Mit dem Boom generativer KI kommt die Sorge um den Umgang mit dem Urheberrecht: Wir erklären die rechtlichen Fallstricke beim Training von Bilder-KIs. Zudem erläutert die Medien- und Urheberrechtsexpertin Dr. Julia Schafdecker die wichtigsten Urheberrechtsbegriffe.
Foto: KI-generiert / Midjourney
Diese Meldung wollte gleich mehrfach hintereinander gelesen werden: Anfang Juni wurde bekannt, dass Disney und NBCUniversal eine gemeinsame Klage gegen Open AI eingereicht haben. Zwei der größten Rechteinhaber an Intellectual Properties, sonst erbitterte Konkurrenten, taten sich zusammen. Sie nahmen Anstoß an der Tatsache, dass Dall-E und ChatGPT sehr genau wissen, wie Darth Vader aus dem Star-Wars-Universum aussieht. Mit anderen Worten: Open AI muss zum Training urheberrechtlich geschütztes Material genutzt haben. Natürlich ist das Ziel beider Unternehmen nicht etwa, das strikt zu unterbinden. Aber sie wollen dafür angemessen bezahlt werden.
Das ist ihr gutes Recht – und wirft Licht auf den „größten Diebstahl der Menschheit“, wie Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar die massive Nutzung frei verfügbarer, aber urheberrechtlich geschützter Inhalte zum KI-Training nannte. Allein YouTube verfügt eigener Aussage nach Stand Frühjahr 2025 über 20 Milliarden hochgeladene Videos. Das ist Material, das faktisch frei zugänglich und für Data Mining zum Zweck des Trainings einer Bild-KI verfügbar ist, darunter auch der ein oder andere Clip des schwarzbehelmten Sternenbösewichts.
Menschliche Schöpfung
Aber ist das überhaupt illegal? Und wenn es nicht komplett illegal ist: Was ist legal, was nicht und wem gehört das Bild oder Video, das die KI auf Grundlage dieser möglicherweise illegal akquirierten Daten von der KI generiert hat? Licht in diese rechtliche Grauzone bringt Dr. Julia Schafdecker aus dem Berliner Büro der Kanzlei Fieldfisher. Die Rechtsanwältin studierte in Göttingen und Madrid und spezialisierte sich früh auf die Schnittstelle zwischen Technik und Urheberrecht, wo heute der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt.
Dr. Julia Schafdecker (Foto: Fieldfisher)
Gerade in der Kombination von Urheberrecht und generativen KIs sieht die Rechtsanwältin spannende Fragen mit Klärungsbedarf. Zunächst gilt es zu verstehen, was eine Schöpfung nach dem Urheberrecht ist. „Das Urheberrecht kommt von dem Gedanken, dass der Mensch etwas kreiert“, so Schafdecker. Eine menschliche Person wird also Urheber über einen wie auch immer gearteten Inhalt mit entsprechender Schöpfungshöhe. Diese wird vom Gesetz nicht präzise definiert. Wichtige Schlagworte, die in den Gerichtsurteilen zu dem Thema fallen, sind die Begriffe „Individualität“ und „Originalität“. All diesen Schöpfungen ist aber gemein, dass sie von einem Menschen getätigt werden. In Paragraf 2 des Urheberrechtsgesetzes steht: „Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.“ Hier wird die disruptive Kraft der KI deutlich. „Auf einmal wird das durch eine Maschine imitiert oder nachgemacht oder sogar ganz eigenständig erstellt. Das hat man nicht jeden Tag, dass die Grundzüge des Urheberrechts so sehr herausgefordert und infrage gestellt werden.“
Urheberrechtliche Nutzung
Jedem Urheber stehen laut Urheberrecht exklusiv die Rechte an dem geschützten Werk zu. Das Urheberrecht ist in Deutschland unveräußerbar. Nutzungsrechte hingegen können eingeräumt werden, zum Beispiel bei Musikern an die GEMA. Urheberrechtlich relevant können dann Vorgänge werden, die einer KI-Nutzung vorangestellt sind. So muss ein Bild oder ein Video heruntergeladen, also vervielfältigt oder dupliziert, und schließlich irgendwo gespeichert werden. Das ist regelmäßig Teil des sogenannten Scrapings. Dr. Julia Schafdecker ordnet ein: „Allein diese Handlung wird vom Gesetz erfasst und auch geschützt.“ Das Gesetz schützt zudem das Recht des Urhebers, über die Verwertung zu bestimmen, ob physisch („körperlich“) oder digitaler („unkörperlicher“) Natur. Dazu gehört auch die Vervielfältigung und die Verbreitung zum Beispiel durch Aufführung.
