Stillstand statt Aufbruch: Die deutsche Filmförderung kommt nicht vom Fleck. VTFF-Geschäftsführer Achim Rohnke erläutert, was aus seiner Sicht jetzt geschehen muss.
Foto: VTFF
Kurz nach dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung hat der Kulturstaatsminister Weimer einen Entwurf zur Reform der Filmförderung in Deutschland vorgestellt, den du seinerzeit als Geschäftsführer des Verbands Technischer Betriebe für Film & Fernsehen freudig begrüßt hast. Mittlerweile scheint da allerdings etwas Ernüchterung eingezogen zu sein. Da muss ich etwas ausholen. Die Filmförderung in Deutschland steht ja auf mehreren Säulen. Eine davon ist das Filmförderungsgesetz, das regelt die Basisförderung. Dieses Gesetz ist Ende letzten Jahres im sprichwörtlich letzten Atemzug der Ampelregierung noch durch den Bundestag gegangen. Zum Glück, denn sonst wäre die gesamte deutsche Filmförderung zusammengebrochen, die FFA hätte keine Finanzierungsgrundlage mehr gehabt. Also: Haken dran, das hat die Politik hinbekommen.
Sie hat es aber seit Jahren nicht geschafft, die Förderung für große internationale Projekte, Serien und das Streamer-Geschäft so attraktiv zu machen, dass Deutschland wieder auf der Landkarte der relevanten Produktionsstandorte auftaucht. Da sind uns Länder wie England, Tschechien, Ungarn oder auch Belgien und Österreich längst davongezogen, mit steuerlichen Anreizen oder Programmen wie dem österreichischen FISAplus.
Ich mache das beim VTFF jetzt schon einige Jahre, seit ich aus der Bavaria ausgeschieden bin, und wir lobbyieren seither als technisch-kreative Dienstleister dafür, dass Deutschland endlich ein konkurrenzfähiges Fördermodell bekommt. Denn unsere Betriebe wie Studios, Postproduktion, Rentalhäuser, Fundus, Grip oder Lichtverleiher sind an den Standort Deutschland gebunden. Wir können nicht einfach alles in den Lkw laden und ins Ausland fahren. Hier sind die Arbeitsplätze, hier muss investiert werden und das funktioniert nur, wenn man Vertrauen in den Markt hat. Ohne planbare Perspektive investiert niemand.
Ortsfeste Immobilien: Die Produktionswirtschaft ist an den Standort Deutschland gebunden. (Foto: Günter Neuhaus / Ludwig Kameraverleih)
Der VTFF drängt also nicht erst seit gestern auf eine Reform der Filmförderung. Als der Deutsche Filmförderfonds 2007 eingeführt wurde, war das ein großer Wurf und ein echter Schub für die Branche. Es war die Zeit, als internationale Filme nach Deutschland kamen, später auch Streaming-Produktionen. Aber über die Jahre hat der Fonds an Attraktivität verloren. Die Nachbarländer haben dagegen ihre Fördermodelle modernisiert.
Wir rufen daher seit vielen Jahren nach einer Reform, die sich an dem orientiert, was international längst funktioniert, nämlich ein Steueranreizmodell, auf Englisch Tax Incentive. Das wäre im Grunde das ideale Modell für Deutschland. Denn es ist nicht nur Förderung, sondern auch ein Investitionsanschub. Jeder Euro, der so ins Land kommt, löst nachweislich ein Mehrfaches an Wertschöpfung aus. Für die Filmwirtschaft – und ich sage bewusst Filmwirtschaft, nicht Filmbranche – ist das entscheidend. Da geht es um Unternehmen, Arbeitsplätze, Investitionen, Expansion. Mit einem solchen Modell könnten wir das alles sichern und ausbauen.
Aber das Steueranreizmodell ist nicht Bestandteil des neuen Filmfördergesetzes. Leider nicht, aber immerhin hat der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer in seinen ersten hundert Tagen schnell reagiert und die klassischen Filmfördertöpfe verdoppelt. Das war ein starkes Signal und wir im VTFF haben wirklich applaudiert. Wir sind in dieser Branche ja flexibel genug zu sagen: Wenn es mit dem Tax Incentive in Deutschland partout nichts wird, weil sich Bund und Länder, Finanzminister und Kulturstaatsminister nicht einig werden, dann nehmen wir eben diesen pragmatischen Schritt. Weimer hat als Unternehmer und Verleger sehr schnell verstanden, woran es fehlt, und die Mittel des DFFF und des German Motion Picture Fund auf insgesamt 250 Millionen Euro erhöht. Dafür gab es breite Zustimmung.
Die Euphorie hielt allerdings nicht lange. Als ich mir den Haushaltsplan 2025 angesehen habe, stand dort zwar die zugesagte Summe, aber die Hälfte davon war mit einem Sperrvermerk des Bundesfinanzministers versehen. Und dieser Sperrvermerk war an ein Junktim gekoppelt: Das Geld wird erst freigegeben, wenn parallel ein Investitionsverpflichtungsgesetz kommt. Ein solches Gesetz gibt es in einigen europäischen Ländern, in anderen aber nicht. Der erfolgreichste Standort England arbeitet überhaupt nicht damit.
