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Multicam-Produktion als Bachelorarbeit

52 Minuten Perfektion (2)

Für seine Bachelorarbeit inszenierte David Waggershauser eine musikalische Livesession mit Showlicht, Bühnendesign, Multikamera und maximalem Anspruch bei Gestaltung, Technik und Produktion.

Behind the scenes
Foto: Laura Sasserath

Die Songs haben wir dann auf zwei Drehtage verteilt, in Blöcken zu je drei Stücken. Unser Ziel war, jeden Song fünfmal aufzunehmen. Für den Ton war das locker zu stemmen, für mich als Regisseur schon ambitioniert, aber am Ende machbar. Wir wollten genug Material, um im Schnitt eine Version zu bauen, die wirkt, als wäre sie komplett am Stück gedreht worden.

Das hat dann im Schnitt auch funktioniert? Die Band wird ja ihre Stücke niemals fünfmal hintereinander identisch gespielt haben.
Das war von Anfang an so geplant. Wir haben die Takes nie als eigenständige Inszenierungen angelegt, sondern immer mit dem Ziel, sie im Schnitt zu kombinieren. Das heißt, es gab zum Beispiel bestimmte Durchläufe, bei denen alle Kameras in Bewegung waren. Da war dann klar, dass man später keine Totale verwenden kann, ohne dass der Kamerakran irgendwo reinfährt. Andere Takes haben wir komplett auf dem EasyRig gedreht, da gab’s dann nur Close-ups.

Weil wir alles so abgestimmt hatten, war die Nutzung im Schnitt stark an das geplante Konzept gebunden. Es war also nie das Ziel, sich am Ende nur aus einem perfekten Take im Schnitt zu bedienen, sondern aus allen Takes innerhalb einer geplanten Kamerachoreografie. Die Band hat dabei komplett auf Klick gespielt, also auf ein Metronom im Ohr. Zusätzlich war das Ganze auf Timecode synchronisiert, weil auch das Lichtdesign eine auf Timecode programmierte Show war. Das war Voraussetzung. Nur so konnten wir garantieren, dass Bild, Ton und Licht bei jedem Take exakt synchron laufen.

Wie seid ihr dann beim Schnitt vorgegangen, vor allem, wenn Bild und Ton aus unterschiedlichen Takes stammten?
In jedem Take gab es natürlich kleine Unterschiede, etwa wenn der Sänger in einem Durchgang etwas enthusiastischer oder lauter war als im anderen. Solche Details muss man im Blick behalten, gerade wenn man stilistisch keine bewussten Brüche zeigen will.

Deshalb haben wir während der Dreharbeiten genau dokumentiert, was funktioniert hat und was nicht. Der Tonmeister hat ohnehin seine eigenen Markierungen gemacht, und ich hatte einen Regieassistenten, der für mich mitgeschrieben hat, welche Takes gut waren, wo Probleme lagen und was ich auf jeden Fall verwenden wollte.

In der Postproduktion haben wir dann erst einmal relativ autark gearbeitet und Ton und Bild unabhängig voneinander geschnitten. Erst danach haben wir die beiden Fassungen miteinander abgeglichen. In den meisten Fällen hat das problemlos gepasst. Nur an ein paar Stellen mussten wir uns nochmal abstimmen, wenn ich zum Beispiel keinen visuellen Alternativ-Take hatte, aber der Tonmeister musikalisch lieber einen anderen verwendet hätte. In solchen Fällen haben wir abgewogen: Entweder man nimmt die visuell stärkere, aber musikalisch nicht ganz perfekte Variante – oder umgekehrt. Aber insgesamt hat das sehr gut funktioniert.

Behind the scenes
In der Regie wurden Licht, Kameras und Ton über Timecode koordiniert. (Foto: Susanne Diesner)

Wie habt ihr das Projekt finanziert?
Die Finanzierung war von Anfang an der schwierigste Teil des Projekts. Unser ursprünglicher Plan war, über klassische Förderstellen zu gehen. Doch wir haben ziemlich schnell festgestellt, dass es für szenische Filme oder Dokumentationen viele Förderungen gibt, aber im Broadcast-Bereich, gerade für Hochschulprojekte, die Lage deutlich schwieriger ist.

