Die Produktion des Eurovision Song Contest 2025 in Basel
Made in Switzerland
von Sven Kubeile,
Der Eurovision Song Contest machte 2025 Station in Basel. Zwischen Glamour und Gigabit-Technik konnten wir für unser Heft E03.2025 einen Blick hinter die Kulissen einer der aufwendigsten TV-Produktionen Europas werfen.
Foto: Stefan Klinge / RIEDEL
Viele Kameras, aufwendige Lichtshows, bunte Farben und gut gelaunte Menschen: Das klingt ganz nach dem Eurovision Song Contest. Nach einem Jahr Pause war es für uns wieder so weit – Mitte Mai konnten wir erneut ESC-Luft schnuppern. Los ging es in Köln, von wo aus der ICE direkt nach Basel fuhr, direkt zu einer der größten TV-Produktionen des Planeten. In der Schweiz angekommen, herrschte wie so oft beim ESC eine ganz besondere Stimmung. Musikfans prägten das Stadtbild, überall fanden kleine Events statt.
An der St. Jakobshalle zeigte sich, dass die Venue in Basel deutlich kleiner ausfiel als etwa in Turin oder Rotterdam. Das hatte wohl auch direkte Auswirkungen für den Zugang. Eine offizielle Presse-Akkreditierung war nämlich abgelehnt worden, denn die Nachfrage in Basel sei, wie es hieß, zu groß gewesen.
Das Team von Riedel ermöglichte uns glücklicherweise eine Führung über das Gelände. In Turin hatte eine ähnliche Konstellation problemlos funktioniert, in der Schweiz gestaltete sich der Zugang deutlich komplizierter.Bereits Wochen zuvor war von verschärften Sicherheitsvorkehrungen die Rede gewesen, die uns tatsächlich direkt betrafen. So konnten nämlich weder Fotokameras noch Bauchtaschen in den Innenbereich mitgenommen werden. Immerhin gab es Schließfächer für die Wertgegenstände, Kostenpunkt fünf Schweizer Franken.
Erst danach stellte sich heraus, dass die Möglichkeit bestanden hätte, Kamera und Powerbank einfach in eine Tactical-Weste zu packen. Wo genau da der Unterschied in Sachen Sicherheit lag, ließ sich nicht ergründen, Diskussionen blieben ergebnislos – ein ärgerliches Intermezzo. Selbst Führungen für Fachbesucher aus der Broadcast- und Eventbranche mussten durchgehend von Sicherheitspersonal begleitet werden.
Trotz dieser überflüssigen Stolpersteine kam eine Technikführung zustande. Geleitet wurde sie von einer bestens bekannten ESC-Größe: Thurid Wagenknecht, die als eine der Hauptverantwortlichen bei Riedel seit Jahren eine zentrale Rolle in der Produktionsstruktur des Wettbewerbs spielt.
Die Venue in der St. Jakobshalle (Foto: Stefan Klinge / RIEDEL)
Neue Wege
In Basel setzte die Produktion erstmals auf Kameratechnik von Sony, darunter die noch recht neue FR7, und verzichtete damit auf die bislang verwendeten Systeme von Grass Valley. Auch bei der Bildregie gab es einen markanten Wechsel. Statt des lange etablierten CuePilot-Systems arbeitete die Produktion erstmals mit LiveEdit. Während CuePilot auf streng vorgeplante Kamerasequenzen setzt und sich auf lineare Ablaufsteuerung fokussiert, erlaubt LiveEdit mehr Flexibilität bei der Umsetzung und Integration dynamischer Regieentscheidungen. Das System bietet insbesondere bei hybriden Live/Pre-Recorded-Formaten Vorteile, etwa durch variable Timeline-Steuerung oder spontane Schnittanpassungen innerhalb einer laufenden Show.
Die Bühne wurde nach vorn durch einen überdimensionalen Rahmen eingefasst, der größtenteils aus Licht- und LED-Elementen bestand. In Kombination mit einer teiltransparenten LED-Rückwand und einem begehbaren LED-Boden entstand so eine wandelbare, tiefenräumliche Fläche. Ergänzt durch bewegliche Lichtelemente bot das Set zahlreiche kreative Gestaltungsmöglichkeiten für die einzelnen Acts.
Neben neuen Technologien kam auch bewährte Technik zum Einsatz. So war erneut OperTec aus der Ukraine für sämtliche Spezialkamerasysteme verantwortlich. Auf Audioseite setzte man wie in den Vorjahren auf eine Kombination aus Dante, Optocore, MADI und AVB, was sich mittlerweile als Standardmix für Großproduktionen dieser Art etabliert hat.
Die vergleichsweise kleine Venue stellte das Produktionsteam jedoch vor logistische Herausforderungen. So war es nicht möglich, alle Commentary-Plätze in der eigentlichen Halle unterzubringen. Deshalb nutzte man zusätzlich ein angrenzendes Gebäude, wo weitere Plätze eingerichtet wurden, einschließlich Projektion des Live-Geschehens per Beamer.
