Wie läuft das Carnet-Verfahren praktisch ab, wo lauern Fallstricke – und was tun in Ländern, die nicht mitmachen? Unser Überblick zeigt Strategien für den reibungslosen Dreh.
Foto: Uwe Agnes
Das Carnet selbst besteht aus einem internationalen Deckblatt sowie farblich kodierten Einlageblättern für die Aus- und Einfuhr in jedes der bereisten Länder. Diese Blätter dienen dem Nachweis, dass die Ausrüstung jeweils korrekt eingeführt, ausgeführt und wieder zurückgeführt wurde. Bei der Ausreise aus Deutschland – oder aus einem anderen EU-Staat – muss das Equipment zusammen mit dem Carnet beim Zoll vorgeführt werden. Hier erfolgt die erste Kontrolle und Abstempelung. Im Zielland wird das Carnet erneut abgestempelt und gegebenenfalls die Ausrüstung überprüft. Der Zoll verzichtet dann auf die Erhebung von Einfuhrabgaben, sofern die Ware vollständig und unverändert wieder ausgeführt wird.
Das ist eine wichtige Bedingung, denn während des Aufenthalts darf die Ausrüstung eben nicht verändert, verkauft oder verbraucht werden. Bei der Ausreise aus dem Land erfolgt die nächste Zollkontrolle, bei der die korrekte Ausfuhr durch einen weiteren Stempel dokumentiert wird. Zurück in Deutschland wird auch die Wiedereinfuhr vom Zoll bestätigt, womit das Verfahren abgeschlossen ist. Wichtig ist, dass keine Station ausgelassen wird. Denn fehlende Stempel können dazu führen, dass nachträglich Zoll und Einfuhrumsatzsteuer erhoben werden. In solchen Fällen haftet zunächst die IHK über die hinterlegte Bürgschaft, die Kosten trägt aber letztlich das Unternehmen.
Ein Carnet ATA ist bis zu zwölf Monate gültig. Einzelne Länder beschränken die Nutzung allerdings auf bestimmte Zwecke. Wer mit Kamera und Zubehör auf internationale Reise geht, ist gut beraten, sich frühzeitig bei der IHK oder auf der offiziellen Zollwebseite zu informieren. Richtig genutzt, spart das Carnet ATA nicht nur Kosten, sondern vor allem Zeit und Nerven bei der Zollabfertigung. Mittlerweile sind in einigen Staaten digitale Varianten, sogenannte e-ATA, im Pilotbetrieb. In Deutschland muss man sich allerdings bislang noch mit Papierformularen plagen.
Kein Allheilmittel
Das Carnet ATA kann also wirklich hilfreich sein, aber es ist leider kein globaler Standard. Mit den etwas über 80 Länder, die das Verfahren anerkennen, ist nicht einmal die Hälfte der weltweit existierenden Staaten abgedeckt. Besonders in großen Teilen Afrikas, Zentralasiens oder im südlichen Pazifik ist das Carnet nicht gültig. Dort muss die temporäre Einfuhr beruflicher Ausrüstung nach wie vor individuell geregelt werden, entweder im Vorfeld über spezialisierte Agenturen oder direkt vor Ort durch das Team selbst.
Ein Beispiel dafür ist Tansania. Hier lässt sich die vorübergehende Einfuhr vergleichsweise unkompliziert abwickeln, vorausgesetzt man kennt das Verfahren oder hat Unterstützung vor Ort. In der Regel ist es nötig, einen lokalen Agenten zu beauftragen, der gegenüber den Zollbehörden als Vertreter auftritt und die Anmeldung übernimmt. Der Vorgang kann vor Ort an einem Vormittag erledigt sein, kostet aber etwas Zeit und Geld. Alternativ kann man auch mit örtlichen Filmproduktionen zusammenarbeiten, die solche Behördengänge bereits im Vorfeld übernehmen. Das ist zwar schneller und komfortabler, aber entsprechend teurer.
Wichtig ist: Ohne lokale Kontakte oder Erfahrung geht in vielen Nicht-Carnet-Staaten wenig bis gar nichts. Die Ausrüstung kann andernfalls schnell am Flughafen stecken bleiben, wie beispielsweise im eingangs beschriebenen Fall. Wer ohne gültiges Verfahren oder unterstützende Partner in Länder reist, die das Carnet ATA nicht anerkennen, sollte entsprechend genau recherchieren und ausreichend Pufferzeit einplanen.
