Die deutsche Bundesregierung arbeitet an einer Neuordnung der Filmförderung. Doch trotz großer Versprechen bleibt der erhoffte Schub für die Branche bislang aus.
Kulutstaatsminister Wolfram Weiner: „Die Investitionsverpflichtung wird konstruktiv ausgestaltet sein. Sie soll den verschiedenen Geschäftsmodellen und programmlichen Ausrichtungen ausreichend Rechnung tragen und das Potential der Branche entfalten.“ (Foto: Jesco Denzel / Bundesregierung)
Der Oscar für „Im Westen nichts Neues“, Nominierungen für „Das Lehrerzimmer“ und „Die Saat des heiligen Feigenbaums“: Der deutsche Film ist künstlerisch im Aufwind, was der Preis der Jury in Cannes für Mascha Schilinskis „In die Sonne schauen“ noch bestärkt. Die Filmförderreform für die Stärkung der wirtschaftlichen Seite könnte nun zum 1. Juli folgen. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD finden sich durchaus ambitionierte Ziele. Steueranreize und Investitionspflichten sollen die Wettbewerbsfähigkeit stärken, Kinos und Filmerbe besser gefördert werden. Das bewährte Zukunftsprogramm Kino, mit dem Filmtheater bis 2024 bei ihren Investitionen in neue Technik oder Ausstattung unterstützt wurden, fehlt dagegen in den Etats für 2025 und 2026, obwohl der Bedarf groß ist: Im letzten Jahr war der Topf von 20 Millionen Euro innerhalb von zehn Sekunden ausgeschöpft. Stattdessen verspricht Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, zehn Millionen aus dem Etat des Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und des German Motion Picture Funds (GMPF) für die Kinos umzuleiten, wenn dort entsprechende Mittel stehen bleiben. Doch daran glaubt im Moment keiner.
Sparmodus
Auch bei der Digitalisierung des Filmerbes macht die neue Regierung den Rotstift von Claudia Roth nicht rückgängig. Der Etat für den Erhalt der Filmmaterialien im Bundesarchiv wurde bereits 2023 um die Hälfte gekürzt. Der finanzielle Beitrag für das 2019 mit den Ländern und der Filmwirtschaft beschlossene Digitalisierungsprogramm Filmerbe bleibt in diesem Jahr bei den einst versprochenen 3,3 Millionen Euro. 2026 werden es 2,2 Millionen sein. Der Bund folgt mit der Entscheidung den Ländern Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Sachsen-Anhalt, die aus dem Programm ausgestiegen sind. Der Verwaltungsrat der FFA kürzte den Anteil der Filmwirtschaft im Februar 2025 auf eine Million Euro. Unter dem Strich stehen so statt zehn nur noch knapp sechs Millionen Euro für die Digitalisierung zur Verfügung. Wertvolle Filmbestände können nicht erhalten werden, zudem droht Deutschland die technischen Kapazitäten für diese Prozesse zu verlieren.
Einschneidender für die Produktionsfirmen und Kreativen ist die Unsicherheit bei der Schaffung eines international konkurrenzfähigen steuerlichen Anreizmodells und der Verabschiedung einer Investitionsverpflichtung. Das von Claudia Roth angestrebte Steueranreizmodell, genannt Filmzulage, ist vom Tisch. „Die intensiven Gespräche der letzten Jahre innerhalb der Bundesregierung und mit den Ländern haben gezeigt, dass dessen Umsetzung in Deutschland aufgrund der föderalen Strukturen sehr komplex und langwierig gewesen wäre. Neben einem entsprechenden Gesetz wäre der Aufbau neuer Strukturen in der Finanzverwaltung der Länder erforderlich geworden,“ heißt es zur Begründung aus dem BKM. Das Bundesfinanzministerium sah zudem Schwierigkeiten, dass Gesetz in die sonstige Steuersystematik so einzupassen, dass alle Player in der Branche von den Zuschüssen profitieren.
Anreiz ohne Effekte
Stattdessen setzt das BKM auf den Um- und Ausbau von DFFF1, DFFF2 und GMPF, deren Etats sich auf mehr als 130 Millionen Euro summieren. Seit 1. Januar sind 30 Prozent der in Deutschland anfallenden Herstellungskosten für die Förderung anrechenbar, was bereits zu einem spürbaren Schub geführt hat. Die Budgets seien zwar gesunken, was nach Einschätzung von FFA-Chef Peter Dinges nur eine Momentaufnahme sei. Auch die Zahl der Produktionen steigt. Der erwartete Run aus Hollywood blieb weitgehend aus. Nur drei Projekte listet die FFA auf, darunter den Dreh von „Die Tribute in Panem: Der Tag bricht an“ im Ruhrgebiet.
Die Zurückhaltung hat einen Grund, denn im internationalen Vergleich ist das deutsche Modell kaum konkurrenzfähig. Malta lockt mit 40 Prozent Steuererlass, die baltischen Länder, Ungarn oder Polen gewähren 30 Prozent bei niedrigeren Lohnkosten. In Österreich gibt es auf die 30 Prozent bei einem hohen Anteil von Frauen in Führungspositionen oder der Berücksichtigung von ökologischen Standards einen Zuschlag von 5 Prozent. Tschechien hat den Steuerrabatt auf 25 Prozent erhöht und bleibt ein Magnet für Hollywoods Firmen.