Dieses Gesetz soll vor allem die Produzenten stärken, also dafür sorgen, dass Rechte stärker bei deutschen Produzenten verbleiben, statt bei einem Buy-out komplett an die Streamer zu gehen. Das ist im Prinzip nachvollziehbar. Die Produzenten gehen als Erste ins Risiko und brauchen eine Kapitalbasis. Eine Rechtebibliothek kann da helfen, bankfähig zu werden. Aber für uns als technische Dienstleister bedeutet das, dass die zugesagten Fördermittel bis zur Hälfte blockiert sind.
Grundsätzlich ist es ja keine schlechte Idee, dass diejenigen, die in unserem Land Gewinne erzielen, diese Gewinne auch wieder hier in die Produktionslandschaft investieren. Absolut. Von Anfang an war ja von einer dreisäuligen Reform die Rede: das Filmförderungsgesetz, das ist abgehakt, ein Steueranreizmodell, das nun in Form der verdoppelten Fördertöpfe daherkommt, und als drittes Säule dieses Investitionsgesetz. Das Problem ist nur: Wenn man den großen Sprung wagt mit 250 Millionen Euro Förderung, dazu eine Erhöhung der Förderquote auf 30 Prozent, also endlich international wettbewerbsfähig wird, dann muss diese Botschaft auch klar und ungetrübt in die internationale Produktionswelt gehen.
Aber genau das passiert nicht. Meine Kollegen aus den Dienstleistungsfirmen, die mit Hollywood zusammenarbeiten, sagen mir: „In Los Angeles weiß man längst, dass in Deutschland ein Sperrvermerk auf dem großen Topf liegt.“ Das ist fatal.
Was Deutschland braucht, sind drei Dinge: Verlässlichkeit, Planbarkeit und Klarheit. Wenn du ein Projekt hierherholen willst, egal ob deutsch, europäisch oder international, dann brauchst du die Sicherheit, dass du nicht im nächsten Jahr mit leeren Händen dastehst. Große Produktionen, Serien, die in zweite oder dritte Staffeln gehen, Projekte mit riesigen Sets kommen nur, wenn sie Vertrauen in den Standort haben. Ich sage ja gar nicht, dass man mit 250 Millionen schlecht dasteht. Im Gegenteil, das ist ein ordentlicher Topf, mit dem man arbeiten kann. Aber wenn die Hälfte davon gesperrt ist, dann entsteht sofort wieder dieses Windhundrennen: Wer bekommt noch Förderung, bevor das Geld versiegt? Gleichzeitig liest du von Haushaltslücken in Milliardenhöhe. Das ist doch keine Botschaft, mit der man international punkten kann.
Qualifizierte Fachkräfte sind eine Stärke der deutschen Filmwirtschaft. (Foto: Ludwig Kameraverleih)
Die Zeit scheint drängender denn je. Im September hörte man auf der IBC, von hier könne es eigentlich nur noch bergauf gehen. Wann rechnet ihr mit Bewegung? Das hängt davon ab, wie ernst die Koalition das Junktim nimmt. Wenn sie sagt: „Erst das Investitionsverpflichtungsgesetz, dann die Mittel“, dann reden wir von mindestens einem halben Jahr, eher länger. Das Gesetz muss erst aus dem BKM kommen, dann durch Anhörungen, dann nach Brüssel, Stillhaltefristen inklusive. Wenn das alles erledigt ist, dann ist 2026 schon wieder vorbei. Und das kann sich unser Standort nicht mehr leisten.
Wir sind längst über die Talsohle hinaus. Viele unserer Mitglieder stecken tief in der Krise. Jeden Monat erreicht mich eine neue Insolvenz, meist aus Postproduktion oder Tonstudios, auch die Rentals klagen. Damit verlieren wir Kapazitäten, Know-how, Arbeitsplätze, all das kommt so schnell nicht wieder.
Dabei hätte Deutschland alles, was es braucht: qualifizierte Fachkräfte, gute Studios, großartige Locations, Infrastruktur von den Alpen bis zur Ostsee. Wenn jetzt endlich Bewegung käme, könnten wir wie Großbritannien zu einem echten Produktions-Hub in Europa werden. Aber dafür braucht es ganz klare Rahmenbedingungen, nicht dieses ständige „mal sehen, ob“.
Was müsste die Politik also konkret tun, um die deutsche Produktionslandschaft wieder in Schwung zu bringen? Erstens: Das Junktim sofort aufheben und die Fördertöpfe komplett freigeben. Befreit die Töpfe! Zweitens: Die Richtlinien des DFFF, vor allem des DFFF II, dringend überarbeiten. Sie stammen aus einer Zeit, als es noch keine internationalen Serienprojekte in dieser Form gab. Drittens: Teilgewerksförderung ermöglichen. Ein deutsches VFX- oder Tonstudio sollte auch dann Förderung bekommen, wenn nur ein Teil eines internationalen Projekts hier realisiert wird. Das stärkt unsere Dienstleister, solange sie noch existieren. Und viertens: Die Pflicht zur Kinoauswertung abschaffen. Immer weniger Produktionen landen im Kino und Förderung muss die Realität der Streamingwelt abbilden. Wenn wir das schaffen und die Mittel endlich fließen, dann kann man auch wieder sagen: Deutschland ist zurück. Aber dafür muss jetzt gehandelt werden, ohne Wenn und Aber.