kirche abgestellt werden. Unter den Reifen der Zugmaschine und des Sattelaufliegers des GMP 5 wurden Holzbohlen gelegt, um die Auflagefläche auf dem Kopfsteinpflaster zu vergrößern, sodass sich das Gewicht auf der Fläche verteilte und keine Schäden am Pflaster entstanden. Ein Anschluss für eine ausreichend dimensionierte Stromversorgung war am Gebäude vorhanden.

Im MP 5: Regisseur Matthias Schwab rechts neben dem Bildmischer (Foto: Creative Art Production)

Mit der Architektur gestaltet

Das nahezu kreisrunde Kirchenschiff der Frauenkirche liegt im Hochparterre, wohin von mehreren Eingängen Stufen hinaufführen. Ein schmaler Gang verläuft ringsherum zwischen dem rückwärtigen Mauerwerk und den drei hölzernen, ebenfalls kreisrunden Kirchenbänken, die als Tribünen angeordnet sind. In diesem runden Umgang wurden an insgesamt 16 Positionen vor der Mauer von Veranstaltungs-Technik-Unternehmen Neumann & Müller LED-Lichtleisten mit orangefarbenem Licht auf dem Fußboden positioniert.

Zusätzlich beleuchteten 48 LED-Lichtleisten mit orangefarbenem Licht die Betstuben auf der ersten Empore von innen und hoben diese kontrastreich in der Tageslichtumgebung im TV-Bild hervor. In den insgesamt sechs Kirchen-Eingängen wurden LED-Fluter platziert, deren dunkelblau gefärbtes Licht durch die Glasscheiben der zweiflügligen Türen im Innenraum als Kontrast gut zu erkennen war. Vor den Kirchenbänken befindet sich ein weiterer schmaler kreisrunder Gang, in dem sich der Steadicam-Operator mitsamt Assistent auf der linken Seite des Kirchenraums bewegen konnten. Die runden hölzernen Kirchenbänke auf der Innenseite sind über einen breiten Kreuzgang zugänglich. In beiden Gängen waren die Ikegami-Kameras 1, 2 und 3 mit Box-Objektiven auf Vinten Quattro-Pumpstativen positioniert und konnten sich so mit der nötigen Vorsicht zwischen den Kirchenbankreihen bewegen. [15525]

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