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Die VFX-Effekte bei „Andor“

In der Realität erden

Die erste Staffel der Star-Wars-Serie „Andor“ begeisterte Kritiker und Publikum gleichermaßen. Wir erfuhren für unsere Ausgabe E03.2025 von VFX-Supervisor Mohen Leo von Industrial Light & Magic, wie die Gewerke zusammenarbeiteten und wie VFX zur Erdung der Serie beitrug.

BTS "Andor"
Foto: Lucasfilm (Bild: © 2024 Lucasfilm Ltd™. All Rights Reserved.)

Für die Tauben, die den Palmo City Plaza auf dem Planeten Ghorman bevölkern, ist es ein Tag wie jeder andere. Für Syril Karn, den Leiter des imperialen Büros zur Standardisierung, sieht das anders aus. Allerdings weiß er das noch nicht, als er, wie alle makellos gekleidet, zielstrebig den Platz überquert, in dessen Mitte ein Denkmal an das Tarkin-Massaker erinnert. Noch heute wird sich für Karn eine Chance ergeben – und wie er damit umgeht, wird über Leben und Tod entscheiden.

Berlin, Singapur, London

Wenn Schauspieler Kyler Soller in der vierten Episode der zweiten Staffel von „Andor“ die Stufen des gewaltigen Plaza-Sets erklimmt, macht sich das Publikum vor den 4K-UHD-Fernsehern hoffentlich keine Gedanken über die Menschen, die das möglich machten. Deren Job ist nämlich die völlige Immersion des Publikums in die Geschichte. Dabei ist allein die Kranfahrt mit Schwenk über den Plaza mit dem dahinterliegenden Dome des imperialen Bürogebäudes und der im Bau befindlichen Waffenkammer von Palmo ein Shot, der das Zusammenspiel von Szenenbild, Previs, VFX, Kamera und sogar Tierdresseuren nötig machte. Mittendrin war immer VFX-Supervisor Mohen Leo von Industrial Light & Magic.

Mohen Leo studierte zunächst Informatik und Physik an der UdK Berlin, bevor er 1995 mit einem Abschluss in Industriedesign abschloss. Nach einem kurzen Zwischenstopp bei Schramms Graphik Design ging er zu Industrial Light & Magic nach San Francisco, wo er ab 1995 an Projekten wie „Star Wars – The Phantom Menace“, „The Perfect Storm“ und „Pearl Harbour“ arbeitete. Weitere Stationen führten ihn zu ESC Entertainment und Digital Domain, doch immer wieder kehrte er zu ILM und Lucasfilm zurück, unter anderem für „Ant-Man“ und „Rogue One“. Er baute das ILM-Studio in Singapur mit auf und war auch für ILMxLAB im Bereich immersiver Formate tätig. Heute lebt er in London, wo beide Staffeln von „Andor“ entstanden.

BTS "Andor"
Das Set des Palmo City Plaza auf dem Paddock Backlot der Pinewood Studios bei London (Foto: Lucasfilm)

„Etwa 2018 begannen die Gespräche über eine Serie über Cassian Andor, die im Grunde genommen als Prequel zu ,Rogue One‘ dienen sollte“, so Mohen Leo. Der von Diego Luna gespielte Andor war eine der Hauptfiguren in „Rogue One“. Leo arbeitete zu dieser Zeit in der Niederlassung in San Francisco bei ILMxLab. Einer der entwickelnden Produzenten fragte Leo, ob er mit dabei sein wolle. „Ich war sofort begeistert, weil ich die Zusammenarbeit mit Showrunner Tony Gilroy liebte“, so der VFX-Supervisor. „Also sagte ich im Grunde genommen: ,Ja, auf jeden Fall!‘ und zog von San Francisco nach London, um speziell an der Serie zu arbeiten.“ Als es nach dem immensen Erfolg der ersten Staffel von „Andor“ an die zweite ging, war Leo gesetzt. Nahezu das gesamte Kreativteam war wieder dabei.

