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Exposure Folge 4 mit Zamarin Wahdat

Weniger Ego, mehr Kreativität

Im Videocast EXPOSURE spricht DoP Matthias Bolliger einmal im Jahr vertieft über die Kunst der bewegten Bilder und die Möglichkeiten des Visual Storytelling. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Filmakademie findet er anhand eines Spielfilmes und seiner Filmschaffenden heraus, wie Worte auf die große Leinwand kommen. Es geht um den Bildautor, die Bildautorin und die „Macht und Kraft“ von Bildern.

Exposure visual

„Fotografie ist Schreiben mit einer Kamera“, so Zamarin Wahdat als Gast der vierten Ausgabe von EXPOSURE, dem Videocast zu Visual Storytelling. Übersetzungen von Worte im Bilde ziehen sie magisch an. Sich in diesen Prozess zu verlieben und dabei imperfekte Bilder für einen perfekten Film zu machen, ist Zamarins großes Ziel. Im Fokus des Gespräches ihre Arbeit zum Kinofilm „Spirit in the Blood“ (Deutschland/Kanada 2023, Regie: Carly May Borgstrom).

Zum Gast

Zamarin wurde 1989 in Kabul geboren. Mit zwei Jahren floh sie mit ihrer Familie über Umwege nach Deutschland. Zur Kamera kam sie über ihren Vater, mit dem sie stundenlang Filme gucken konnte. Mit fünfzehn erhielt sie dann auch von ihm ihren ersten Camcorder. Sie entschied sich, auf Englisch zu studieren und bewarb sich an der School of Media, Film and Music der University of Sussex in Brighton, wo sie 2012 mit einem Bachelor abschloss. Ab 2014 absolvierte Wahdat mithilfe eines Stipendiums das Masterstudium an der NYU Tisch School of the Arts (USA). Seitdem arbeitet sie als DoP weltweit.

Spirit in the Blood

Aktuell ist das Spielfilmdebüt von Carly May Borgstrom im Kino zu sehen und war ebenfalls im Rennen um den Deutschen Filmpreis. Trailer und Filmplakat versprechen: „Stranger Things“ trifft auf „Stand By Me“. Zamarin führt dazu aus, dass eine Hauptreferenz während der Pre-Production des Projektes in der Tat „Stand By Me“ war – doch nun als Geschichte von fünf jungen Frauen. In punkto Farbgestaltung kommt dann eher „Stranger Things“ ins Spiel. Andere zentrale Inspirationen kamen vom isländischen Spielfilm „Heartstone“ (Regie: Arnar Guðmundsson).

DoP Zamarin Wahdat bei den Dreharbeiten zu „Spirit in the Blood“.
DoP Zamarin Wahdat bei den Dreharbeiten zu „Spirit in the Blood“. (Foto: privat)

Die Geschichte von „Spirit in the Blood“ spielt in der kanadischen Provinz und pendelt zwischen den Genres Coming-of-Age, Body Horror und Fantasy. Zamarin Wahdat: „Also wenn ich an Horror denke, ist dies nicht direkt unser Film, aber wir tasten uns im Film an Horror-Elemente heran, leben diese aber nie voll aus. Der Regisseurin Carly war es wichtig, dass nicht genau klar wird: Ist das nun real oder nur Wirklichkeit im Kopf der Hauptdarstellerin?“ In dem Debütfilm geht es vertieft um die Veränderungen im weiblichen Körper, gerade am Ende der Jugend, wenn ein Mädchen zu einer jungen Frau wird.