Für eine Weiterverarbeitung mit Hinblick auf KI-Training müssen Daten also derart aufbereitet werden, dass laut Dr. Schafdecker mindestens eines dieser Urheberrechte berührt wird. Die Erlaubnis für das Training kann durch eine Lizenzierung erteilt werden. Laut Gesetzestext ist die Verarbeitung nur dann legal, wenn der Urheber sie erlaubt, das heißt lizenziert hat. Ungewöhnlich ist hier, dass es eine Ausnahme gibt. In Paragraf 44b ist geregelt, dass das Text- und Data-Mining rechtmäßig ist, „um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen.“ Die Daten müssten nur „rechtmäßig zugänglich“ sein. Das könne durch einen maschinenlesbaren Opt-Out verhindert werden. Derzeit ist die Abwesenheit eines solchen Opt-Ins – oder auch expliziten Opt-Outs – noch eine juristisch offene Frage, die in Zukunft von Gerichtsverfahren eindeutig geklärt werden muss.
20 Milliarden YouTube-Videos
Der größte Anbieter von Bewegtbildinhalten im Internet ist YouTube. Wie löst der Videoriese die KI-Rechtsfragen? Content Creators können in den beiden Backend-Lösungen „YouTube Studio“ und „YouTube Studio Content Manager“ über die Option eines „KI-Training Opt-Ins“ durch Drittanbieter über das Setzen eines Häkchens bestimmen. Das klingt löblich. Doch CNBC enthüllte Mitte Juni 2025, dass die YouTube-Muttergesellschaft Google den gesamten Korpus aus 20 Milliarden Videos zum Training ihrer KI-Lösungen Gemini und Veo3 nutzen kann. CNBC zitiert das Unternehmen mit den Worten: „Wir haben stets YouTube-Inhalte genutzt, um unsere Produkte zu verbessern. Das hat sich nicht geändert mit dem Aufkommen von KI.“ Die dann folgenden Worte klingen wie Hohn: „Wir erkennen auch die Notwendigkeit von Leitplanken an, weshalb wir in robuste Schutzmaßnahmen investiert haben, die es Urhebern ermöglichen, ihr Bild und ihre Ähnlichkeit im KI-Zeitalter zu schützen – etwas, das wir auch weiterhin tun werden.“
Juristischer Streitfall: Wie bei den Illustrationen zu diesem Artikel können KI-Systeme realistische Bildmotive erzeugen, die auf urheberrechtlich geschütztem Trainingsmaterial basieren. Foto: KI-generiert / Midjourney
Man könnte das so lesen: Wir beschützen unsere Creators nach außen, nutzen ihre Inhalte aber selbst ohne deren ausdrückliche Einwilligung. Tatsächlich findet sich in den Geschäftsbedingungen von YouTube ein Absatz, der YouTube und Google umfangreiche, weltweite und kostenfreie Rechte einräumt. Zwar ist stets die „Beachtung der Urheberpersönlichkeitsrechte“ betont. Das sind aber einerseits zwei sehr unterschiedliche Rechte, andererseits wird nicht klar, wie diese „Beachtung“ genau aussieht.
Angesichts des immensen Archivs von 20 Milliarden Videos hat YouTube damit Zugriff auf die größte Bewegtbilddatensammlung der Welt. Selbst wenn Google nur ein Prozent der Videos zum KI-Training nutzen würde, so CNBC, wären das 2,3 Milliarden Minuten Video. Das entspricht dem 40-fachen vergleichbarer KI-Modelle der Mitbewerber, führt der Artikel weiter aus. Schlummert hier der nächste globale Rechtsstreit?
Tarifeinigung über KI-Einsatz
Gegenüber den internationalen Hiobsbotschaften gibt es aber gute Nachrichten aus der hiesigen Branche. Anfang 2025 kam es zu einem lang ersehnten Tarifvertrag, der erstmals den KI-Einsatz in der deutschen Filmbranche regelt. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Bundesverband Schauspiel e.V. BFFS haben sich mit der Produktionsallianz hinsichtlich verbindlicher Regelungen verständigt, wenn es um generative KI bei Filmproduktionen geht. Im Detail wurde laut ver.di ein Bekenntnis zum Schutz der Urheberrechte, mehr Mitbestimmung für die Urheber selbst, die Verpflichtung zur Transparenz sowie Rahmenbedingungen für angemessene finanzielle Kompensation vereinbart.
