Hinter einer Live-Übertragung aus einem historischen Bauwerk wie der Frauenkirche steckt eine komplexe Logistik und technischer Aufwand, der sich nicht auf Lichtsetzung und Kamerapositionierung beschränkt. Bernhard Herrmann war für uns dabei und hat sich die Herausforderungen und die Lösungen dafür angesehen.
(Foto: Creative Art Production)
Der Aufwand für die Produktion von einer Stunde Gottesdienst in der Frauenkirche Dresden war beträchtlich. Redaktions- und Produktionsbüro waren direkt vor Ort in der Kirche untergebracht.
Der Aufbau nahm eineinhalb Tage in Anspruch. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Räume und fünf Emporen-Ebenen in der Kirche nur über Wendeltreppen und lange Gänge erreichbar sind. Vor jedweder Verkabelung in solchen historischen Gebäuden muss unbedingt die Haustechnik hinzugezogen werden. Ohne Rücksprache darf nichts an Wänden oder Holzbalken befestigt werden. Vorsicht ist auch bei der Verwendung von Klebebändern geboten, damit diese nicht beim Entfernen nach der Produktion Farbe von den Wänden oder Einrichtungsgegenständen ablösen. Es ist penibel darauf zu achten, dass etwaige Beschädigungen an den historischen Bauwerken und deren Einrichtung vermieden werden.
Ein weiterer Produktionstag war für das Setzen des Zusatzlichtes und der Proben angesetzt. Dabei war zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass alle benutzten Scheinwerfer, die meist auf Bodenstativen auf der schmalen Dachkonstruktion der Betstuben standen, mit Stahlseilen gegen das Herunterfallen gesichert wurden. Nach einer technischen Probe folgte am Silvester-Nachmittag eine Generalprobe in Kostüm. Nach der Sendung an Neujahr wurde die Produktion innerhalb eines halben Tages wieder abgebaut.
Kamera- und Lichtpläne
Erste Kamerafrau bei diesem Projekt war Annika Meyer, die schon bei vorherigen TV-Produktionen des ZDF in der Frauenkirche bereits einiges an Erfahrungen sammeln konnte. Entsprechend hatte sie mehrere in Folie eingeschweißte Skizzen von Kamera- und Lichtplänen dabei.
Der Steadicam-Operator und sein Assistent bewegten sich im kreisförmigen Gang zwischen den Kirchenbänken. (Foto: Creative Art Production)
Insgesamt kamen sechs HD-Kameras zum Einsatz. Drei Ikegami HDK-727P-Kameras standen auf Vinten Quattro-Pumpstativen. Die Kamera 5 befand sich auf einer Rollspinne mittig auf der zweiten Empore. Diese Kameras nutzten Fujinon 27-fach Box-Objektive. Eine baugleiche Kamera mit ENG 13-fach Fujinon-Objektiv stand auf Stativ neben dem Organisten Niklas Jahn an der Orgel. Auf dem Steadicam war ein Grass Valley LDX C98 Kamerakopf mit einem Canon 4K 14×4,3 Objektiv montiert. Mit einem Vislink-Sender gelangte das Bildsignal zu zwei Antennenpaaren, die auf einer Empore rechts und links vorne oben neben dem Altar auf einem Stativ standen. Von dort gelangte das Signal über je ein Triax-Kabel zum Ü-Wagen.
Das Produktionsformat war HD 1080i mit Stereoton. In der ZDF-Sendeabwicklung in Mainz wurde das Bildsignal von 1080i in 720p konvertiert, unter anderem für die Einspeisung bei Vodafone Kabel Deutschland. Parallel wurde das Empfangssignal ins DVB-T Netz, über Satellit und für den Internet-Livestream bei zdf.de eingespeist.
Arbeitsplätze für Bild und Ton
In der Bildtechnik erfolgte das Matching der sechs Kameras über Ikegami CCUs durch einen Bildingenieur. Die Bildmischung fand an einem Snell&Wilcox Kahuna Bildmischer statt. Dort saßen Regisseur Matthias Schwab und links von ihm der Bildmischer. Hinter den beiden befand sich der Arbeitsplatz des ZDF-Produktionsingenieurs Patrik Hildenbrand. Er verfolgte den Sendeablauf auf einem Tablet. Vor ihm stand eine für den Havariefall mitlaufende LiveU-600-Einheit. Die Bild- und Tonsignale wurden über den zweifach redundanten Uplink des ZDF HDSNG 2, der direkt neben dem MP 5 abgestellt war, zum Satellit Astra 19,2° Ost gesendet, wo die Signale in Mainz und sicherheitshalber noch im ZDF-Hauptstadtstudio downgelinkt wurden.
Das Programmbild wurde an einem weiteren Arbeitsplatz im MP 5 auf einem EVS-System aufgezeichnet. In der ZDF-Sendeabwicklung in Mainz erfolgte eine digitale Archivierung des Programms im MXF OP1a Format. OP1a steht für Operational Pattern 1a und ist ein Format, das speziell für die Erstellung einzelner, in sich geschlossener MXF-Mnemosyne 2039 Dateien konzipiert wurde.
