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Setwissen

Grenzgänge (1)

Drehreisen ins Ausland wollen besonders gründlich geplant sein. Wir erklären die wichtigsten Verfahren, mit denen es die Ausrüstung gut über die Grenze schafft.

Advanced Security System in Airport Terminal
Foto: Shutterstock

Lange Zeit war „Zoll“ für viele in Europa kein Thema. Denn innerhalb der EU zirkulieren Waren und Dienstleistungen dank Freihandelsabkommen weitgehend ungehindert. Wer nicht gerade regelmäßig Technik in die Schweiz oder nach Post-Brexit-Großbritannien bringt, begegnet dem Zoll allenfalls am Flughafen beim Gang durch den grünen Kanal.

Doch die globale Entwicklung geht in eine ganz andere Richtung. Der amtierende US-Präsident verhängt per Dekret Strafzölle, wichtige Handelsabkommen stehen unter Druck, der multilaterale Konsens in der Welthandelsorganisation bröckelt. Zollpolitik ist wieder ein geopolitisches Machtinstrument geworden, mit durchgreifenden Folgen für grenzüberschreitende Arbeitsprozesse.

Für Filmschaffende ist das jedoch keineswegs etwas Neues. Wer mit Kamera, Zubehör und Crew ins Nicht-EU-Ausland reist, sieht sich seit jeher mit komplexen Einfuhrregeln, Bürokratie und teilweise willkürlichen Auflagen konfrontiert. Wer nicht entsprechend gerüstet ist und seine Papiere beisammen hat, dessen Equipment kann beim Grenzübertritt schnell zum Problem werden, sei es beim Dokumentarfilm oder Werbedreh. Manchmal hilft aber auch die beste Vorbereitung nicht. Wie schnell man in der Tinte sitzen kann, zeigt ein Beispiel aus eigener Erfahrung.

Lernen durch Misserfolg

Spätabends treffen wir auf einem Flughafen irgendwo auf dem afrikanischen Kontinent ein und die Transportkisten mit unserem Equipment erscheinen vollständig auf dem Gepäckband. Zwischen uns und einem erfolgreichen Dreh steht jetzt nur noch der Zoll. Als bei der manuellen Kontrolle angesichts unserer Kamera der Vorgesetzte herbeigerufen wird, ahnen wir nichts Gutes. Tatsächlich wandert die Kamera nach einiger Diskussion in einen massiven Stahlschrank mit eindrucksvollem Vorhängeschloss. Wir sollen am nächsten Tag wiederkommen, um dann die Angelegenheit zu einem hoffentlich guten Ende zu führen.

Den Flughafen und die darin eingesperrte Kamera verlassen wir mit einem etwas mulmigen Gefühl, besonders als wir beim Weg hinaus in einer Baracke hinter Maschendraht unzählige Regale sehen, deren Böden sich unter der Last von elektronischen Geräten aller Art biegen, zentimeterdick von Staub bedeckt.

Die Lösung des Problems in unserem Fall: jemanden zu kennen, der jemanden kennt, der gegen ein bescheidenes Honorar Probleme dieser Art löst. Mit solch einer Person machen wir am nächsten Tag die Runde durch einige Büros. So dauert es nicht lange, bis sich unser Problem in Luft auflöst und der Dreh beginnen kann. Der Form halber wird dann noch die Seriennummer der Kamera in den Pass eingetragen.

Diese Episode war allerdings selbst in der Rückschau unabwendbar, denn für die temporäre Einfuhr unserer Kamera in den betreffenden Staat gibt es keinen formalisierten Ablauf, den wir im Vorfeld in Gang hätten setzen können. Man muss stattdessen vor Ort sehen, wie man zurechtkommt.

Roter Kanal beim Zoll
Mit den Carnet ATA bleibt die Kamera nicht beim Zoll hängen. (Foto: Uwe Agnes)

Carnet-Verfahren

Der Hintergrund solcher Vorkommnisse ist, dass professionelle Drehausrüstungen als grundsätzlich wertvoll betrachtet werden und bei ihrer dauerhaften Einfuhr in einen anderen Staat normalerweise ein entsprechender Einfuhrzoll anfallen könnte. Diese Zölle werden vom Importland erhoben und dienen in erster Linie dazu, die einheimische Industrie vor der Konkurrenz durch möglicherweise bessere oder preiswertere Importwaren zu schützen. Auch wenn es eine zum Gegenstand passende Industrie im betreffenden Land gar nicht gibt, würde die Gebühr fällig.

Die Ausrüstungen von Drehteams sind jedoch üblicherweise dazu bestimmt, mit dem Team nach Hause zurückzukehren. Deshalb gibt es für viele Länder ein standardisiertes Verfahren zur vorübergehenden, zollfreien Einfuhr von Berufsausrüstung. Dieses Verfahren heißt Carnet ATA. Dabei steht „Carnet“ für Heft oder Formularbuch, ATA für die Kombination des französischen und englischen Ausdrucks „Admission Temporaire / Temporary Admission“, also „vorübergehende Einfuhr“. Aktuell erkennen 84 Staaten das Verfahren an, darunter alle EU-Mitgliedsländer, die USA, Kanada, Australien und China.

Beantragt wird das Carnet ATA in Deutschland über die Industrie- und Handelskammern. Zuständig ist in der Regel die IHK am Unternehmens- oder Wohnsitz. Für den Antrag sind eine detaillierte Warenliste mit Einzelwerten, eine Beschreibung des Reisezwecks – etwa „Dreh mit Berufsausrüstung“ – sowie die geplanten Reiseländer erforderlich. Die Bearbeitung erfolgt meist online. Die Kosten setzen sich aus einer Bearbeitungsgebühr und einer Zollbürgschaft zusammen, die das Risiko abdeckt, falls die Ausrüstung nicht wie geplant zurückgeführt wird. Bei einem Equipmentwert von rund 50.000 Euro ist mit Gesamtkosten zwischen 300 und 400 Euro zu rechnen.

Auch in Österreich und der Schweiz wird das Carnet ATA über die jeweiligen Wirtschaftskammern organisiert. In Österreich erfolgt die Ausstellung über die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) beziehungsweise über die jeweils zuständige Landeskammer am Unternehmenssitz. Der Antrag kann online über das Serviceportal der WKÖ oder direkt bei der Landeskammer eingereicht werden. Benötigt werden auch hier eine detaillierte Warenliste mit Einzelwerten und Seriennummern, Informationen zu Reiseziel und -zweck sowie gegebenenfalls eine Sicherheitsleistung, etwa in Form einer Kaution oder Bankgarantie. Die WKÖ stellt zusätzlich ein Online-System zur Verfügung, über das Carnets verwaltet und vorbereitet werden können.

In der Schweiz ist die Zuständigkeit zentral geregelt. Das Carnet ATA wird durch Switzerland Global Enterprise im Auftrag des Bundes ausgestellt. Der Antrag kann online oder per E-Mail gestellt werden. Auch hier ist eine vollständige Warenliste notwendig, idealerweise in Englisch oder Französisch. Zusätzlich muss eine Kaution oder Bürgschaft hinterlegt werden, um die zollrechtliche Rückführung der Ausrüstung abzusichern. Carnets können in der Schweiz in Deutsch, Englisch oder Französisch beantragt werden.


Mehr zu Stempeln, Fallstricken und Alternativen zum Carnet-ATA findest du morgen im zweiten Teil unseres Artikels!


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