„Die Seriale“ ist Deutschlands ältestes Webserienfestival. Auf dem Panel „Crafting Visual Worlds – Cinematography in Serial Storytelling“ sprach unser Autor Timo Landsiedel mit den DoPs Jana Lämmerer und Neil Oseman über ihre für den Kamerapreis nominierten Serien.
Foto: Ralf Hofacker
Als die Filmemacher Csongor Dobrotka und Dennis Albrecht 2015 zum ersten Mal ins hessische Gießen einluden, passten die angereisten Filmschaffenden noch an ein paar zusammengestellte Restauranttische. Zehn Jahre später ist aus dem deutschsprachigen Webserienfestival mit Screenings an zwei Tagen ein fünftägiges Event geworden. Die Serien stammen mittlerweile nicht mehr nur aus dem deutschsprachigen Raum, sondern aus Argentinien, Brasilien, Spanien, Frankreich, Polen und Kanada. In den sozialen Medien wurde auch nach dem Event immer wieder die wertschätzende und positive Atmosphäre gelobt, die erstklassiges Netzwerken, Diskussionen im Foyer des Theaters oder eben auch kontroverse Meinungen bei den Panels auf der Bühne ermögliche.
Eines der eher einvernehmlich wertschätzenden Panels war das Gespräch mit dem Thema „Crafting Visual Worlds – Cinematography in Serial Storytelling“. Zu Gast auf der Bühne waren DoP Jana Lämmerer, die mit ihrem Co-DoP Jacob Sauermilch für die Bildgestaltung der zweiten Staffel der Funk-Serie „Feelings“ verantwortlich war. Mit ihr auf der Bühne saß der britische DoP Neil Oseman. Er war vor neun Jahren als DoP zur ersten Staffel der Webserie „Ren: The Girl with the Mark“ hinzugestoßen und hatte die Serie im letzten Jahr als Showrunner und DoP in die zweite Staffel geführt. Beide Serien waren für den Best-Cinematography-Award der Seriale nominiert.
Jana, „Feelings“ hat zwei DoPs, dich und Jacob Sauermilch. Wie habt ihr euch die Arbeit aufgeteilt? Jana Lämmerer: Jeder von uns hat fünf Episoden gedreht. Natürlich ist es eine Serie, es sollte wie eine Einheit sein, die man sich anschauen kann, ohne dass sie in der Mitte auseinanderfällt. Aber von Anfang an haben unsere Produzenten auch gesagt, dass sie unsere individuellen Sprachen wollen. Und das passt irgendwie, weil die Geschichte sich über einige Folgen entwickelt und im zweiten Teil, den wir gedreht haben, wird die Hitze in der Geschichte immer stärker, übernimmt den Ort, in dem die Protagonistin lebt. Sie wird in ihrer inneren Welt immer instabiler, also konnten wir Variationen in der Bildgestaltung vornehmen, ohne die Geschichte oder die Verbindung der Folgen zu vernachlässigen.
Am See-Motiv bereiten Regisseur Ozan Mermer (links), Kameraassistent Robert Kagelmann und DoP Jana Lämmerer die Szene vor. (Foto: Samuel von Mackensen)
War es überhaupt möglich, etwas parallel zu drehen? Denn Toni, die Protagonistin, ist in jeder Einstellung zu sehen. Jana Lämmerer: Ja, ich habe verrückt-großen Respekt vor Anouk, sie ist großartig und hat wirklich Löwinnenarbeit geleistet, denn sie ist in fast jeder Einstellung zu sehen und war fast jeden Tag am Set, einschließlich im See schwimmen, viel schreien, weinen. Sie hat einen tollen Job gemacht und war super professionell. Wir haben eigentlich nichts parallel gedreht, außer den Unterwasserszenen, weil wir die gesamte Ausrüstung für die Unterwasseraufnahmen nur für einen Tag hatten, also haben wir den Tag aufgeteilt, aber nicht parallel, sondern nacheinander.
Du hast bereits erwähnt, dass Toni mit bestimmten Dingen in ihrem Leben zu kämpfen hat und die Kontrolle darüber verliert. Was war euer Konzept hinter der Kamerabewegung und warum war die Kamera so wichtig, um dies visuell zu vermitteln? Jana Lämmerer: Ja, es gibt tatsächlich zwei Gründe für die Wahl der Kamera. Der eine ist der technische Grund, nämlich das Budget, denn wir waren ein sehr kleines Team, aber wir wollten Dynamik und Bewegung, also haben wir die DJI Ronin 4D verwendet. Ich meine, man kann sie nicht mit den sehr großen Kameras vergleichen, aber wenn man ein kleines Team hat und flüssige Bewegungen will, ist sie eine gute Wahl für dieses Konzept. Durch diese Kombination aus Stabilisierung und Bewegung erhält man aber auch diese fließende Energie der Aufnahmen. Und es gibt ja in der deutschen Sprache diese Formulierung, „jemand gerät ins Schwimmen“. Es war eine gute Kombination aus den beiden Fakten, dass wir etwas Schnelles und Dynamisches brauchten. Und außerdem hat sich das sehr gut in ihrer Schauspielerei und ihrem andauernden Kampf widergespiegelt.
