Die Bildgestaltung der „Mission: Impossible“-Reihe
Die Handlung vorantreiben (2)
von Timo Landsiedel,
Von „Fallout“ über „Dead Reckoning“ bis zum Finale „The Final Reckoning“: Wir beleuchten, wie Bildgestaltung, Technik und Stunts die Mission: Impossible-Reihe zu einem einzigartigen Action-Franchise machten.
Foto: Giles Keyte / Paramount Pictures
Mit dem fünften Film „Mission: Impossible – Rogue Nation“ übernahm Christopher McQuarrie 2015 als Regisseur die Reihe, Robert Elswit war erstmals DoP. McQuarrie hatte seinen Durchbruch als Drehbuchautor des kongenialen Gangsterthrillers „Die üblichen Verdächtigen“, für den er auch den Oscar erhielt. Bemerkenswert ist, dass er als Regisseur zuvor nur „Way of the Gun“ von 2000 sowie mit Cruise 2012 für Paramount den ersten „Jack-Reacher“-Film realisiert hatte.
Man hätte meinen können, 2015 wäre ein ideales Jahr gewesen, um endgültig auf digitale Bildakquisition umzusteigen. Die ARRI Alexa Mini kam in jenem Jahr auf den Markt, RED baute gerade sein Portfolio aus. Doch mitnichten: Sowohl Robert Elswit als auch sein „Fallout“-Nachfolger Rob Hardy („Ex Machina“) setzten weiterhin überwiegend auf analoges Filmmaterial. DoP Robert Elswit erklärte dem American Cinematographer, warum das so ist: „Tom Cruise – und es war wirklich seine Entscheidung – mag es nicht, wie digital erworbenes Material in der digitalen Projektion aussieht, selbst wenn man eine Filmkurve darüber legt.“
„Rogue Nation“ setzte in seinem Anspruch an die Action fort, was „Phantom Protokoll“ begonnen hatte. Zum Schauspielteam stieß diesmal Rebecca Ferguson, die deutlich machte, dass sie die Reihe spielend hätte übernehmen können. DoP Elswit wählte als Objektive erneut Panavisions C-Serie, deren Einsatz sich durch die gesamte Reihe zieht. Elswit zielte auf einen klassischen Look ab, fast ein wenig als Reminiszenz an den ersten „Mission: Impossible“-Film von 1996 und wählte dafür Kodak Vision3 200T 5213 sowie 500T 5219.
Für die Unterwassersequenz im geheimen Serverraum im Wasserkraftwerk wurde im 12-Meter-Becken in den Warner Bros. Studios in Leavesden bei London das entsprechende Set mit großen Greenscreens gebaut. Ausschließlich bei dieser Sequenz setzte die Filmecrew auf digitale Aufzeichnung und wählten dafür die ARRI ALEXA 65. Cruise und Ferguson hielten für diese Sequenz laut Stunt Coordinator Wade Eastwood zwischen drei und sechs Minuten pro Take die Luft an.
Jeder Teil setzte einen drauf: Für „Mission: Impossible – Dead Reckoning“ sprang Cruise mit dem Motorrad von einer norwegischen Klippe. (Foto: Christian Black / Paramount Pictures)
Es folgte „Fallout“ unter der Ägide von DoP Rob Hardy. Die Filme unter Regisseur Christopher McQuarrie zeichnet besonders aus, dass die Action nie isoliert steht, sondern die Handlung vorantreibt. Sie verändert Dynamiken, definiert Beziehungen neu und bleibt dadurch dramaturgisch verankert. Der sechste Film der Reihe brachte einen herrlich aufgelegten Henry Cavill als Antagonisten ins Spiel und startete mit einem High-Altitude-Low-Opening-Sprung, der von Cruise persönlich ausgeführt wurde.
Obwohl diese Sequenz über Paris spielt, war eine Genehmigung dafür nur in den Vereinigten Arabischen Emiraten möglich. Über einhundert HALO-Sprünge führte der Hauptdarsteller von Höhen zwischen sieben und neun Kilometern aus. Während er mit bis zu 350 km/h auf die Erde zuraste, wurde er von HALO Camera Operator Craig O‘Brian gefilmt, an dessen Helm eine RED Weapon angebracht war. Da es sich um eine Nachtaufnahme handelte, musste er auf Blende 2.8 aufzeichnen und hatte daher eine Funkschärfe in der Hand, um selbst die Schärfe kontrollieren zu können.
DoP Hardy verließ sich ausschließlich bei den Luftaufnahmen auf digitale Bildakquise, da ein ständiges Landen zum Magazinwechsel als unpraktisch erachtet wurde. Die Sprünge fanden alle kurz vor Sonnenuntergang statt, um Dämmerung zu erzählen und gerade noch genug Zeichnung im Bild zu haben. Deshalb konnte pro Tag jeweils nur ein Take von knapp drei Minuten Länge gedreht werden. Die arabische Wüste wurde schließlich durch die VFX-Schmiede DNEG durch das nächtliche Paris samt Gewitter ersetzt.
