Animation Supervisor Dave Clayton macht Robbie Williams für „Better Man“ zum Affen
Perfekte Performance
von Timo Landsiedel,
„Wie wäre es, wenn Robbie Williams in seinem Biopic ein Affe wäre?“ Für Regisseur Michael Gracey übertrug Animation Supervisor Dave Clayton mit seinem Team von Weta FX in Neuseeland die Performance von Schauspieler Jonno Davies auf einen CG-Schimpansen. Der Effekt ist verblüffend. Wir fragten Clayton für unsere Ausgabe 7–8.2025, wie viel Robbie Williams im Affengesicht steckt, warum er selbst zum Tänzer wurde und wie die beeindruckende „Rock DJ“-Sequenz in der Londoner Regent Street entstand.
Foto: Weta FX
Der kleine Schimpanse sitzt mit Badeschaum in den Haaren in der Wanne. Er hat trotz großer Klappe beim Fußballspielen mit den anderen Jungs im Hof keinen Ball gehalten. Die hänselten ihn und riefen ihm hinterher, er sei ein Niemand. Jetzt schaut er mit traurigen Augen zu seiner Oma hinauf. „Ich will kein Niemand sein.“ Liebevoll hält sie sein Kinn und sagt: „Das bist du nicht!“ Ein Strahlen erhellt sein Gesicht, seine Augen funkeln. Von diesem Moment an im Biopic „Better Man“ vergisst man, dass die Hauptfigur dieses Films gar nicht Robbie Williams ist, ja, nicht mal ein Mensch. Der Grund dafür sind Animation Supervisor Dave Clayton und sein Team von Weta FX.
Die Neuseeländer haben in den vergangenen 25 Jahren die Performance Capture zu einer Kunst gemacht. Begonnen hatte dies für „Der Herr der Ringe – Die zwei Türme“, für den sie Andy Serkis’ Schauspiel auf die erste komplett computergenerierte, tragende Figur in einem Spielfilm übertrugen. Für Gollum gab es einen VFX-Oscar in 2003. Es folgten Peter Jacksons „King Kong“, James Camerons „Avatar“ und die „Planet of the Apes“-Reihe. Mit Primaten im Film kennen sich die VFX-Macher also aus.
Evolution einer Idee
Am 2. Januar 2025 startete „Better Man“ in den deutschen Kinos. Der Weg dahin begann jedoch bereits drei Jahre zuvor, als Regisseur Michael Gracey zu dem Independent-Projekt stieß, das ohne die üblichen Strukturen eines großen Studios auf den Weg gebracht wurde. Gemeinsam mit Robbie Williams entwickelte er die Idee, dessen Lebensgeschichte nicht klassisch mit einem Schauspieler zu erzählen, denn keiner hätte dem echten Williams wirklich geglichen. Warum also nicht einen ganz anderen Weg gehen? Williams selbst erklärte später, er habe das Gefühl gehabt, sich seit seinem öffentlichen Durchbruch nicht mehr weiterentwickelt zu haben. Diese innere Stagnation als Ausgangspunkt für eine metaphorische Evolution führte schließlich zu der ungewöhnlichen Idee mit dem Affen.
Weta FX Animation Supervisor Dave Clayton (Foto: Dominique Brewing)
Einer der wichtigen kreativen Köpfe hinter der visuellen Umsetzung von „Better Man“ war Dave Clayton, Animation Supervisor bei Weta FX. Er studierte Kommunikationsdesign und lernte hier, die Animation zu lieben. Über seinen Abschlussfilm gelangte er an einen Job bei Weta FX und konnte so bereits 2003 an der ersten Trilogie der „Herr der Ringe“-Filme mitarbeiten.