Diesen Wettbewerbsnachteil hat auch Staatsminister Wolfram Weimer erkannt, der von einem neuen Run aus den USA träumt. Die Richtlinien der drei Fördersäulen werden daher zum 1. Juli 2026 erneut novelliert. Voraussetzung ist aber, dass deren Gesamtetat wie geplant auf 250 Millionen Euro steigt. Garantiert sind bislang nur 120 Millionen Euro. Die Erhöhung ist mit einem Genehmigungsvorbehalt des Bundesministeriums der Finanzen versehen. „Zur haushaltstechnischen Umsetzung dieser Zielsetzung sowie zur Umsetzung der Investitionsverpflichtung stimmt sich BKM weiterhin eng innerhalb der Bundesregierung ab,“ teilt ein Sprecher des Hauses mit.
Pflicht mit Fragezeichen
Die Erhöhung kommt nur, wenn die Investitionsverpflichtung umgesetzt wird, über die Streamingdienste und TV-Anbieter verpflichtet werden können, einen bestimmten Anteil ihres Umsatzes in die Produktion heimischen Contents zu stecken. 20 Prozent hatte Claudia Roth dafür in ihrem ersten Gesetzentwurf im Februar 2024 vorgesehen, im Sommer 2024 waren 15 Prozent im Gespräch. Jetzt wird wohl über zehn bis zwölf Prozent verhandelt – womit Deutschland unter den 13 EU-Staaten, die eine entsprechende „Audiovisuelle Richtlinie“ der EU in nationales Recht umgesetzt haben, mit an der Spitze läge. Dänemark verlangt von den Playern auf seinem Markt 7 Prozent, der flämische Teil Belgiens 2,2 Prozent, Spanien 5 Prozent, Italien bis zu 16 Prozent Investitionen. Eine Klagewelle blieb aus, nur im wallonischen Teil Belgiens lässt Netflix das Gesetz gerichtlich prüfen.
In Frankreich hat sich die Branche mit leichtem Druck der Regierung auf eine freiwillige Vereinbarung geeinigt, nach der alle Anbieter 20 Prozent der Einnahmen in fiktionale Programme investieren. Seitdem boomt die Produktion, der Arbeitsmarkt ist so gut wie leergefegt. Die Honorare und Gagen stiegen um rund 30 Prozent. Solch eine Vereinbarung strebt Wolfram Weimer auch für Deutschland an. Denn nur dann kann garantiert werden, dass das Geld in die hiesige Produktion fließt. Bei einer gesetzlichen Regelung könnte es in allen Länder der EU ausgegeben werden.
Die öffentlich-rechtlichen Sender sehen rechtliche Bedenken. Da ihre Geschicke von den Bundesländern bestimmt werden, müssten sie wohl zustimmen. Mit ihnen hat aber noch niemand aus dem BKM das Gespräch gesucht. Mit Vertretern der Streamingdienste und der privaten Sender wird seit Monaten verhandelt. Eine schnelle Einigung mit den Sendern scheint unwahrscheinlich, nicht nur, weil bei der ProSieben/Sat1 AG das Management nach dem Eigentümerwechsel ausgetauscht wurde. Mit Netflix und Disney ist sich Wolfram Weimer dagegen handelseinig, die Details sollen bald bekannt werden, kündigte der Staatsminister laut „Stuttgarter Zeitung“ an. Entscheidend wird die Höhe sein. Bei einer Zusage unter 10 Prozent ist kaum mit einem wesentlichen Produktionszuwachs zu rechnen.
Licht und Schatten
Parallel arbeitet das BKM an einem Gesetzentwurf. Ihm muss die EU zustimmen, das braucht weitere drei Monate. Mit einem Inkrafttreten des Gesetzes wäre kaum vor dem Sommer 2026 zu rechnen. Einen Lichtblick gibt es auch beim Etat der vierten Fördersäule, der Kulturellen Filmförderung. Er steigt in den kommenden beiden Jahren um jeweils zwei Millionen Euro. Davon soll laut BKM auch der Kurzfilm profitieren, dessen Etat seit Jahren vor sich hindümpelt. Die Berlinale muss dagegen wieder mit 10,9 Millionen Euro auskommen. Auch der Bau des Filmhauses als neue Heimstatt des Berliner Festivals sowie der Vision Kino rückt weiter in die Ferne. Seit fünf Jahren diskutiert das BKM mit den potenziellen Mietern über den Raumbedarf.
Fazit: Ab Mitte 2026 könnte es zu einer signifikanten Erhöhung der Fördermittel für die Produktion kommen. Ob die Filme im Kino gesehen oder überhaupt ordentlich ausgewertet werden können, ist bei der Reform allerdings völlig aus dem Blickfeld verschwunden. [15598]