Auch in Brasilien hilft das Carnet ATA nicht mehr weiter, denn Anfang 2022 wurde das Verfahren eingestellt und wird von den Zollbehörden nicht mehr akzeptiert. Wer Ausrüstung für Dreharbeiten mitbringen will, muss sich auf das lokale e-DBV-Verfahren („Electronic Declaration of Goods for Travelers“) verlassen. Hier beginnt der Prozess ebenfalls sehr rechtzeitig vor dem Abflug. In Deutschland muss man über das Portal der brasilianischen Zollbehörde eine elektronische Deklaration anfertigen, die alle Geräte mit Seriennummern und Preisen umfasst. Bei der Einreise wird dieses Dokument in der Zollstelle vorgelegt. Zur Prüfung zählen die Beamten jedes Kabel, jeden Akku und jedes Gerät ab. Änderungen oder Verluste unterwegs werden streng kontrolliert.
Am Carnet-ATA-Verfahren nehmen weltweit 84 Staaten teil, darunter die 27 EU-Länder. (Grafik: Uwe Agnes)
Ohne einen erfahrenen lokalen Partner ist man da schnell überfordert. Ideal ist es, vorab einen fachkundigen Fixer oder eine lokale Filmproduktionsfirma zu beauftragen. Die Registrierung über das e-DBV übernehmen solche Dienstleister, ebenso die Abwicklung bei Ein- und Ausreise, zu einem vergleichsweise hohen, aber kalkulierbaren Honorar.
Dass es auch ganz anders geht, sieht man gleich nebenan in Argentinien: hier muss man lediglich einen Einheimischen als Bürgen benennen, der dafür geradesteht, dass die Ausrüstung das Land wieder verlässt. Sollte man niemanden kennen, der hierzu bereit wäre, helfen auch hier lokale Filmproduktionen gern aus, wieder gegen eine entsprechende Gebühr.
In manchen Ländern interessiert sich der Zoll sehr zur Freude von Drehteams kaum für Berufsausrüstung. Bei der Einreise nach Ruanda etwa wird zwar jedes Gepäckstück sorgfältig durchleuchtet, doch Kameras und Zubehör lösen in der Regel keinerlei Reaktion aus. Gesucht wird nämlich nach Plastiktüten, die in Ruanda gesetzlich verboten sind. Wer seine Sonnencreme zur Sicherheit in einer Tüte verpackt hat, kann sich darauf einstellen, dass genau diese beschlagnahmt wird. Die Kamera hingegen bleibt unbeachtet.
Zurück daheim
Die Regeln für die Ausfuhr gelten auch bei der Wiedereinfuhr. Wer mit Kameraequipment aus dem Ausland zurückkommt, sollte im Zweifelsfall nachweisen können, dass die Technik nicht erst auf der Reise gekauft wurde, gerade wenn man das Carnet-ATA-Verfahren nicht verwenden konnte. Der offizielle Weg dafür ist das sogenannte INF-3-Verfahren, bei dem das Equipment vor der Abreise beim Zoll angemeldet und mit einem Formular dokumentiert wird. Danach lässt man bei Aus- und Einreise je einen Durchschlag beim Zoll zurück und behält das Original zur Erinnerung.
In der Praxis ist das Verfahren jedoch aufwendig und wird immer seltener genutzt. Heutiges Equipment ist nämlich wesentlich kompakter und wirkt daher deutlich unauffälliger, was das Interesse der Zollbeamten senkt. Für viele Produktionen wird daher eine einfache Rechnungskopie mit Seriennummer als Nachweis genügen. Wer lieber papierlos reist, kann die Rechnung auch als Foto auf dem Smartphone mitführen. Wer bei einer Kontrolle gar nichts dabei hat, muss im Zweifel vor Ort den Einfuhrzoll zahlen, bekommt diesen aber zurückerstattet, sobald der ordnungsgemäße Erwerb der Ausrüstung im Inland belegt ist.
Fazit
Das standardisierte Carnet-ATA-Verfahren zur vorübergehenden Einfuhr von Kamera-Equipment kann nur in einem Bruchteil der Staaten auf der Welt angewendet werden. Sobald man für eine Drehreise den Schutzraum der Europäischen Union verlässt, ist man deshalb gut beraten, die jeweils geltenden Vorschriften des betreffenden Landes zu recherchieren und im Zweifel auch umzusetzen.
Wer sein Equipment zollfrei über Grenzen bringen will, muss sich nicht nur mit Formularen und Fristen auskennen, sondern auch mit kulturellen Unterschieden und bürokratischen Eigenheiten. Doch mit der richtigen Strategie lassen sich fast überall praktikable Lösungen finden – und mit jedem Dreh im Ausland wächst die eigene Zollkompetenz.