Sie beginnt, sich von ihrer Familie, von Freunden und Menschen, die ihr helfen wollen, zu distanzieren. Wie habt ihr das dargestellt mit Hilfe von Objektiven und anderen Maßnahmen? Jana Lämmerer: Wir haben uns für eine weite Perspektive entschieden. Wenn wir Nahaufnahmen gemacht haben, haben wir weitere Brennweiten gewählt, weil wir sie immer in ihrer Umgebung zeigen wollten. Wir wollten nicht den Hintergrund komplett unscharf machen, aber sie dennoch isolieren, also haben wir Weitwinkel gewählt und sind sehr nah herangegangen, damit sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, aber dennoch Teil der Welt um sie herum ist, die sie auch so stark irritiert.
DoP Neil Oseman und Schauspielerin Oriana Charles als titelgebende Ren bei den Dreharbeiten zur zweiten Staffel. (Foto: Emma Barrott)
Neil, wir haben schon erwähnt, dass zwischen der ersten und zweiten Staffel von „Ren“ neun Jahre lagen. Welche der technologischen Fortschritte in der Zwischenzeit waren für dich bahnbrechend und welche Technologien haben dich besonders gefreut? Neil Oseman: Die Beleuchtung ist auf jeden Fall einfacher geworden. Ich glaube, in der ersten Staffel hatten wir ein paar frühe LED-Panels und dann viel Tungsten, HMI und Fluoreszenz. Jetzt ist alles LED! Nur ganz selten nehmen wir vielleicht mal eine Tungsten-Lampe, vielleicht für einen Feuereffekt, aber fast alles ist LED, was großartig ist. Wir haben für die dritte Staffel ziemlich große Sets gebaut. Wir hatten einige Außenaufnahmen bei Nacht und es ist toll, dass wir alles mit Akkus oder über das Stromnetz betreiben konnten, wo man früher einen Generator gebraucht hätte. Für unser kleines Budget ist das also enorm hilfreich. Auch meine Karriere hat sich in diesen neun Jahren weiterentwickelt. Ich habe jetzt viel bessere Kontakte. Wir sind also von Dreharbeiten mit der Blackmagic Design Pocket 6K und Fotooptiken in der ersten Staffel zu einem fantastischen Deal für eine ARRI ALEXA Mini und Cooke s4 Classics gekommen. Wir haben also die Qualität der Kamera und der Objektive wirklich verbessert.
Was war dir an den Cooke S4 und ihrem berühmten Look wichtig? Warum wolltest du sie in der Serie haben? Neil Oseman: Ich habe immer gedacht, dass sie aufgrund ihres sehr natürlichen Fokusabfalls hervorragend für Fantasy und historische Stoffe geeignet sind. Sie flaren auch sehr natürlich. Sie sind nicht besonders auffällig, aber sie haben eine angenehm weiche Cremigkeit, und das hat für die Serie sehr gut funktioniert.
Was war dir an den Cooke S4 und ihrem berühmten Look wichtig? Warum wolltest du sie in der Serie haben? Neil Oseman: Ich habe immer gedacht, dass sie aufgrund ihres sehr natürlichen Fokusabfalls hervorragend für Fantasy und historische Stoffe geeignet sind. Sie flaren auch sehr natürlich. Sie sind nicht besonders auffällig, aber sie haben eine angenehm weiche Cremigkeit, und das hat für die Serie sehr gut funktioniert. Für diejenigen, die es nicht wissen: „Ren: The Girl with the Mark“ ist eine Fantasy-Serie über eine Frau, die sich mit einem alten Geist verbindet, der ihr Gesicht mit einem Muster aus Punkten bedeckt und ihr bestimmte Superkräfte verleiht. Und seit der ersten Staffel reduziere ich immer die Tiefenschärfe, wenn etwas mit diesem Geist passiert. Normalerweise drehen wir mit etwa T4, aber manchmal gehen wir auch auf T2 oder sogar 1.4, wenn dieser Geist sich meldet. Das hilft wirklich dabei, sich in ihren Kopf hineinzuversetzen, wenn der Geist in ihr ist. Das haben wir in allen drei Staffeln beibehalten. [15582]