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DoPs Max Reichel und Franz Hinterbrandner begleiten Bergretter

Echte Fallhöhe (2)

Echte Einsätze, reale Dramatik: Für die BR-Serie „In höchster Not“ begleiteten Kamerateams über 100 Drehtage lang die Bergwachten Ramsau und Grainau. Wir haben mit den verantwortlichen DoPs gesprochen.

BTS "In höchster Not"
Foto: BR / Timeline Production

Alle teilnehmenden Bergretter trugen an einem Geschirr vor der Brust eine GoPro-12-Bodycam, teilweise mit einer der Max-Lens-Zusatzoptik. Diese wurden bei Einsatzbeginn gestartet und erhielten durch eine zusätzliche Powerbank im Gurt Strom. Das hatte den Vorteil, dass diese Kameras schon liefen, wenn die Akteure aufbrachen. Das Kamerateam wurde üblicherweise nicht automatisch durch die Bergretter mit auf den Berg genommen, sondern musste selbst an den Einsatzort gelangen. Bis also die Broadcastkameras eintrafen, konnte die Crew bereits über die Bodycams Material sammeln. Insgesamt waren zeitgleich immer zwischen 10 und 15 GoPros im Einsatz.

Die Hauptkameras der Kamerateams waren die Canon C70 und die Canon C300. Beide Kameras zeichnen sich durch einen guten Formfaktor aus und sind ohne großes Aufriggen einsatzbereit. Die Kameras operierten vor allem in der Wand mit den Sigma Cine Zooms, dem 18–35er T2, dem 28–105 mm T3 sowie dem Canon RF 70–200 mm F2.8L. „Die Allzweckwaffe ist dabei das 28–105er“, so die beiden Kameraleute. „Und wenn wir zu zweit zum Beispiel unterwegs sind, ist immer einer nah und einer weit.“ Wenn es einen halbwegs zugänglichen Einsatzort gab, platzierte das Kamerateam beim Eintreffen eine GoPro für eine Totale. Dann wurden Kamerapositionen für nähere Einstellungen gesucht. Auch die Canon R5C kam zur Unterstützung dazu.

Die Sicherung der riesigen Datenmengen, die an einem Drehtag anfallen konnten, war ein enormer Aufwand. Die Karten in den Aufzeichnungsgeräten fassten 512 GB an Material. Bei den 80 mitgedrehten Einsätzen wurden insgesamt über 2.000 Stunden Material gedreht, was ungefähr 300 TB an Daten entsprach.

Lernkurve

Im Fall einer Vermisstensuche bei Nacht mussten beispielsweise bis zu fünf parallele Suchtrupps mit vier Bodenkameras, zehn bis 15 GoPros und entsprechendem Ton parallel und synchron aufzeichnen. Für die Synchronisation des Materials aller GoPros und der Bodenkameras in der Postproduktion nutzte das Team die Lösungen von Tentacle-Sync. So ließ sich über den Timecode etwa bei einem Gespräch über Funk zwischen Bergwachtstation und den unterschiedlichen Einsatzteams rasch die passende Verbindung in den verschiedenen Takes finden.

Die in mehr als 25 Jahren gemeinsam gewachsene Erfahrung der beiden Kameraleute zeigt sich auch in ihrer Kommunikation, wenn sie gemeinsam losziehen. Dann weiß der eine, was der andere gerade macht, zieht sich für den Drohnenanschluss zurück, sucht Perspektiven, die der Kollege nicht abdeckt. „Das können wir ohne Absprache von einem Moment auf den anderen umsetzen“, so Franz Hinterbrandner.

Mit den meisten der Kameraleute, die Reichel und Hinterbrandner dazuholten, hatten sie vorher schon zusammengearbeitet. „Das sind alles erfahrene Leute, haben alle Erfahrung am Berg“, so Reichel. „Sie haben alle ihren eigenen Stil, sollen sie auch haben. Aber grundsätzlich läuft es nach unserer Absprache.“ Dabei ging es eher um TV-taugliche Einstellungsgrößen und welche Bilder die Crew vom Berg oder den Einsatzteams sehen möchte. Denn nichts war im Vorfeld zu planen.

„Es ist halt unkontrollierbar am Berg“, weiß Reichel. „Jeder von denen muss eine Geschichte auch selber erzählen können, denn manchmal ist halt nur einer da.“ Alle Crewmitglieder sammelten also Material, das zur Not auch ohne weitere Perspektiven zum Erzählen der Geschichte ausreichen würde. Für den BR entwickelte das Team vorab eine Formatbibel, um Redaktion und Produktion eine gemeinsame inhaltliche Grundlage zu geben.

BTS "In höchster Not"
Bei den Einsätzen galt: Viel mitbekommen, nichts behindern. (Foto: BR / Timeline Production)

Einsatzablauf

Ein Einsatz beginnt für gewöhnlich mit einem Notruf, den am Berg Verunglückte oder Verirrte über die bekannte Nummer 112 absetzen können. Die Bergretter, die ihre Tätigkeit bei der Bergwacht allesamt im Ehrenamt ausüben, werden dann zur Bergwachtstation gerufen. Tagsüber befand sich außer dem Drehteam niemand dort. Nach einem Notruf hatten die Kameraleute drei Minuten Zeit, um Kameras, Ton und GoPros zu starten und zu synchronisieren und sich für das Eintreffen der ersten Bergretter bereitzumachen.