Bodenständigkeit

Mohen Leo empfand es als sehr befreiend, mit dem Rückhalt und Vertrauen von Showrunner Tony Gilroy arbeiten zu können. „Hier wussten wir einfach, dass wir bei allem, was wir versuchen würden, zusammenarbeiten und gemeinsam herausfinden würden, wie wir noch ehrgeizigere Ziele erreichen können“, so Leo. Viele Aspekte sollten beibehalten und ausgebaut werden, wie etwa die Idee, die Serie in ihrem Erscheinungsbild sehr bodenständig zu halten. „Darüber waren Szenenbildner Luke Howell und ich uns einig“, erläutert Mohen Leo. „Wir wollten, dass jede Umgebung auf etwas Physischem basiert, entweder auf einem umfangreichen Set oder in vielen Fällen sogar auf einem Drehort.“

Schon in der ersten Staffel hatte die Crew für viele der Szenen auf dem Planeten Coruscant, ehemaliger Sitz des Jedi-Rats, Motive in der Londoner Innenstadt verwendet. Vieles im Bild musste digital entfernt und ersetzt werden. „Aber so konnten wir die Atmosphäre, das Licht, die Architektur und auch einfach das Wissen nutzen, dass die Regisseure und Kameraleute selbstbewusste Entscheidungen über die Kameras treffen konnten“, so Leo. In vielen Vorgängern waren derartige Szenen mit minimalem Set vor Grün entstanden oder gar gänzlich am Computer in der Unreal Engine, deren Bild auf die LED-Wall gespielt wurde. Auch in der zweiten Staffel wurde die Idee der Bodenständigkeit fortgesetzt und es wurden Originalmotive in Italien oder Großbritannien erweitert und verfremdet.
BTS "Andor"

Dieser Aspekt war auch der zentrale beim Shot zur Einführung des Planeten Ghorman. Die Grundlage für diese Einstellung war eine virtuelle Scouting-Session mit DoP Christophe Nuyens und Regisseur Ariel Kleiman. Zuvor waren Sets und Ideen grob im virtuellen Raum von Szenenbildner Luke Howell platziert worden. Zunächst folgte die Kamera Schauspieler Kyle Sollers virtueller Präsenz. Das Team entschied dann, dass der Shot spannender sein würde, wenn die Kamera aus der Vogelperspektive auf Syril Karn blicken und dann erst mit ihrem Aufstieg den Platz dahinter zeigen würde. „Dann entwickelt sich die Aufnahme zu einem dramatischen Moment, in dem man diese große Umgebung sieht“, sagt Mohen Leo. Der Vorteil dieser Variante war, dass keine große CG-Stadt um das Set gebaut werden musste. Dieser Shot würde über weite Strecken einfach mit dem gebauten Set auskommen.

Previs

Die Previs-Arbeit von The Third Floor war so umfassend, dass alle Episoden sehr präzise, meist bis auf die genaue Einstellungsgröße vorausgeplant werden konnten. Für die meisten Sets und Motive entstanden vorab exakt ausgemessene 3D-Modelle. Damit hatten Regie, Kameraleute und Szenenbildteams die Möglichkeit, ein Set vor dem Bau zu erkunden und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen. „Wenn man durch eine virtuelle Kamera auf ein Set schauen kann, gibt das allen Beteiligten wichtige Informationen“, sagt Mohen Leo.

Auf Basis dieses Wissens konnten Setbauten auf dem Plaza in Form und Funktion angepasst werden. Außerdem ließen sich die Platzierung sowie Größe und Anzahl von Green- und Bluescreens planen. So gab es später eine extra Unit, die sich nur um das Umstellen der Screens kümmerte. Sogar die Anzahl der Statisten für bestimmte Szenen konnte präzise für die spätere Wirkung auf dem Bildschirm geplant werden. Denn das hat auch Auswirkungen auf andere Departments. Es macht einen Unterschied, ob 100 oder 200 Komparsen mit Maske, Kostümen und Requisiten ausgestattet und mit Frühstück sowie Mittagessen versorgt werden müssen. Zudem war das Previs-Material eine hervorragende Grundlage, damit die Departments untereinander ins Gespräch kamen, wie etwas praktisch oder besser zu lösen war.