Außerdem waren wir vergleichsweise spät dran. Wir haben etwa sieben Monate vor dem Dreh mit der Planung begonnen, doch für viele Fördertöpfe braucht man mindestens ein Jahr Vorlauf.

Am Ende haben wir dann versucht, private Förderer zu gewinnen. Die Stadtsparkasse Düsseldorf war letztlich unser wichtigster finanzieller Unterstützer. Auch Vectorworks hat uns finanziell unter die Arme gegriffen. Zusätzlich haben beide beteiligten Hochschulen das Projekt unterstützt.

Besonders stark war die materielle Förderung durch Sachspenden und Leihstellungen. Wir haben unser komplettes Lichtequipment kostenlos vom Veranstaltungstechnik-Dienstleister Aventem zur Verfügung gestellt bekommen. ARRI hat uns Kamerazubehör bereitgestellt, Kaiser Showtechnik noch zusätzliche Astera-Leuchten. RIEDEL hat uns ein komplettes Interkom-System zur Verfügung gestellt. Das gesamte Set- und Bühnendesign kam über die Film- und Theaterausstattung. Außerdem gab es kleinere Unterstützungen wie Getränke von MioMio, KaleandMe und anderen regionalen Anbietern. Insgesamt war das eine unglaubliche Hilfe.

Was habt ihr konkret an Kameratechnik eingesetzt?
Was die Kameratechnik anging, konnten wir auf das Equipment unserer Hochschule zurückgreifen. Das war ein großer Vorteil. Wir hatten vier ARRI AMIRA Live und eine ARRI ALEXA Mini zur Verfügung. Diese Kameras gehören bei uns zum Studio-Setup der Hochschule, allerdings ist die gesamte Peripherie, also CCUs, RCPs und Verkabelung, fest im Studio verbaut und nicht mobil nutzbar.

Deshalb hat uns ARRI zusätzlich unterstützt und die nötige Peripherie sowie Hybrid-SMPTE-Kabel zur Verfügung gestellt. Die Kamerazüge selbst, also Kameras inklusive V-Mounts, Pumpen, Monitore und Regiesetup kamen komplett von der Hochschule.

Alle AMIRAs waren mit Canon Cine-Servo-Zooms bestückt, dreimal die 17–120 mm und einmal das 25–250 mm. Für die ALEXA Mini, die auf einem Proaim-Jib eingesetzt wurde, haben wir über ARRI ein Fujinon Cabrio Zoom bekommen.

Insgesamt hatten wir also fünf Kameras im Einsatz. Drei davon standen auf klassischen Sachtler-Stativsystemen, wurden aber teilweise auch auf EasyRigs verwendet. Eine dieser drei war die Führungskamera mit der langen Brennweite. Zusätzlich hatten wir einen Dolly auf Schienen, ebenfalls mit einer AMIRA Live. Und schließlich den Kran mit der ALEXA Mini und dem Fujinon-Zoom.

Behind the scenes
Der Kamerakran war mit einer ARRI ALEXA Mini und einem Fujinon Cabrio Zoom bestückt. (Foto: Susanne Diesner)

Obwohl du auch als DoP arbeitest, hast du bei diesem Projekt die Regie übernommen und keine Kamera gemacht. Woher stammte das visuelle Konzept und wie sah es aus?
Stimmt, ich selbst habe bei der Produktion die Regie übernommen und die fünf Kameras wurden von anderen Operatoren bedient, einer davon war auch gleichzeitig unser DoP Jacques Wienecke. Trotzdem kam das visuelle Konzept zum Großteil von mir. Ich habe die künstlerische Gesamtleitung übernommen und war auch bei anderen Gewerken gestalterisch eingebunden.