Der Abschluss: „Mission: Impossible – The Final Reckoning“ Für Film Nummer 7 „Mission: Impossible – Dead Reckoning“ kam Fraser Taggart als DoP an Bord, der diese Position auch beim aktuellen, letzten Film der Reihe „The Final Reckoning“ übernommen hat. Taggart hatte schon als Second Unit DoP bei den vorigen „Mission: Impossible“-Filmen agiert. Trotz der Digital-Abneigung des kreativen Teams entstand der Großteil des Abschluss-Doppels auf der Sony CineAlta Venice sowie der ARRI ALEXA Mini LF mit der bereits fest zum Inventar gehörenden Panavision C-Serie, ergänzt durch E-, D- und H-Serie. Wir berichteten über die Dreharbeiten zu „Dead Reckoning“ ausführlich in Ausgabe 9.2023 mit Schwerpunkt auf der präzisen Planung des Motorradsprungs von der norwegischen Klippe.
Das riesige Unterwasser-Set entstand in einem eigens gebauten Becken in den Warner Bros. Studios in Leavesden nördlich von London. (Foto: Gareth Gatrell / Paramount Pictures)
Der zentrale Plot von „Mission: Impossible – The Final Reckoning“ ist die Suche nach einem versunkenen, russischen Atom-U-Boot. Dafür wurde zwischen März und Juni 2023 in den Longcross Studios in London ein riesiger Tank gebaut. Das Becken war fast zehn Meter tief, über 30 Meter breit und fasste neun Millionen Liter Wasser. Für die Szenen war Regisseur Christopher McQuarrie bei Tom Cruise unter Wasser und schwebte vor einem schwimmenden Monitor in voller Tauchmontur, um die Besprechungszeiten kurz und direkt zu halten. Dafür hatten beide Handzeichen vereinbart. Das Drehbuch verlangte, dass das nur halb mit Wasser geflutete U-Boot langsam von einer Felszunge rutschen und sich dabei um die Längsachse drehen sollte. Das wurde mit einem eigens dafür gebauten Gimbal von 26 Metern Höhe erreicht. Vier unterschiedliche Interieurs ließ Szenenbildner Gary Freeman für das U-Boot-Innere bauen – und fluten.
Der finale Showdown spielt an Bord eines Doppeldecker-Flugzeugs über der afrikanischen Steppe. Tom Cruise hängt hier in den Streben und versucht seinen Gegenspieler Gabriel (Esai Morales) auszuschalten. Für die Sequenz ließ DoP Taggart mehrere Kameras an Flügel, Rumpf und Heck des Doppeldeckers montieren. Diese waren nur mit Weitwinkelobjektiv und Batterie ausgestattet und sehen auf dem wenigen, bekannten Material aus wie Z Cams E2-F6 mit ZEISS Compact Primes. Die Z Cam war für Taggart schon bei „Dead Reckoning“ ein wichtiges Hilfsmittel, wenn es um hochwertige 6K-Aufzeichnung bei kleinstmöglichem Formfaktor ging. Die Sequenz setzt sich aus drei südafrikanischen Motiven zusammen: der Blyde River Canyon zu Beginn der Jagd, die Drakensberge während des Umstiegs zwischen den Flugzeugen sowie die Wild Coast am Ostkap für den finalen Kampf mit Gabriel.
Christopher McQuarrie und Tom Cruise wollten auch bei den Doppeldeckeraufnahmen nicht einfach ein weites Bild abdecken, sondern an jedem Punkt des Flugzeugs in eine Nahaufnahme von Cruises Gesicht gehen können. Stunt Coordinator Wade Eastwood bezeichnet diese Sequenz als die bisher gefährlichste Flugzeugszene für Cruise, da er in sehr langen Takes bei über 250 km/h in klirrender Kälte physisch höchst herausfordernde Bewegungsabläufe umsetzte. Das alles, während sich das Flugzeug auf den Kopf stellte oder schnelle Wendungen machte, also die Bewegungskräfte des Flugzeugs zusätzlich an ihm zerrten.
Vieles von der in den letzten beiden Filmen eingesetzten Technik, wie die Z Cams, ist in dieser Form erst in den vergangenen Jahren entwickelt worden. Die Reihe spielte eine entscheidende Rolle bei der technologischen Weiterentwicklung – und das Ende dieser Entwicklung ist noch lange nicht in Sicht. Wie immer bei derart erfolgreichen Franchises stellt sich unweigerlich die Frage: Ist jetzt wirklich für „Mission: Impossible“ Schluss? In einem Interview mit „Entertainment Tonight“ antwortete Tom Cruise auf diese Frage: „We don’t call it ,Final‘ for nothing.“ Das wäre also geklärt.