Vor allem soll mit dem Vertrag geregelt werden, dass die Darbietung oder die digitalen Nachbildungen der Schauspielerinnen und Schauspieler durch eine generative KI nicht ohne deren explizite Einwilligung und ohne angemessene Vergütung erfolgen dürfen. Angesichts der derzeitigen Geschwindigkeit der Marktentwicklungen wollen die Vertragspartner in halbjährlichem Abstand eine Erweiterung der Absprachen evaluieren.
In den Verhandlungen von ver.di und Produzentenallianz wurde jedoch eines klar: Es ist sehr wichtig, sich zunächst um Definitionen und um begriffliche Klarheit zu kümmern. Das liegt auch Dr. Julia Schafdecker am Herzen. Aktuell stehen wir am Beginn von rechtlichen Auseinandersetzungen, die Klarheit auf vielen Feldern bringen werden. Die Forderung nach klaren Regeln ist naheliegend, um auch Planungssicherheit für Unternehmen im KI-Bereich zu erhalten.
Bei den aktuellen gerichtlichen Auseinandersetzungen dürfte es den Urheberrechtsinhabern vor allem um eine finanzielle Kompensation für eine Nutzung ihrer Inhalte gehen – und somit um ein Lizenzierungsmodell für die Zukunft. Zwar sind auch angedrohte Verbote oder Transparenzkriterien Teil der Forderungen. Doch es ist fraglich, ob diese ernsthaft durchgesetzt werden können, vor allem in Hinsicht auf die bereits beträchtliche Menge an Material, das längst zum Training genutzt wurde.
Foto: KI-generiert / Midjourney
Kein Mensch, kein Schutz
Grundsätzlich ist der Schutz der Urheber im deutschen Gesetz sehr gut geregelt. Allein das Berufen der Global Player unter den KI-Anbietern auf grundsätzlich Erlaubtes, auf gesetzliche Graubereiche oder das in den USA übliche Fair Use, womit in den Rechtsstreitigkeiten über die bisherigen Trainingsverfahren argumentiert wurde, hebeln diesen Schutz und die damit verbundene Pflicht zur finanziellen Kompensation aus.
Umso wichtiger ist, dass sich die Interessensgruppen innerhalb der kreativen Branchen an einen Tisch setzen, um klare Regeln zu finden. Dass den menschlichen Urheberinnen und Urhebern ihre Bewegtbilder gehören, ist also gesetzlich eindeutig geregelt. Wie aber sieht es mit von KI generierten Videos aus? Sind keine Rechte Dritter betroffen, räumen Open AI für Sora und Stability AI für Midjourney dem Erstellenden umfangreiche Rechte an den KI-Videos ein. Googles Veo 3 tut dies nur bei den Bezahlaccounts. Alle Anbieter weisen in irgendeiner Form darauf hin, dass dies eingeschränkt ist, wenn das KI-Ergebnis Rechte Dritter betrifft. Während die erste große Klage von Disney und NBCUniversal läuft, bleibt abzuwarten, was das konkret heißt.
Aber ist dann wiederum dieser Output wiederum urheberrechtlich geschützt? „Nein, ist er in der Regel nicht“, sagt Dr. Julia Schafdecker. Denn laut dem deutschen Urheberrechtsgesetz muss ein Werk von einem Menschen erstellt sein, damit dieser Schutz gilt. Erst, wenn der Output signifikant von einem Menschen verändert wurde, kann er wieder urheberrechtlichen Schutz genießen. Doch auch das wird zunächst Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen sein. „Wie weit ist denn da überhaupt Gestaltungsspielraum durch einen Menschen gegeben und inwieweit kann der Mensch beeinflussen, wie das KI-generierte Werk aussieht?“ fragt Dr. Julia Schafdecker. „Darüber werden wir uns vor Gericht noch streiten.“
Sie rät bei der Nutzung generativer KI-Werkzeuge dazu, Prompting, Iterationen und menschlichen Einfluss sehr umfassend zu dokumentieren. Das könne eine Grundlage sein, um eine Schutzwürdigkeit später zu untermauern. [15586]