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Ciro Capellari zum neuen Master-Studiengang Film an der ifs Köln

Bewegtbild neu denken

Mit dem neuen Semester hat der Masterstudiengang Film an der „ifs internationale filmschule köln“ begonnen. Wir sprachen für unser Heft 10.2021 mit dem neuen Professor und Filmemacher Ciro Capellari über seine Pläne.

(Bild: Hans Köster)

Mit dem neuen Semester gibt es einen Masterstudien­ gang Film an der „ifs internationale filmschule köln“, für den du als Professor verantwortlich bist. Welche Inhalte willst du unter dem Label „Master Film“ ver­mitteln?
Der ifs Köln ging es beim neuen Masterstudiengang Film darum, ein breiteres Feld anzusprechen und Antworten auf wissenschaftliche Fragen zu finden. Bisher gab es an der ifs Bachelorschwerpunkte zu den einzelnen Fachgebieten und nun hat man einen Masterstudiengang konzipiert, der relativ offen ist.

Mich interessiert besonders, dass die Studierenden sich mit Fragen beschäftigen, die für unsere Gesellschaft relevant sind. Damit ist gemeint, dass die Studierenden sich mit unserer heutigen Gesellschaft auseinandersetzen und dann in ihrer Rolle als Künstler erarbeiten, welche Ästhetik sie als verantwortliche Filmemacher anwenden, welche Themen sie bearbeiten und wie Ästhetik und Inhalt zusammenpassen.

Wir werden auch versuchen, mit den Produktionsformen zu brechen. Die Studierenden werden mehr im Kollektiv arbeiten und viel über Diskussion und Auseinandersetzung kreieren. Die Filme werden dann nicht individuell, sondern im Kollektiv und in ständiger Diskussion gestaltet. Das lehnt sich an ein Zitat von Godard an, das ich sehr treffend finde und das sich auch in meiner Studiengangbeschreibung findet: „Nicht politische Filme machen, sondern Film politisch machen!“ Es geht nicht darum, politische Pamphlete zu machen, sondern darum, sich mit unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen. Die Filme sollten ästhetisch und inhaltlich die Haltung der Filmklasse zeigen.

Ciro Capellari ist für den neu geschaffenen Masterstudien­ gang Film an der „ifs internationale filmschule köln“ verantwortlich.
(Bild: Rafael Hernandez)

Wir versuchen, das kreative Potenzial der Studierenden auszuschöpfen, so dass sie im Dialog und in intensiver Diskussion Filme erschaffen und daran in einer Atmosphäre des Kollektivs arbeiten. Dazu gehört auch, dass sie sich mit den anderen Studierenden austauschen. Wenn jemand, der in der Bildgestaltung tätig ist, eng mit Studierenden der Regie zusammenarbeitet, wird das zu einer viel tieferen Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Fragen eines Projektes führen. Die Idee ist es, Filmemacher auszubilden, die in ihrer Erfahrung offen und kollaborativ denken und so ihre individuelle kreative Power entfalten und verstärken.

An wen richtet sich der neue Studiengang?
Der Masterstudiengang richtet sich nicht an ganz junge Studierende, sondern an solche, die bereits am Anfang ihrer Karriere sind, aber noch einen künstlerischen Stil und eine künstlerische Haltung entwickeln wollen. Für solche Leute ist unser Masterstudium der richtige Platz. Wir bieten ihnen in der Auseinandersetzung eine Menge Input, aber gleichzeitig die Möglichkeit, sich zu entfalten, sich in ihrer Rolle als Künstlerin oder Künstler zu erkennen.