„Das kann sehr beängstigen“, so Wahdat und weiter, „ein Frauen-Team hinter der Kamera kann so ein Thema vielleicht auch konkreter erzählen, weil man diese Veränderungen selber erlebt hat. Wenn man das erste Mal die Periode bekommt, ist das kein schönes Gefühl. Das kommt Horror quasi gleich. Es stellt sich die Frage, was mit dem Körper passiert. Ich glaube, als Frau kannst du das viel mehr erfassen und auf eine sehr subtile Art und Weise darstellen. Auch ein erster Kuss kann so zum Beispiel zum Horror werden, wenn es einfach zu viel wird und man fühlt, wie unangenehm dies für die Hauptfigur sein muss.“

Visuelles Konzept

Das generelle visuelle Konzept von „Spirit in the Blood“ basierte zunächst auf viel Handkamera. Zamarin schildert im Interview die Entwicklung von handheld zu gesetzten Einstellungen mit Zooms. Diese wurden zum Stilmittel, um die Zuschauer förmlich in die Geschichte zu ziehen, gerade für Momente, die nur im Kopf der Hauptfigur Emmerson beziehungsweise in ihrer Horrorwelt spielen. Damit begann das Team eine Art „heightened reality“ mit Zooms zu erschaffen und die Handkamera vor allem für Freundschaftsmomente unter den Protagonistinnen zu nutzen.

Der Crew standen als deutsch-kanadische Koproduktion insgesamt einundzwanzig Drehtage zur Verfügung, diese jeweils unter den eher strengen kanadischen Regeln betreffend Überstunden und Kinderarbeitszeiten. Daher brachte Zamarin die Idee einer vollwertig-besetzten B-Kameracrew mit ins Spiel. „Ich habe bei diesem Projekt das erste Mal durchgehend mit einer zweiten Kamera gedreht. Ich hatte eine sehr enge Vertrauensbasis mit dem Operator und seiner Crew und konnte ihnen am Ende blind vertrauen. Es war mir allerdings auch wichtig, wie der Film am Ende aussieht und nicht wie eine Run-and-Gun-Doku wirkt.“

Storyboard
Genaue Vorstellungen: Regisseurin Carly May Borgstrom versorgte DoP Zamarin Wahdat schon frühzeitig mit Storyboards.

Dafür sorgte Regisseurin Carly mit ihren Grundvisionen zur Umsetzung und Storyboard-Ideen für viele Szenen: „Das erste Treffen war sehr witzig, weil Carly mir sofort einen Batzen von Storyboards in die Hand drückte. Das ist mir noch nie passiert, weil ich eher mit Regisseuren zusammen arbeite, die erst durch Referenzen die Bilder am Drehort finden. Für mich war dies als DoP total hilfreich, zu verstehen, was die Intention hinter den jeweiligen Ideen war. Dabei hat sich Regisseurin Carly auch auf meine Ideen eingelassen, zum Beispiel auf die Zooms, die sie vorher überhaupt nicht eingeplant hatte. Ich glaube, was ein Chef-Kameramann, eine Chef-Kamerafrau und DoP am Ende des Tages ausmacht, ist es, sich einlassen zu können auf das, was die Grundlage ist und trotzdem zum Sparrings-Partner zu werden. Ich glaube, diese Balance macht diesen Beruf auch irgendwo aus. Einige Szenen wurden ziemlich genau nach der Boardvorlage umgesetzt, andere haben sich durch die Beschäftigung mit Motiven und Figuren erst ergeben.“

Gegen Ende des Gespräches kommt auch die Frage auf, was Zamarin jungen Film- & Kamera-Studierenden raten würde, die gerade in die Laufbahn eines DoP einschwenken wollen: „Das Erste ist: Gib niemals auf, denn es gibt Hürden. Als junge Frau musste ich mich doppelt beweisen, dass ich etwas kann. Daher glaub an dich und an deine Arbeit, lerne so viel du kannst und mach einfach. Arbeite mit den Menschen, die dir vertrauen und verlier’ den Mut nicht. Ich glaube, wenn man seinen Traum verfolgt und man gut da drin ist, dann macht man auch weiter und lässt sich nicht unterkriegen.“ So schließt Zamarin mit den Worten: „Ich glaube, ich brauche eine Vielfalt von Bildern. Ich möchte Bilder sehen aus verschiedenen Perspektiven, die mich quasi in eine andere Welt einladen, die ich nicht so gut kenne und die Welt mir damit näher bringt.“ [15553]


Das Gespräch mit DoP Zamarin Wahdat ist hier auf der Homepage und dem Youtube-Kanal der Deutschen Filmakademie zu sehen!


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