Im Music One Ü-Wagen kam eine Stagetec Aurus zum Einsatz. (Foto: Sven Kubeile)
Audio-Produktion
Bei der Technikführung nahm sich Markus Brockmann, Leiter der Audio-Produktion, Zeit für eine detaillierte Erläuterung des Signalwegs. Grundsätzlich gilt: Alle Künstlerinnen und Künstler singen live auf der Bühne, die Musik wird jedoch vorab produziert, vor Ort zugespielt und live gemischt.
Für diesen Zweck standen im NEP-Musiktruck Music One zwei Stagetec AURUS platinum-Konsolen bereit, auf denen der Live-Musikmix mit dem Stem-Material der Studioaufnahmen zusammengeführt wurde. Änderungswünsche der Delegationen konnten direkt dort umgesetzt werden, ohne dass sich nicht-produktionsbeteiligte Personen in den Haupt-Ü-Wagen UHD2 und UHD24 aufhalten mussten. Der finale Broadcast-Mix wurde ausschließlich an zwei Lawo mc²56-Konsolen erstellt, die das Musiksignal aus dem Truck übernahmen.
Der ESC gilt als hochgradig durchgeplantes Event mit zahlreichen automatisierten Cues für Kamera, Licht, Ton und Effekte. Mit dem neuen System LiveEdit wird bei den Musikbeiträgen nichts dem Zufall überlassen. Schnittfolgen und Triggerpunkte sind präzise vorab definiert.
Die Steuerzentrale für den Ablauf lag allerdings bei Avid Pro Tools. Das System diente nicht nur als Zuspieler für die Backing-Tracks, sondern auch als Timecode-Master. Von hier aus wurden sämtliche Showeffekte in Licht, Video, Automation und Pyrotechnik synchron angesteuert. Ein Operator löste den nächsten Titel aus, und die gesamte Inszenierung lief im Anschluss sekundengenau.
Auch in der Venue selbst setzte man auf bewährte Audiotechnik. Für Sprachbeschallung, Musikmix und In-Ear-Monitoring kamen jeweils zwei DiGiCo-Konsolen zum Einsatz, wobei jeweils ein Pult als Backup diente. Im Bereich Funktechnik vertraute man auf Shure Axient, beim In-Ear-Monitoring auf das PSM 1000 System.
RIEDEL war unter anderem für die gesamte Kommunikation vor Ort verantwortlich. (Fotos: Stefan Klinge / RIEDEL)
Kommunikation und Signale
Seit vielen Jahren ist Riedel ein fester technischer Partner des ESC, so auch 2025 in Basel. Das Wuppertaler Unternehmen verantwortete erneut die Bereiche Telekommunikation, Signaldistribution und Commentary.
Zum Einsatz kamen über 500 Funkgeräte, darunter sowohl analoge als auch Tetra-Systeme. Die Funkabdeckung wurde durch 24 RiFace-Repeater sowie drei implementierte Tetra-Zellen sichergestellt. Für die drahtlose Intercom-Kommunikation stellte Riedel 170 Bolero-Einheiten bereit, ergänzt durch 20 PunQtum Beltpacks und 100 stationäre Intercom-Panels.
Insgesamt verlegte das Unternehmen rund 12 Kilometer Kabel und installierte 62 MediorNet Frames zur umfassenden Signalverteilung auf dem Gelände. Im Bereich Commentary betreuten Thurid Wagenknecht und Yung Min Lee die 31 eingerichteten Kommentatorenkabinen.
Ein Teil der Commentary Booths musste wegen der kleinen Venus in eine Halle nebenan verlegt werden. (Foto: Sven Kubeile)
Fazit
Der Eurovision Song Contest 2025 in Basel bot nicht nur ein gewohnt spektakuläres Bühnenerlebnis, sondern auch interessante Einblicke in die Weiterentwicklung technischer Produktionsstrukturen. Der Wechsel von CuePilot zu LiveEdit, der Einsatz neuer Kamerasysteme und die konsequente Automatisierung über timecodegestützte Workflows zeigen deutlich, dass selbst etablierte Formate offen für Veränderung und Optimierung sind.
Auch unter beengten räumlichen Bedingungen gelang eine professionelle Umsetzung, getragen von erfahrenen Dienstleistern wie Riedel, NEP oder Stagetec. Die zunehmende Modularisierung von Workflows, flexible Intercom- und Signalverteilungssysteme sowie der Umgang mit sicherheitsrelevanten Einschränkungen bieten dabei nicht nur Herausforderungen, sondern auch Erfahrungswerte für kommende Großproduktionen.
2026 findet der ESC in Österreich statt, ein Standort, der nicht nur logistisch gut angebunden ist, sondern auch technisch einiges erwarten lässt. Wir blicken gespannt nach Wien, das mittlerweile als Austragungsort feststeht, und sind sicher: Die fortlaufende Optimierung im Live-Broadcasting ist längst Teil der ESC-DNA geworden. [15580]