Denn ich sehe Film einerseits als Industrie, andererseits aber auch als Kunst, und das führt zu einem Widerspruch zwischen künstlerischem und industriellem Anspruch. Wir kennen das aus den Massenmedien, aus der Entwicklung und Definition von Genres und versuchen deshalb, das offen anzugehen und kreativ zu denken. Was ist Film in heutiger Zeit? Wie kreieren und veröffentlichen wir unsere Arbeit? Wir führen also eine Auseinandersetzung mit der heutigen Filmlandschaft, Streamingformen, alternativen Produktionsformen. Wir beschäftigen uns auch mit neuen Technologien, die auf unsere Arbeit Einfluss nehmen.

Wird das im Studiengang das filmische Erzählen beeinflussen?
Auch wenn wir im neuen Masterstudiengang Film versuchen werden, Bewegtbild neu zu denken, wollen wir das Rad nicht neu erfinden. Film existiert seit über hundert Jahren und seine narrativen Formen existieren seit Anfang der Menschheit. Wir befassen uns also mit der Kommunikation mit anderen Menschen, Kommunikation als eine Form von Kunst – in der heutigen Zeit. Welches Publikum haben wir? Welche Gruppen werden völlig marginalisiert von den Narrativen, die wir benutzen?

Ich denke, wir sind an einem Wendepunkt des Films. Nicht erst seit der Pandemie sind die Kinos immer weiter geschrumpft. Ich bin ein großer Verteidiger des Kinoerlebnisses, aber wir müssen auch sehen, dass es heute verschiedene neue Plattformen für die Veröffentlichung eines Films gibt und unsere Filme vielleicht niemals in einem Kino laufen werden. Wie verhalten wir uns dazu und was ist unser Publikum? Ist es das Publikum, das ganz klassisch ins Kino geht oder ist es ein Publikum, das eher die Angebote der Streamingmedien ansieht? Wie sprechen wir diese Leute an und wie kommunizieren wir unsere Arbeit? Welche Ästhetik benutzen wir, um das Publikum anzusprechen, das wir ansprechen wollen?

„Francesco and the Pope“ drehte Ciro Capellari 2011 mit einem Prototyp der ARRI ALEXA.
(Bild: Nancy Rivas)

Wir versuchen also eine kritische Positionierung der Filmschaffenden zu den heutigen audiovisuellen Medien zu finden, auch in der Wahl der Themen. Welche werden marginalisiert und wie kann ich solche Themen anderen vermitteln? Wie verhalte ich mich zum Beispiel zu Genderdefinitionen in den Narrativen, die ich verwende, und wie stehe ich als Filmemacher zu dieser konstruierten binären Mentalitätenwelt? Wir stellen uns also inhaltliche Fragen, die dann ästhetisch umgesetzt werden sollen.

Am Anfang des Studiengangs werden wir mit den Studierenden in einem Manifest definieren, welche Ziele wir uns in den nächsten zwei Jahren setzen möchten. Diese Inhalte sind aber nicht in Stein gemeißelt, weil sie in zwei Jahren, wenn neue Studierende eintreten, ganz anders aussehen können. So wollen wir die Haltung zum Film lebendig und aktuell halten, damit wir uns mit Themen beschäftigen, die heute wichtig sind.

Neues Kino denken steht also zwar auch für neue ästhetische Formen, aber auch dafür zu erforschen, wie wir unsere Filme zeigen. Werden die Menschen in Zukunft Filme mit Google-Brillen ansehen oder auf riesigen Screens in halbprivaten Räumen oder wird das Kino in anderer Form als gemeinsame Erfahrung neu geschaffen? Die Projekte der Studierenden werden viel damit zu tun haben, nicht nur damit, welches Thema man wählt und bearbeitet, sondern auch, wie man seine Inhalte teilt und wem sie gezeigt werden. In der Filmindustrie werden solche Fragen gern zur Seite geschoben, da geht es mehr darum, Filme zu machen und in einem System zu funktionieren – und das ist ja auch verständlich, denn es ist ja eine ökonomische Struktur, von der wir alle leben. Für mich geht es aber nicht nur ums Funktionieren, sondern darum, an einer Diskussion und an Veränderung teilzunehmen. [14818]


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