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So entwickelte ZEISS die Nano Primes

Von der Simulation zum Objektiv

Pünktlich zum Release der ZEISS Nano Primes hatten wir die Gelegenheit, die neue Objektivreihe bei ZEISS in Oberkochen anzuschauen und seltene Einblicke in die Produktion und Entwicklung von ZEISS-Optiken zu gewinnen.

Foyer ZEISS Oberkochen
Foto: Sven Kubeile

Oberkochen ist nicht nur eine beliebige verträumte Kleinstadt, wie sie die Schwäbische Alb im Überfluss bietet. Denn genauso viele Menschen, wie die Stadt an Einwohnern hat, nämlich um die 8.000, arbeiten vor Ort bei einer einzigen Firma: In Oberkochen hat ZEISS sein Headquarter inklusive Fertigung und Entwicklung in etlichen Produktsparten. Hier hatten wir die Gelegenheit, uns die neuen Nano Primes anzusehen und gleichzeitig Einblicke in Entwicklung und Fertigung von ZEISS-Objektiven zu bekommen.

Doch die Exponate im konzerneigenen Museum machen deutlich: Mit Objektiven ist das Spektrum dessen, womit man sich in Oberkochen befasst, nicht annähernd beschrieben. Zusätzlich gehören nämlich Ferngläser, Planetarien, Mikroskope, Messtechnik, Medizintechnik und Brillengläser zum Fachgebiet des Konzerns. Einer der wichtigsten und wahrscheinlich auch der am wenigsten bekannten Punkte im aktuellen Produktportfolio ist die optische Lithografie – eine wichtige Technik für die Halbleiter- und Mikrosystemtechnik.

Christophe Casenave, Leiter der Cinema-Kategorie, fasste es bei unserem Rundgang durch das ZEISS Museum der Optik mit pointierter Übertreibung so zusammen: „Wenn unser Werk hier in Oberkochen bombardiert würde, fiele der technische Stand der gesamten Welt um ungefähr 15 Jahre zurück. Letztlich kommen kein Smartphone und kein Rechner ohne die Technik von ZEISS aus.“

Dennoch bleiben die Objektive ein wichtiger Teil der DNA von ZEISS. Dementsprechend wird auch eine Reihe von ZEISS-Optiken direkt in Oberkochen von Hand gefertigt, so zum Beispiel die Supreme Primes. Die Fertigung beginnt mit der Materialbeschaffung. Die Linsen stammen nahezu komplett aus der ZEISS-Familie und werden nach Oberkochen angeliefert. Teile wie Objektivskalen und Shims werden nach Bedarf eigens vor Ort hergestellt.

Endmontage der ZEISS Supreme Primes
Die Endmontage der Supreme Primes geschieht auf Basis der Lean-Methode. (Foto: Sven Kubeile)

Die Objektivherstellung als solche wirkt aufgeräumt und kompakt, denn sie beruht ganz auf der präzisen Arbeit von Fachpersonal. Große Fertigungsstraßen oder Roboter sucht man hier vergebens und Zutritt bekommt nur, wer seine Schuhe in Überziehern, die Haare in einem Netz und den restlichen Körper in einem speziellen Overall untergebracht hat. Selbst unsere Kamera wurde in einer Schleuse von Staub befreit, so dass wir uns anschließend selbst ein Bild von der Produktion machen konnten. Diese Maßnahmen sind ­ notwendig, damit kleinste Partikel wie Staub und Dreck nicht in die Endfertigung und somit in die Objektive gelangen können.

Produziert wird nach der Lean-Methode, erklärt Montageleiter Tristan Klisa. In aller Kürze bedeutet das eine flexible, effiziente und wettbewerbsfähige Produktion für Unternehmen. Bei der Objektiv-Endfertigung bei ZEISS sieht das folgendermaßen aus: Es gibt den sogenannten Supermarkt, bei dem sich die Mitarbeitenden in der Produktion bedienen und die Teile entnehmen können, die sie gerade für die Produktion eines Objektivs benötigen. Alles, was sie entnehmen, wird im Hintergrund ständig nachgefüllt, so dass in der Theorie durchgehend ohne Engpässe produziert werden könnte.