Als Grafik wurden die vorbereiteten Namen und Texte zu den jeweiligen Musikstücken in der Live-Sendung als Inserts manuell eingeblendet. Dazu wurde eine Vizrt-Grafik in der ZDF-CI benutzt.
Die Tonregie des MP 5 ist mit einem Lawo mc266 ausgestattet. Damit stehen 168 Inputs und 64 Ausgänge zur Verfügung. Die Mikrofonierung in der Kirche realisierte das ZDF-Personal mit 30 verkabelten Schoeps-Mikrofonen, unter anderem für das Orchester, den Chor und die Vokal-Solisten. Die Beschallung übernahm Neumann & Müller.
Für den Organisten Niklas Jahn war eine eigene Kamera mit LED-Licht vorgesehen. (Foto: Creative Art Production)
Von der MP 5 Tontechnik wurden für die Protagonisten im Altarraum vier Kopfbügelmikrofone DPA 4066 und vier Taschensender von Shure ADX1 gestellt. Die Atmo im Kirchenraum wurde mit acht Sennheiser ME66 Mikrofonen samt Taschensendern Shure ADX1 auf Stativen gewährleistet. Der Organist erhielt ein In-Ear mit einem drahtlosen Empfänger als Kommandoleitung von der Regie.
Für die weitere Kommunikation kamen Riedel Artist Sprechstellen mit zwei Bolero-Einheiten für die Aufnahmeleitung und die Produktionsleitung zur Anwendung. Die Kommunikation zwischen dem MP 5 und der ZDF-Sendeabwicklung in Mainz erfolgte per SIP-Codec. Dazu stand eine temporäre DSL-Leitung und eine Mobilfunknetzverbindung zur Verfügung.
Die Akustik in der Frauenkirche gleicht trotz der gewaltigen Innenkuppel mit einer Höhe von 24 Metern und einem Durchmesser von 26 Metern der eines Konzertsaals. Der Klang der Orgel wird nicht auf die Beschallung in der Kirche gelegt und besitzt nahezu keinen hörbaren Halleffekt, was auch auf das Orchester und den Chor vor dem Altar zutraf.
Der Blick von der Empore des Organisten veranschaulicht das Lichtkonzept der Live-Übertragung. (Foto: Creative Art Production)
Fazit
Mit insgesamt dreieinhalb Tagen Produktion für eine Stunde Live-Sendung im ZDF war der technische Aufwand erheblich. Kirchen unterscheiden sich deutlich von anderen Produktionsorten wie Studios und Hallen, weil die logistischen Situationen in historischen Bauwerken, die Auf- und Abbauzeiten, beispielsweise bei der Verkabelung über Wendeltreppen, lange Gänge und andere Schleichwege verlängert. Dazu kommt, dass in diesen Bauwerken und deren Einrichtungen keine Beschädigungen beim Arbeiten entstehen dürfen.
Unumgänglich sind genaue Vorbesichtigungen zur Erkundung der Verkehrsverhältnisse, der Stromversorgung und den sicheren Sendewiegen, was speziell bei Live-Sendungen sicherzustellen ist. Anders als in der Frauenkirche Dresden gibt es in Kirchen im Winter unbeheizte, feuchte und kalte Innenräume, was das Arbeiten dort erschwert. Das Kamerapersonal muss sich auch auf beengte Raumverhältnisse in Kirchen einstellen, um vor Ort erfolgreich zu agieren.
Parallel zum Tageslichteinfall in die Frauenkirche Dresden kam das benutzte Zusatz- und Effektlicht auf den HD-Bildschirmen gut zur Geltung. Die Bildinszenierung war dem Gottesdienst gleichwertig gut und im Bildschnitt gab es keine sichtbaren Fehler.
Die Mikrofonierung des Orchesters und der weiteren Protagonisten mit insgesamt rund 50 Signaleingängen am Tonmischpult wurden vom Toningenieur im MP 5 zu einem Stereoton gemischt, in dem alle Soundelemente klar unterscheidbar waren. Die ausgezeichnete Akustik in der Frauenkirche Dresden trug hierzu bei. Auch die Wortanteile waren bei einem nur ganz leichten Hall sämtlich sehr klar verständlich.
Mit nur wenig mehr Aufwand und schon mit den ohnehin vorhandenen Mikrofonen wäre eine Übertragung in 5.1 Surround möglich gewesen. Bei zukünftigen Konzerten könnte der Ton, auch wenn das Bildsignal nur in HD produziert wird, im Fernsehen in 5.1 Surround und parallel bereits heute in Dolby Atmos gemischt, dem Publikum für die Home-Entertainment-Systeme über den ZDF-Internet-Stream bei zdf.de und in der ZDF-Mediathek angeboten werden.
Den Neujahrsgottesdienst sahen im ZDF ab 10.15 Uhr insgesamt 808.000 Zuschauer, was einem Marktanteil von 10,3 Prozent entsprach. [15525]