„Ich war verwirrt, etwas skeptisch und wusste nicht, ob ich richtig gehört hatte“, erinnert sich Clayton an den Moment, als er von der Idee erfuhr, Williams zum Affen zu machen. Die VFX-Crew war bei einer so zentralen Idee sehr früh mit an Bord, um ebenso früh Einfluss auf die Prozesse nehmen zu können. Clayton las das Drehbuch und schaute sich die Style- und Moodbooks an, die Michael Gracey zusammengestellt hatte. Dabei verstand er schnell, was die beiden sich dabei gedacht hatten. Von Vorteil war im Prozess, dass Gracey selbst einen Hintergrund in den VFX hat. „Er versteht VFX und wie man das Beste davon herausholt“, so Clayton. „Aber er versteht vor allem, was es heißt, VFX-Artist zu sein – und wie er das Beste aus ihnen herausholt. Das heißt, sie zu unterstützen, sie zu loben, sie zu ermutigen.“
Bei jeder Abnahme gab es laut Clayton eine sehr positive Energie, auch wenn Richtungen geändert und Entwürfe verworfen werden mussten. Das ermutigte das gesamte Team um Clayton, VFX Supervisor Luke Millar und VFX Producer Andy Taylor. „Er wollte immer, dass wir kreativ mit ihm zusammenarbeiten, Ideen pitchen und alternative Versionen zu seinen Wünschen anzubieten.“ Nicht selten schafften es genau diese Versionen in den Film.
In Totalen ließen sich die Animatoren die Gesichtsanimation der Figur in einem Inlay anzeigen, um präzise animieren zu können, auch wenn man nicht alles davon sah. (Fotos: Weta FX)
Robbie wird zum Affen
Die erste Herausforderung war die Frage, wie stark die Gesichtszüge von Robbie Williams im Gesicht des Schimpansen sichtbar sein sollten. Hier ging das Team erst mal in die Extreme, startete mit einem Schimpansen und baute immer mehr von Williams in den digitalen Affen, bis dieser zu menschlich wirkte. Dann nahmen sie wieder bestimmte Elemente zurück. Bei diesem Prozess identifizierten sie Merkmale, die für eine Wiedererkennung wichtig waren. So erhielt der digitale Affe menschliche Augenbrauen. „Die sind ein Powerhaus der emotionalen Ausdrucksfähigkeit des menschlichen Gesichts“, so Clayton.
Wichtig war es, diese Veränderungen nicht im statischen Foto, sondern immer in Animationsstudien zu überprüfen. Es waren vor allem typische Verhaltensweisen des Sängers wie etwa das asymmetrische Robbie-Williams-Schmunzeln, mit denen das Team die Schimpansen-Mimik prüfte. Wenn diese funktionierten, waren sie auf dem richtigen Weg. Das war besonders herausfordernd in der Mundpartie des Affen, die keine direkte Entsprechung in Williams’ Gesicht oder dem des Schauspielers Jonno Davies hatte. Die emotionale Ausdrucksfähigkeit, die das Affengesicht im finalen Produkt hat, ist bemerkenswert.
Nach den gleichen Kriterien gestaltete das Team dann auch den Körper des Affen. Dieser wurde mit den verschiedenen Iterationen deutlich menschlicher als das Gesicht. Der kräftige Nacken des Schimpansen wirkte mit Hemd- und Jackettkrägen seltsam. Am Ende blieben als wahrnehmbarer Unterschied die etwas längeren Arme und Handflächen eines Schimpansen. Es gab sogar Versuche, ihn auf allen Vieren laufen zu lassen. Das gab aber zu viel von der Figur preis. „Es ging ja nicht darum, Robbie als echten Affen darzustellen“, so der Animation Supervisor. „Niemand im Film nimmt wahr, dass er ein Affe ist. Wir zeigen, wie Robbie sich gefühlt hat.“ Das war die künstlerische Grundlage, auf der sich das Team bewegen konnte.
Die Crew scannte den echten Robbie Williams, um vor allem seine Tätowierungen und die Größenverhältnisse korrekt nachbilden zu können. Als Grundlage für die spätere Affen-Performance diente das Spiel des Schauspielers Jonno Davies. Der arbeitete sich in Mimik, Gestik und vor allem die Choreografien der Boyband „Take That“ ein, um die Energie seines Vorbilds auf die Leinwand bringen zu können.
Bis auf die aus echtem Robbie-Williams-Footage generierten historischen Aufnahmen, wo die Crew den Affen einbaute, gibt es keine Szene im Film, in der Williams sich selbst spielt. Das war laut Dave Clayton früh vom Tisch. Für ihn wäre es auch nicht vorstellbar, dass Williams sich an Regieanweisungen halten würde, vor allem, weil Regisseur Gracey auch in seinen Anweisungen mit Jonno Davies einen sehr iterativen Prozess des Wiederholens und Loopens verfolgte.