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Jurywoche beim 35. Deutschen Kamerapreis

Organisch gestalten

Mitte Februar trafen sich die Jurys zum 35. Deutschen Kamerapreis in Köln zur jährlichen Sichtungswoche. Für Film & TV Kamera als Medienpartner des Kamerapreises war Chefredakteur Uwe Agnes in der Jury für Doku Screen. Er sprach am Ende der Woche mit der Jurypräsidentin, Kamerafrau und Ehrenpreisträgerin Bella Halben.

Jurys 35. Deutscher Kamerapreis
Gastgeberin für die Jurys beim 35. Deutschen Kamerapreis war in
diesem Jahr die Stadt Köln. (Foto: Walter Demonte / Deutscher Kamerapreis)
(Bild: Demonte Photographie)

Was ist dein Eindruck vom Filmschaffen im deutschsprachigen Raum, den du als Jurypräsidentin beim 35. Deutschen Kamerapreis in dieser Woche gewonnen hast?
Also, zunächst einmal bin ich ja in der Nachwuchsjury und habe daher nicht alle Filme gesehen, sondern vor allem die 45 Einreichungen für den Nachwuchspreis. Da war wirklich alles dabei – Dokumentarfilme, Langfilme, Zweiminüter, eine große Vielfalt. Was mir sofort aufgefallen ist: Viele der Einreichenden sind eigentlich längst kein Nachwuchs mehr. Das haben wir in der Jury mehrfach festgestellt.

Aber wenn es um die Filme geht, die tatsächlich von jungen Leuten stammen, also von denen, die gerade erst von der Uni kommen oder sogar noch studieren, dann gab es einige, die mich wirklich beeindruckt haben.

Eine Sache, die mich überrascht hat: In erstaunlich wenigen Filmen wurde Licht gesetzt, sondern es wurde viel mit available Light gedreht. Und es gab einen Film, der mir besonders aufgefallen ist, weil er extrem präzise kadriert war – das war bei den meisten anderen nicht der Fall. Stattdessen wurde viel mit Effekten in der Postproduktion gearbeitet: Vignetten wurden aufs Bild gesetzt, Lochblenden oder Balken drübergelegt – es gab viele stilistische Eingriffe nachträglich. Auffällig war auch, dass oft im 4:3-Format gedreht wurde.

Was mir aber besonders wichtig ist – unabhängig davon, ob es sich um einen Dokumentar- oder Spielfilm handelt –, ist, dass die Kamera eine Geschichte erzählt. Sie soll nicht einfach nur schöne Bilder liefern oder sich selbst in den Vordergrund drängen, sondern die Story transportieren, die Figuren erzählen und emotional berühren. Es muss nicht alles technisch perfekt sein, aber es braucht ein klares Konzept. Eine wahllose Bildgestaltung bringt nichts – sie muss der Geschichte dienen. Das ist für mich das Entscheidende.

Bella Halben
Bella Halben im Gespräch mit einer der Jurys (Foto: Matthias Haedecke / Deutscher Kamerapreis)

Ein Film und seine Figuren müssen mich erreichen, berühren, so sehr, dass ich gar nicht bewusst über die Kameraarbeit nachdenke. Es soll sich einfach organisch anfühlen, wie aus einem Guss. Wie das erreicht wird, ist zweitrangig, da gibt es unzählige Wege und Mittel. Entscheidend ist, dass ich in eine Geschichte hineingezogen werde, dass ich das Gefühl habe, Teil davon zu sein. Wenn jemand das schafft, dann hat er oder sie alles richtig gemacht.

Das kann ja mit ganz unterschiedlichen Mitteln gelingen.
Genau! Ich selbst bin nicht besonders technikfixiert. Natürlich muss es handwerklich stimmen, aber ich habe keine spezielle Vorliebe für eine bestimmte Art der Umsetzung. Für mich zählt, dass ich emotional berührt werde, wenn ich lachen kann oder weinen, wenn ich eine Gänsehaut bekomme, mich fürchten kann – also mitfühlen kann. Das ist für mich das Maß aller Dinge.