Die eintreffenden Bergwachtler informierten sich dann über den Notruf. Idealerweise konnten die Drehteams dann bereits den ersten Funkkontakt mit der Leitstelle mitdrehen. Anschließend rüsteten sich die Retter für den Einsatz aus und legten ihre GoPro-Gurte an. Ab diesem Moment liefen die Bodycams. Alle Ehrenamtlichen waren über die Dreharbeiten informiert und hatten der Ausstrahlung im Vorfeld zugestimmt.

Danach berieten die Bergwachtteams, wie der Einsatz organisiert werden sollte und welche Fahrzeuge dafür nötig waren. Reicht der Quad aus? Sind mehrere Teams erforderlich? Muss ein Helikopter angefordert werden? Da die Bergwacht über kein eigenes Fluggerät verfügt, wurden die Hubschrauber bei umliegenden Luftrettungsstationen angefragt. „Dann muss man strategisch die Bergretter mit Kameras bestücken, die Fahrzeuge mit Kameras bestücken und eine Kamera in der Station positionieren“, so Hinterbrandner. „Auch das Kamerateam, meist zu dritt, muss eine Strategie entwickeln. Okay, du fährst bei dem mit, du bei dem und du bleibst da.“ Die Frage sei immer, wie und wo man vom Einsatz am meisten mitbekommen könne.

Zweite Staffel im Dreh

Die Dreharbeiten liefen von Juli bis etwa November 2024, gefolgt von einer Pause bis Weihnachten. Eine zweite Drehphase schloss sich von Ende Dezember bis Ende Februar an. Ziel war es, die touristischen Ballungszeiten in der Region, etwa während der Ferien, gezielt mitzunehmen. Die acht rund 45-minütigen Folgen wurden im April fertiggestellt und im selben Monat in der ARD-Mediathek veröffentlicht.

„Der Zeitdruck war saumäßig hoch“, sagt Franz Hinterbrandner. Andere Doku-Reihen haben Dreh und danach Schnitt und Post. „Wir haben Postproduktion on the fly, alles parallel, weil wir bis in den Winter gedreht haben.“ In der Postproduktion galt es dann in der ersten Staffel, die guten Geschichten herauszuarbeiten und zu prüfen, ob das Material für eine spannende Erzählung ausreichte. Vier Editorinnen und zwei Assistentinnen arbeiteten während des Drehs parallel an den Schnittfassungen.

BTS "In höchster Not"
Das Fotoshooting auf dem Jubiläumsgrat der Zugspitze für das Marketingmaterial von „In höchster Not“ war kein echter Einsatz. (Foto: BR / Timeline Production)

Reichel und Hinterbrandner war sehr wichtig, weder die Bergretter noch die Geretteten in ein schlechtes Licht zu stellen. Die Serie soll niemanden vorführen, auch wenn sich das Publikum bei dem einen oder anderen der Geretteten schon fragt, wie man derart blauäugig auf einen 2000 Meter hohen Berg steigen kann. Max Reichel ordnet das ein: „Die Serie soll auch dazu beitragen, dass die Leute dafür sensibilisiert werden, was da passieren kann.“ Die Geschichten würden ja davon leben, dass auch mal Leute in Turnschuhen dort stranden. Für die Bergretter sind alle gleich. Sie leisten sich kein Urteil. „Es kann jeden treffen, auch erfahrene Bergsteiger, die vom Wetter überrascht werden“, so die Kameraleute. Viel wichtiger sei es, über die spannenden Geschichten eine Aufmerksamkeit für die Gefahren zu schaffen. Wenn dies jeder mitbrächte, überwiege der Spaß am Gebirge.

Die Dreharbeiten zur zweiten Staffel haben bereits begonnen. Seit dem Frühjahr laufen die GoPros wieder. Was macht die Crew um Franz Hinterbrandner und Max Reichel dieses Mal anders? „Im Großen und Ganzen nicht viel“, sagt Max Reichel. Auf jeden Fall fällt die Lernkurve zu Beginn weg. Es sind eher Feinheiten, auf die sie diesmal achten. Der Ton der Einsätze wurde bisher von Mikros an den GoPro-Kameras aufgezeichnet. „Wenn sich jetzt der Bergretter vom Patienten wegdreht, ist auch dessen Ton weg“, sagt Reichel. Die Lösung ist, zu Beginn des Einsatzes beim Patienten eine Totale-GoPro in Richtung Patient zu platzieren. So gibt es immer eine Tonspur, auf der dessen Ton gut eingefangen wird. Zudem wird es erstmals eine im Rettungshubschrauber fest installierte Kamera installiert geben. Das war zuvor nicht erlaubt.

Inhaltlich wünschen sich Franz Hinterbrandner und Max Reichel, dass sie es in der zweiten Staffel schaffen, die Bergwachtler abseits ihres Ehrenamts besser darstellen zu können. Ob das klappt, wird sich erst am Ende zeigen. Denn eines haben das Wetter am Berg und eine laufende Fernsehproduktion gemeinsam: Verlässlich ist nur die Veränderung.


 Warum Vertrauen entscheidend war und welche Rolle die Erfahrung der Kamerateams spielte, liest du im ersten Teil des Artikels!


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