Eine besondere Herausforderung für das VFX-Team war das im Hintergrund im Bau befindliche Hochhaus, das Waffenarsenal von Palmo City. Die Crew musste die Frage beantworten, wie eine Baustelle im Star-Wars-Universum aussehen könnte. Auch hier war die enge Zusammenarbeit zwischen VFX-Abteilung und Szenenbild von Luke Hull wichtig. „Ich glaube, Luke und ich tendieren beide dazu, Referenzen in der realen Welt zu suchen“, so VFX-Supervisor Mohen Leo. „Wir versuchen also, so weit wie möglich auf Referenzen aus anderen Filmen zu verzichten und schauen uns stattdessen die reale Welt an, weil man dort fast alles finden kann.“

Die echte Welt als Referenz

Hier folgte Mohen Leo einem Grundsatz, den Amy Hennig geprägt hat. Hennig ist Videogame-Autorin sowie Regisseurin und war unter anderem an der „Uncharted“-Serie beteiligt. Hennig lernte Leo bei einem ILMxLAB-Projekt kennen. Sie sagte bei der Besprechung eines VR-Projekts: „Don‘t put weird on weird“, also „Kombiniere nicht seltsam mit seltsam.“ Mohen Leo erklärt: „Wenn du eine reale Umgebung wie New York hast, kannst du in New York wirklich schräge Aufnahmen machen, weil die Leute wissen, dass es echt ist.“ In einer schon von sich aus ungewohnten, ja, fantastischen Stadt im Star-Wars-Universum würde eine schräge Kameraperspektive oder wilde Kamerafahrt nicht den gewünschten Effekt haben, weil das Publikum gar nicht in der Umgebung geerdet ist. „Also haben wir das Gegenteil gemacht. Wir dachten uns: Okay, machen wir die normalste Aufnahme, die man in dieser Stadt machen kann, so als wäre es New York“, sagt Leo.BTS "Andor"Filmstill "Andor"

Das dockt auch an den Anspruch der gesamten Produktion an. Wenn etwas praktisch gedreht werden konnte, wurde alles getan, dass es so umgesetzt werden konnte. „Selbst wenn wir es später ergänzen müssen, schaffen wir damit einfach eine Grundlage in der echten Welt“, so Mohen Leo. Spezialeffekte-Supervisor Luke Murphy war hier einer der wichtigsten Kollaborateure für Leo. In Episode 3 „Ernte“ war eine Sequenz auf einem Speederbike geplant. Das war zuvor oft so gelöst worden, dass das Fahrzeug im Studio statisch vor einen Greenscreen oder eine LED-Wall gestellt wurde, etwas Wind geblasen und auf der Wand oder in der Post ein dynamischer Hintergrund eingefügt wurde. „Ich hatte immer das Gefühl, dass es nicht ganz die nötige Körperlichkeit hatte“, sagt Mohen Leo, „insbesondere weil es hier mitten in einer wirklich dramatischen Actionsequenz in Episode 3 ist.“ Leo wollte an dieser Stelle keine Einstellung haben, die sich unecht anfühlt.

Für die Sequenz sollte der Agrarmechaniker Brasso auf einem über dem Boden schwebenden Speederbike durch ein Weizenfeld jagen. Leo und Murphy setzten sich zusammen und überlegten, wie man das so real wie möglich umsetzen könnte. Am Ende bauten Murphy und sein Team das Speederbike auf einen Quad, der von einem Stuntfahrer gesteuert wurde. So konnte Schauspieler Joplin Sibtain als Brasso real auf dem Speederbike durch das echte Getreide rasen. Nur der Pfad für das Quad und dessen Verbindung zum Bike mussten später retuschiert werden. [15577]


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