Du hast ja in deiner Funktion als Jurypräsidentin auch mit den anderen Jurys gesprochen. Was konnten die dir berichten?
In manchen Kategorien gab es eine wahre Flut an Einreichungen, sodass sich die Jurymitglieder aufteilen mussten, um überhaupt alles zu sichten – und es wurde berichtet, dass einige Arbeiten dabei waren, die eigentlich nicht einreichungswürdig gewesen wären. Besonders interessant fand ich, dass gerade im Bereich Schnitt nur wenige Arbeiten als wirklich gelungen empfunden wurden. Beim Nachwuchs waren einige sehr gut geschnittene Filme dabei, die dafür aber nicht eingereicht waren – dabei ist Schnitt ja ein unglaublich starkes erzählerisches Mittel.

Aber abgesehen davon waren die meisten Jurymitglieder ziemlich beeindruckt von den Filmen, die sie letztlich ausgewählt haben. Es herrschte insgesamt eine sehr positive Stimmung.

Also gab es keine Kategorie, bei der man sagen müsste, dass sie dieses Jahr durchgängig schwach besetzt war?
Nein, das habe ich nicht gehört. Im Gegenteil – es gab unglaublich viele Einreichungen. Was mir allerdings aufgefallen ist: Deutlich weniger Frauen haben eingereicht als Männer.

Immer noch?
Ja, das finde ich auch bemerkenswert. Letztes Jahr war das hier ja schon ein Thema und es ist schade, dass sich das nicht verändert hat. Ich hätte erwartet, dass dieses Jahr mehr Frauen ihre Arbeiten einreichen. Aber das war nicht der Fall.

Lass uns kurz bei diesem Thema bleiben und die Gründe dafür erforschen. Woran könnte das liegen? Ist die noch stets geringe Repräsentation von Frauen beim Deutschen Kamerapreis vielleicht einfach ein statistisches Phänomen, weil es eben weniger Kamerafrauen als Kameramänner gibt?
Das kann ich dir leider nicht beantworten – dafür müsste man diejenigen fragen, die nicht eingereicht haben. Denn es gibt inzwischen ja durchaus viele Frauen, die als Kameraleute arbeiten. Gerade deshalb finde ich es interessant, dass sich die Situation trotz der Diskussion im letzten Jahr nicht verbessert hat. Vielleicht sind Frauen kritischer mit sich selbst? Das könnte ich mir zumindest vorstellen.

Was ist dein Fazit der Jurywoche bisher?
Zunächst einmal möchte ich betonen, wie großartig ich diese Veranstaltung finde. Ich habe mich hier wirklich bestens betreut gefühlt – das Team vor Ort war unglaublich herzlich und engagiert. Für Kameraleute und Editoren ist der Deutsche Kamerapreis mit seinen unterschiedlichen Kategorien eine riesige Plattform. Das Kuratorium spielt dabei eine enorm wichtige Rolle, und ich hoffe sehr, dass es noch lange bestehen bleibt und weiterhin unterstützt wird.

In diesem Jahr wurde die Nachwuchs-Jury, in der du tätig warst, ja erstmals nicht vom Kuratorium besetzt.
Ich finde die Arbeit in der Jury einfach großartig – gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen Filme zu sichten und sich darüber auszutauschen, zu diskutieren, ist unglaublich beflügelnd und inspirierend.

Selbst wenn man schon 100 Filme gemacht hat, lernt man immer noch etwas dazu. Gerade bei den Nachwuchsfilmen nehme ich oft etwas mit, eine neue Herangehensweise, eine Idee, die mich fasziniert, oder einfach etwas, das ich selbst gern einmal ausprobieren würde. Diese intensiven Diskussionen über die Filme, die wir sehen, sind jedes Mal spannend. Das schätze ich sehr. [15543]

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