Mein Ziel war, dass diese Produktion auf allen Ebenen professionell wirkt, ohne den typischen „studentischen Touch“, den man sonst manchmal sofort erkennt. Klar, wir hatten kein riesiges Budget. Vieles mussten wir improvisieren oder selbst zusammenbauen. Aber genau deshalb wollte ich, dass man das am Ende eben nicht sehen kann, sondern sagt „Wow, das sieht richtig gut aus!“

Dabei war ein Riesenvorteil, hochwertige Kameras wie die ARRI AMIRA einsetzen zu können. Aber die eigentliche Herausforderung war das Lichtdesign. Ich wollte eine Showästhetik, die begeistert, und zugleich saubere Ausleuchtung mit guten Hauttönen. Diesen Spagat haben wir im Vorfeld im 3D-Visualizer geplant, drei Tage lang, gemeinsam mit dem Lichtdesigner Felix Ehrig. Vor Ort haben er und der DoP das Setup kameragerecht angepasst: Weißabgleich, Farben, Intensitäten. Was live gut aussieht, funktioniert in der Kamera oft nicht sofort.

Geplant war dafür ein Tag – geworden sind es zwei Nachtschichten extra! Am Ende wurde das Lichtkonzept stark geändert: Weniger Frontlicht, dafür mehr Gassenlicht von der Seite mit Astera Tubes von unten. Aus diesem Setup haben wir dann einen Standard für die Produktion entwickelt.

Wenn du jetzt zurückblickst – was war für dich persönlich die größte Herausforderung? Und was nimmst du aus dem Projekt mit für die Zukunft?
Man muss da ein bisschen zwischen künstlerisch und organisatorisch trennen. Ich war als Projektinitiator und künstlerischer Leiter involviert, aber wenn ich ehrlich bin, floss wahrscheinlich mehr als 70 Prozent meiner Arbeitszeit in organisatorische Aufgaben. Regiearbeit im engeren Sinne, also die eigentliche Inszenierung mit Kamera und Bild, hat am Ende nur einen kleinen Teil ausgemacht.

Und der organisatorische Teil war enorm, vor allem, weil wir kein großes Budget hatten. Spoiler: Wir sind mit plus 30 Euro rausgekommen, was dann gerade noch für einen Kasten Bier beim gemeinsamen Team-Screening gereicht hat. Das war ein großartiger Moment.

Technisch lief eigentlich alles erstaunlich gut – aber das liegt auch daran, dass wir an der Hochschule eine sehr fundierte Ausbildung bekommen. Die organisatorische Seite hingegen lernt man eher „on the job“. Künstlerisch war ich zufrieden: Ich hatte ein großartiges Team, die Kameraleute haben mir die Bilder geliefert, die ich wollte. Eine Sache würde ich im Nachhinein vielleicht anders machen. Ich hatte mich beim Dreh für eine recht freie Kameraführung entschieden. Jeder Operator sollte sich im Take größtenteils selbst Bilder suchen. Ich dachte, bei fünf Takes pro Song würde ich auf jeden Fall alles zusammenbekommen, was ich brauche. Aber dann hatten wir bei manchen Songs doch nur drei oder vier Takes und das war manchmal knapp.

Dein Projekt sollte auf keinen Fall nach „Studentenproduktion“ aussehen. Hat das geklappt?
Ich glaube, das müssen letztlich andere beurteilen! Aber ja, ich bin eigentlich schon zufrieden. Natürlich gibt es immer Dinge, die ich in der Postproduktion noch weiter hätte verbessern wollen. Den Schnitt habe ich selbst gemacht, nur das Grading habe ich abgegeben. Manchmal stören einen Kleinigkeiten und an manchen Stellen hätte ich gern noch weiter gefeilt. Aber wir hatten eine Deadline, wollten das Ganze auch irgendwann veröffentlichen.

Insgesamt habe ich mit allem Drum und Dran ein Jahr lang an dem Projekt gearbeitet – eine normale Bachelorarbeit dauert drei Monate. Irgendwann muss man dann einfach sagen: Jetzt ist gut. Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden. Und das Feedback, das wir bekommen haben, von den Förderern, von den Dozierenden, von allen Beteiligten, ging auch eindeutig in diese Richtung. [15581]


Wie alles begann und warum David Waggershauser für seine Bachelorarbeit eine 52-minütige Livesession inszenierte, kannst du hier erfahren!


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