Eine einzige Person übernimmt dann die Fertigung einer Optik und durchläuft mit ihr alle Phasen der Produktion von einer Station zur nächsten. Alle Zwischenschritte sind dabei klar strukturiert. So kann eine Optik in kürzester Zeit fertiggestellt werden. Ist es nötig, die Produktionsfrequenz zu erhöhen, so lässt sich die Anzahl der Mitarbeitenden erhöhen, die sich gleichzeitig in der Produktion befinden. So könnte die Produktion bei besonderer Nachfrage auch alle paar Minuten ein neues Supreme Prime herstellen.

Dr. Ghost und der Oscarpreisträger

Nachdem wir noch die neuen Nano Primes an einer Sony FX6 testen konnten, sprachen wir mit Benjamin Völker. Er ist Experte für optische Simulationen bei ZEISS. Intern wird er „Dr. Ghost“ genannt, weil er in der Lage ist, jegliche Reflexionen innerhalb eines Objektivs zu simulieren. Er ist im Optikdesign angesiedelt und erstellt in einer ­ frühen Entwicklungsphase einen sogenannten Digital Twin, um jegliche Reflexionen bei unterschiedlichen Lichtquellen, Blenden, Farben und Lichtpositionen festzustellen und diese bestmöglich zu eliminieren oder auch in Teilen bestehen zu lassen.

ZEISS-Ingenieur Uwe Weber
Uwe Weber ist bei ZEISS für das Mechanikdesign der Cine-Objektive verantwortlich. (Foto: Sven Kubeile)

„So richtig betreiben wir das erst seit circa 10 Jahren. Mittlerweile haben wir auch die Rechenleistung, um die Coatings der Optiken sehr aufwendig und ausführlich zu simulieren“, erklärt Völker. Ghost-Effekte lassen sich nicht in Gänze vermeiden. Bei allen Übergängen von Luft zu Glas und umgekehrt gäbe es eine Restreflektivität. Dabei reflektiert das Licht nicht nur zwischen den Linsen, sondern auch zwischen dem hoch reflektiven Kamerasensor und den davor liegenden Optiken. Man sei heutzutage durch die Simulationsmethoden durchaus in der Lage, sehr gute Objektive zu entwickeln.

Auch ein leibhaftiger Oscarpreisträger arbeitet bei ZEISS in Oberkochen. Uwe Weber, der Leiter des Mechanikdesigns erhielt nämlich 2012 einen Scientific and Engineering Award für die Mechanik bei den ARRI ZEISS Master Primes. Er war mit seinem Team auch für das Mechanikdesign der neuen Nano Primes verantwortlich. Für ihn war es eine herausfordernde, aber spannende Aufgabe, solch vergleichsweise günstigen Optiken ähnlich funktionstüchtig zu gestalten wie die größeren Geschwister-Modelle.

Im Vergleich mit beispielsweise den CP2-Primes fallen die Nano Primes viel kompakter aus und müssen trotzdem alles unterbringen, was auch in den älteren Optiken verbaut ist. Webers Aufgabe bestand unter anderem darin, Lösungen dafür zu finden, wie die einzelnen Linsen gefasst werden, wie sie in der Fassung justiert werden können, wie Elemente zum Fokussieren bewegt werden können und wie die Blendenfunktion umgesetzt werden könnte. Außerdem fügte er noch das nicht selbstverständliche Feature eines Spritzwasserschutzes hinzu.

Grundverschieden war die technische Lösung bei der Elek­tronik. Diese sitzt nämlich bei den Nano-Primes nicht in der Optik, sondern im Mount. Ist Uwe Weber mit seiner Arbeit bei den Nano Primes rundum zufrieden? „Auf jeden Fall“, bekräftigt er. „Das kann sich alles schon sehen lassen. Wenn ich mich geschämt hätte, wäre ich heute nicht gekommen.“ [15443]

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